Ein anfälliges Wunderwerk

Unter dem Begriff „Stoffwechsel“ werden alle biochemisch ablaufenden Vorgänge zusammengefasst, die in den Zellen stattfinden – also der Zu- und Abtransport von Stoffen, deren Ab- oder Umbau oder eben auch Aufbau. Kurz gesagt alles, was eine Zelle so machen kann, damit es der Gesamtheit der Zellen, dem Organismus gut geht. Das betrifft alle lebenswichtigen Organe und Systeme, also etwa Atmung und Energiegewinnung, Ausscheidung und Entgiftung, aber auch Immunsystem, Nervensystem, Hormonsystem, Blutbildung. Damit das reibungslos funktionieren kann, werden Makro-(Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße) und Mikronährstoffe benötigt – natürlich neben sauberer Luft zum Atmen und sauberem Wasser zum Trinken.
Und natürlich gibt es auch Steuerungssysteme im Körper, die alle Vorgänge „überwachen“, Regelkreise, die sich immer wieder selbst überprüfen und vom zentralen Nervensystem gesteuert werden. Das bedeutet allerdings nicht, dass alles immer perfekt funktioniert.
Wenn der Stoffwechsel nicht rund läuft
Stoffwechselstörungen können genetisch bedingt sein, doch auch die Epigenetik hat ihre Tücken. Mit „Epigenetik“ wird die Steuerung der Aktivität von Genen auf zellulärer Ebene bezeichnet. Sie unterliegt auch dem Einfluss der Umwelt bis auf die Ebene der genetischen Information, die DNA-Ebene. Umweltgifte üben so einen negativen Einfluss auf Stoffwechselvorgänge aus: Sie können Enzyme lahmlegen, die Stoffaustausch erschweren, giftige Zwischenprodukte bilden oder eben sogar Gene verändern und Krebs fördern. Doch auch Mangelsituationen an bestimmten Nährstoffen haben Einfluss auf den Stoffwechsel.
Zu denken, wir oder auch unsere Pferde seien in allen Lebenslagen immer bestens versorgt, da wir in modernen Zeiten leben, ist ein Irrglaube. Im Gras und im Heu sind weniger Nährstoffe enthalten als vor 100 Jahren, die Böden oft verarmt, weniger artenreich. Dafür enthalten Monokulturen und Hochleistungsgräser oft Zusatzstoffe wie etwa Endophytentoxine, die einem Säugetierorganismus eher schaden. Getreide oder Stroh können Herbizidrückstände enthalten, außerdem Schimmelpilzgifte, die auch darin vorkommen können. Weiter geht es mit Medikamenten oder Pflegemitteln, die ebenfalls Substanzen enthalten, die im Stoffwechsel ihre Wirkung entfalten. Wir und unsere Pferde leben eben nicht unbelastet wie unter einer Glasglocke in definierten Bedingungen. Generell gilt: Die Schere zwischen dem, was ein Körper für einen gesunden Stoffwechsel und die Entgiftung braucht und dem, was er aus der Nahrung oder dem Futter bekommt, geht immer weiter auseinander. Das Missverhältnis wird immer größer. Bedeutet: immer mehr Gifte, die entsorgt werden müssen und immer weniger Mikronährstoffe im Futter, die als Cofaktoren dafür zu Verfügung stehen.
Umwelteinflüsse auf den Stoffwechsel
In der Humanmedizin gibt es seit langem den Teilbereich der Umweltmedizin. In der Veterinärmedizin werden Umwelteinflüsse bislang noch völlig ignoriert, als würde es sie nicht geben. Doch auch unsere Pferde leiden an den Auswirkungen von Umweltverschmutzung, ob wir das nun wollen und glauben oder nicht. Zivilisationserkrankungen breiten sich aus. Die Ursache wird in den Genen vermutet. Gifte werden ignoriert. Es kann nur dann ein heilsames Konzept daraus werden, wenn wir beides beachten. Die Gene bestimmen in den meisten Fällen nicht allein das Schicksal, sondern auch die Epigenetik, also die Faktoren, die entscheiden, ob und welche Gene abgelesen werden und die dabei helfen, den Stoffwechsel rund und eben gesund laufen zu lassen.
Genetik, Umwelteinflüsse, Lebensbedingungen – viele Faktoren beeinflussen unsere Pferde und ihren Stoffwechsel. Kommen die „richtigen“ – in diesem Falle eben die falschen – Faktoren zusammen, kann die Folge eine Stoffwechselerkrankung sein.
Text: Dr. Tina Maria Ritter