Mythos Hafer

Fakten vs. Schlechter Ruf
Hafer wird seit etwa 1.000 v. Chr. in Europa angebaut und ist seit Jahrhunderten das Traditionsfutter für Pferde schlechthin. Im Gegensatz zur menschlichen Ernährung, in der Hafer gerade als Superfood hochmodern ist, geriet Hafer in der Pferdefütterung in den letzten 30 Jahren in schlechten Ruf, weil er die Pferde angeblich zu „heiß“ mache.
Die Futtermittelhersteller reagierten auf den schlechten Ruf und strichen Hafer aus vielen ihrer Produkte – zu Unrecht, wie PFERDE fit & vital Ihnen hier zeigen wird.
Fakt: das ist drin im Hafer
Hafer wird von praktisch allen Pferden sehr gern gefressen. Er hat mit fünf bis sieben Prozent Fett einen höheren Fettgehalt als beispielsweise Gerste und ist reich an ungesättigten Fettsäuren sowie essentiellen Aminosäuren, Spurenelementen und Vitaminen (insbesondere Vitamin E und Vitamin B1).
Daneben sticht der hohe Anteil an Lysin hervor, einer limitierenden Aminosäure, die für den Stoffwechsel in Muskeln und Leber von Bedeutung ist. Der hohe Anteil an Spelzen fördert die Kautätigkeit und damit auch die Bildung von Speichel. Der Stärkegehalt liegt bei etwa 45 Prozent und ist damit relativ gering. Sehr wichtig ist seine leichte Dünndarmverdaulichkeit: Etwa 85 Prozent der Stärke werden im Dünndarm abgebaut – im Vergleich dazu sind es bei Gerste nur 22 Prozent. Das schützt vor Störungen des Mikrobioms, sofern die Menge stimmt.
Fakt: Hafer ist nicht schuld, wenn Pferde „heiß“ werden
Auch hier gilt: Die Menge macht es! Hafer an sich macht die Pferde nicht „heiß”, sondern eine zu üppige Fütterung.
Hafer stellt rasch die benötigte Energie zur Verfügung, was bei arbeitenden und Sportpferden auch erwünscht ist. Andernfalls sollte der Pferdebesitzer genau überlegen, ob sein Pferd zusätzliche Energie wirklich benötigt. Das gilt auch für haferfreie Kraftfuttermittel.
Fakt: Auf die Qualität kommt es an
Über die Qualität des Hafers entscheidet das Litergewicht. 500 Gramm sollte ein Liter guter Hafer schon wiegen. Wenn er leichter ist, enthält er mehr Spelzen und weniger Korn, ist also von geringer Qualität. Zudem ist guter Hafer staubfrei und von angenehmem Geruch. Ein guter Test für Qualität ist der Wassertest: einfach eine Handvoll Hafer in ein Glas mit Leitungswasser geben. Je mehr Körner zu Boden sinken, desto besser der Hafer. Zudem sollte das Wasser klar bleiben. Färben sich die Körner nach 30 Minuten schwarz oder sogar rot, besteht Verdacht auf Pilzbefall.
Fakt: Schwarzhafer, Gelbhafer, Grünhafer, Weißhafer – die Qualität hängt nicht von der Farbe ab
Die Bezeichnungen Weißhafer, Gelbhafer und Schwarzhafer weisen auf die Farbe der Spelzen hin, bedeuten aber nicht, dass eine Sorte der anderen qualitativ so stark überlegen ist, dass dies die teils erheblichen Preisunterschiede rechtfertigen würde.
Fakt: Quetschen ist überflüssig, sofern die Zähne ok sind
Früher galt, dass Hafer wegen der besseren Verdaulichkeit nur gequetscht verfüttert werden sollte. Das ist mittlerweile überholt. Wenn die Zähne in Ordnung sind, besteht kein Grund, den Hafer zu quetschen. Die Verdaulichkeit wird
dadurch nur minimal erhöht. Zudem müssen Pferde ganzen Hafer besser kauen, was die Speichelproduktion anregt. Gerade magenempfindliche Pferde profitieren davon. Gequetschter Hafer verdirbt rasch – daher sollte er erst im Stall gequetscht und innerhalb von zwei Tagen verfüttert werden.
Fakt: so viel Hafer darf gefüttert werden
Grundsätzlich sollte nicht mehr als ein Gramm Stärke pro Kilogramm Körpergewicht pro Mahlzeit gefüttert werden. Mit anderen Worten: Ein 500 Kilogramm schweres Pferd sollte höchstens 500 Gramm Stärke pro Mahlzeit erhalten, also rund 1,25 Kilogramm Hafer.
Fakt: Mineralfutter ergänzt Hafer
Bei der Fütterung von Hafer sollte man das Calcium-Phosphor-Verhältnis im Auge behalten. Dieses sollte beim Pferd idealerweise bei 2:1 liegen. Hafer ist reich an Phosphor, so dass das Verhältnis umgekehrt ist und bis auf 1:5 (Ca:Ph) steigen kann. Daher sollte bei reiner Haferfütterung in größeren Mengen ein entsprechendes Mineralfutter gefüttert werden, das dieses Verhältnis ausgleicht.
Fazit: Hafer ist viel besser als sein Ruf! Bei an das Training angepasster Fütterung spricht in der Regel nichts dagegen,
Hafer zu geben. Er ist ein ideales und auch im Vergleich preiswertes Kraftfutter, das zudem mit Begeisterung gefressen wird.
Text: Ramona Billing, Foto: Angelika Schmelzer