Zahnschmerzen erkennen

Pferde sind Meister darin, Schmerzen zu verbergen. Das ermöglichte ihnen das Überleben in der Wildnis. Dieses Verhalten hat sich bis heute nicht verändert. Darum ist es nicht einfach, ein Schmerzgeschehen zu erkennen und richtig einzuordnen. PFERDE fit & vital hilft mit einem Leitfaden.
Eine klaffende Wunde, ein Hufabszess, eine Lahmheit oder eine Weichteilschwellung fallen sofort ins Auge. Bei Zahnschmerzen wird das sehr schwierig, weil sie für das menschliche Auge kaum wahrnehmbar sind. Sie werden daher oft übersehen oder mit den Symptomen einer Erkrankung wie etwa einer Kolik verwechselt.
Um Schmerzen besser einordnen zu können, wurde die „Horse Grimace Scale“ (HGS) entwickelt. HGS ist eine Pferdemimikskala, die schon seit Jahren erfolgreich angewendet wird, um typische Schmerzsignale anhand von Gesichtsausdrücken zu erkennen. Aber bei Zahnschmerzen stößt selbst diese Skala an ihre Grenzen. In einer britischen Studie der Universität Nottingham von 2024 (https://bvajournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/vetr.4800) wurden Pferde untersucht, die definitiv an Zahnschmerzen litten. Die Autoren wollten wissen, ob sich die HGS auch bei Zahnschmerzen bewährt. Zeitgleich wurde die numerische Bewertungsskala NRS eingesetzt. Allerdings ist die numerische Skala generell von der subjektiven Wahrnehmung des Beobachters abhängig, der Zahlen auf einer Skala von eins bis zehn vergibt. Insofern können bei der NRS unterschiedliche Beobachter zu unterschiedlichen Werten für das gleiche Pferd kommen. Die HGS ist hier eindeutig exakter.
Das Ergebnis der Studie war jedoch enttäuschend. Sowohl HGS als auch NRS erwiesen sich bei der Identifizierung von Zahnschmerzen als unzuverlässig. Die verschiedenen Fachleute (22 Tierärzte, vier Tiermedizinstudenten und fünf Tierpfleger), die sich an der Studie beteiligten, kamen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen, sodass es in der Bewertung so gut wie keine Übereinstimmungen gab. Das bedeutet auch, dass ein Pferd monatelang unter heftigen Zahnschmerzen leiden kann, ohne dass es jemand bemerkt. Damit wird dem Tier unnötiges Leid zugefügt.
Wie soll aber der Pferdebesitzer Zahnprobleme bei seinem Pferd erkennen, wenn das selbst für Experten äußerst schwierig ist? Pferdebesitzer haben den Vorteil, dass sie ihr Tier in- und auswendig kennen. Sie sehen es jeden Tag und können bei auffälligem oder ungewöhnlichem Verhalten schnell reagieren, zumal es durchaus Signale gibt, die auf Zahnprobleme hindeuten.
Laut einer Studie der Universität Helsinki von 2019 (https://www.sciencedirect.com/ science/article/pii/S0737080618307639) lassen sich diese Signale in drei Kategorien einteilen: Essverhalten, Gebissverhalten und allgemeines Verhalten.
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Text: Gisa Bührer-Lücke