Kleine Helfer
Unsere Pferde & ihre Darmflora
Es ist noch nicht lange her, da galten Bakterien und Co pauschal als „Bäh“. Heute weiß man all die kleinen Lebewesen zu schätzen und kennt ihren wertvollen, unersetzlichen Beitrag zur Gesunderhaltung von Mensch und Tier.
Die Mikroorganismen auf und in einem Organismus – Bakterien, Pilze, Protozoen – sind nämlich nicht automatisch Krankheitserreger oder Anzeichen schlechter Hygiene, sondern übernehmen auch als unsichtbare, aber überlebenswichtige Helfer wichtige Funktionen im Körper. Dann leben sie vor allem auf der Haut und im Magendarmtrakt und sind so eng mit zahlreichen wichtigen Prozessen verknüpft, dass klar ist: Ohne sie geht es nicht. Auch der Pferdedarm funktioniert nur dank seiner zahlreichen Untermieter.
Das Mikrobiom
Die Gesamtheit aller Kleinstlebewesen wird als „Mikrobiom“ bezeichnet, häufig aber wird dieser Begriff benutzt, um die Gemeinschaft von Mikroorganismen zu benennen, die in und auf einem vielzelligen Organismus leben. Nicht zum Mikrobiom im engeren Sinn zählen Krankheitserreger; auch zufällig anwesende Mikroorganismen ohne jede Wechselbeziehung mit dem Wirt werden nicht als Teil des Mikrobioms im engeren Sinn angesehen. Im Detail wird dann noch zwischen verschiedenen Körperregionen unterschieden, für die sich teils eigene Begriffe etabliert haben. So wird das Haut-Mikrobiom auch als „natürliche Hautflora“ bezeichnet, das Darm-Mikrobiom auch einfach als „Darmbakterien“. Hohe Mengen an Keimen – Protozoen (Einzeller mit echtem Zellkern), Pilze und vor allem Bakterien (Einzeller mit frei in der Zelle liegender DNA) – lassen sich im Caecum und Colon unserer Pferde beobachten.
Die Wissenschaft ist zunehmend interessiert an der Erforschung dieser Mikroorganismen, ihrer Einflüsse auf den „gastgebenden“ Organismus und die zahlreichen Wechselwirkungen. Viel wurde und wird inzwischen zum Darmmikrobiom von Mensch und Tier geforscht. Schnell wurde ein Aspekt dieser Besiedelung deutlich, der die Größenordnung erkennen lässt und indirekt Rückschlüsse auf die Bedeutung etwa des Darm-Mikrobioms erlaubt: Betrachtet man die Anzahl von Zellen im Vergleich lässt sich feststellen, dass der menschliche Organismus selbst von deutlich weniger Zellen gebildet wird als die Summe aller winzigen Untermieter im Darm ausmacht, die zudem ein Gesamtgewicht von ein bis zwei Kilogramm auf die Waage bringen. Auf der Zellebene sind wir Menschen also im eigenen Körper eigentlich eine Minderheit…
Ganz grundsätzlich lässt sich sagen: Ist mit dem Darmmikrobiom alles in Ordnung, hat das Pferd (oder jeder andere „Gastgeber“) viele Vorteile davon. Stimmt etwas mit der Besiedelung nicht, entgehen dem Organismus nicht nur diese positiven Aspekte, es können auch zahlreiche negative Einflüsse beobachtet werden – etwa eine vermehrte Bildung von Darmgasen oder eine Neigung zu Übergewicht. Allerdings muss jeweils sorgfältig geprüft werden, was Henne und was Ei ist: Ist die Abweichung von der idealen Besiedelung Folge oder Ursache einer erkannten Störung?
Es kreucht und fleucht im Pferdedarm
Der Magendarmtrakt unserer Pferde lässt sich anatomisch in unterschiedliche Abschnitte gliedern, vor allem aber können wir bestimmte Verdauungsprozesse einzelnen Bereichen zuordnen. Eine wichtige Unterscheidung ist die zwischen der enzymatischen Verdauung von Fetten, Kohlenhydraten und Proteinen im vorderen Bereich und dem mikrobiellen Aufschluss von Faserstoffen (auch Ballaststoffe, Gerüststoffe, schwer verdaulichen Kohlenhydrate genannt) im Dickdarm. Bei dieser Fermentation von Zellulosen, Hemizellulosen und Pektinen entstehen kurzkettige Fettsäuren, die dem Pferd als Energielieferanten dienen. Dies deckt bis zu 65 % seines Energiebedarfs ab – wenn alles gut läuft im Pferdedarm! Anders als oft angenommen sind es prozentual gesehen also vor allem schwer verdauliche Gerüststoffe (Raufutter) die dem Pferd Energie liefern und nicht etwa hochkalorische Kraftfutter – wenn die Mikroorganismen ihre Arbeit richtig machen (können). Daraus erklärt sich auch der enge Zusammenhang zwischen Dickdarmbesiedelung, Raufutterversorgung und Leistungsfähigkeit unserer Pferde! Ohne die Mikroorganismen blieben diese Strukturstoffe unverdaut. Mehr noch: Die Besiedler bilden nebenbei auch noch wasserlösliche Vitamine, die das Pferd nutzen kann.
Der Magendarmtrakt und hier insbesondere der Dickdarm ist auch aus weiteren Gründen von großem Interesse für die Wissenschaft. Streng genommen ist sein Inhalt Teil der Außenwelt, sind die Wände des Magendarmtrakts Barrieren zwischen Körperinnerem und der Umwelt. Diese Kontaktfläche ist wesentlich größer als die Hautoberfläche, auch aufgrund zahlreicher Vorstülpungen und Fältelungen im Bereich des Darms. Kommen Umwelt und Körper miteinander in Kontakt, ist eine saubere Trennung zum Schutz des Organismus besonders wichtig. Gleichzeitig aber muss diese Trennschicht auch durchlässig sein, im Falle des Magendarmtrakts vor allem, weil Nährstoffe aus dem Inneren in den Organismus überführt werden müssen. Genau hier liegt auch eine wichtige Funktion der Mikroorganismen: Sie helfen dabei, die schützende Schleimhautbarriere aufrecht zu erhalten und sorgen mit dafür, dass nicht etwa krankmachende Keime doch den Weg ins Körperinnere finden….
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Text und Fotos: Angelika Schmelzer