Punktlandung
Sinnvolle Fütterung im Frühjahr
Die ersten warmen Tage markieren eine echte Zäsur im Leben von Pferd und Pferdefreund: Mit einem „Uff! Geschafft!“ blickt man auf zurückliegende Monate, die von Kälte, Nässe und zahlreichen Einschränkungen geprägt waren, um nun hoffnungsvoll nach vorne zu schauen, in eine Zeit, in der alle wieder aus dem Vollen schöpfen können. Gute Aussichten also – und trotzdem gilt es aktuell, eine Phase des Umbruchs mit zahlreichen Herausforderungen zu bewältigen.
Eine individuelle und punktgenaue Fütterung legt die Grundlage dafür, dass harte Wintermonate abschließend bewältigt, eine energiegeladene Sommerzeit schwungvoll angegangen werden kann.
Was braucht mein Pferd?
Geht es darum, den Bedarf eines Pferdes einzuschätzen, hilft der Blick auf das große Ganze zunächst mehr als eine detaillierte Analyse. Der aktuelle Bedarf eines Pferdes lässt sich zwar, liegen die nötigen Daten vor, zu jedem Zeitpunkt rechnerisch recht genau definieren, dem Pferdehalter nützt diese Information dann aber nur bedingt, weil zeitlich beschränkt. Wirklich weiter bringt den Pferdefreund eine Betrachtung der Futterration und möglicher Optimierungspotentiale unter Einbeziehung von unterschiedlichen Blickwinkeln:
• Zahlreiche Grundprinzipien der Pferdefütterung schließen die gesamte Pferdepopulation ein. Dazu gehört etwa die Bedeutung der Raufutterkomponente oder die Notwendigkeit, Futterpausen von mehr als vier bis sechs Stunden konsequent zu vermeiden.
• Andere Gesetzmäßigkeiten beziehen sich auf die Bedarfe bestimmter Untergruppen und hängen mit der individuellen Erbringung von Art und Höhe einer Leistung (Arbeit, Wachstum, Zucht) zusammen. So unterscheidet sich etwa der Futterbedarf einer Stute während der Hochlaktation von dem eines Reitpferdes oder eines nicht mehr arbeitenden Seniors.
• Und schließlich gibt es individuell bedingte Unterschiede, die vielleicht mit der Rasse, dem fortgeschrittenen Alter oder bestimmten Vorerkrankungen zusammenhängen können. So wird bei gleicher Rasse, identischem Gewicht und vergleichbarer Arbeitsleistung ein 20-jähriges Reitpferd vermutlich von allem ein bisschen mehr brauchen als der erst fünfjährige Kollege.
• Als ob das nicht schon kompliziert genug wäre, kommen natürlich auch noch sich stetig ändernde Rahmenbedingungen hinzu: Futtergrundlage, Haltungsform oder Witterung nehmen Einfluss.
Aus dieser undurchsichtigen Gemengelage soll nun eine passgenaue Fütterung konzipiert und, wichtiger noch, immer wieder aktualisiert werden. Dabei unterstützen spezielle Programme, aber auch Beratungen durch Spezialisten. Ein gewisser Unsicherheitsfaktor bleibt, da nicht alle Eckdaten in eine solche Berechnung einfließen können – deshalb gilt immer auch der Grundsatz: Das Auge des Besitzers füttert das Pferd. Gerade im Frühjahr muss dieses Auge besonders genau hinsehen.
Was ändert sich, was bleibt?
Geht die Wintersaison allmählich in den Frühling über, ändern sich allmählich sowohl die Rahmenbedingungen als auch die Bedarfe. Faktoren der Rahmenbedingungen: Mit der Zeit wird es wärmer und meist auch trockener. Unsere Pferde verbrauchen weniger Energie, um sich warmzuhalten, kommen allerdings oft bereits ab Ende Januar in den Fellwechsel. Die Übergangszeit ist meist gekennzeichnet von sehr wechselhaftem Wetter, mit späten Frösten oder warmen Vorfrühlingstagen – anstrengend für die Pferde. Zudem halten sich viele Pferde auch unabhängig vom Training öfter draußen auf, auf dem Paddock, dem Auslauf, bald auch auf der Weide. Damit geht die Zeit der Futterkonserven dem Ende zu, denn nun kommt wieder mehr frisches Futter auf den Tisch: Weidegras, später auch leckere und gesunde Zugaben wie Karotten, Rote Beete oder frühe Äpfel, prallvoll mit Vitaminen und Mineralstoffen.
Faktoren der Nutzung: Es herrscht Aufbruchsstimmung, denn nun kann es nach den winterlichen Einschränkungen wieder so richtig losgehen. Längeren und intensiveren Ritten steht nichts mehr im Wege und auch die Jungpferde, die oft während des Winters in ihr Berufsleben eingeführt wurden, können nun durchstarten. Zudem stehen oft wichtige Termine wie Körungen oder Turnierstarts an, die in der Vorbereitung mit einer Intensivierung des Trainings einhergehen. Auch für Zuchtpferde stehen Änderungen an, denn Deckhengste müssen auf die Decksaison vorbereitet werden, tragende Stuten befinden sich in der Hochträchtigkeit. Absetzer habe ihre erste Wintersaison gut hinter sich gebracht und freuen sich ebenfalls auf die Weidesaison. Mit dem Alter ändern sich bei ihnen stetig auch die Bedarfe, zudem werden sie sorgfältig auf sich abzeichnende Wachstumseinbrüche überwacht.
Wie können Sie Ihre Pferde in dieser Zeit des Umbruchs am besten über die Fütterung unterstützen und zudem optimal auf kommende Herausforderungen vorbereiten?
Gute Grundlage
Halten Sie an einer guten Raufuttergrundlage fest, auch in Zeiten höherer Beanspruchung oder des bevorstehenden Weidegangs. Ihr Pferd braucht viel gutes Heu, wobei nicht nur die Gesamtmenge, sondern auch das Mengenverhältnis zu einer etwaigen Kraftfutterration wichtig ist. Ohne ausreichend Heu oder ein vergleichbares Raufutter können wichtige Verdauungsabläufe nicht in physiologischer Form ablaufen, mithin wird dann auch das wertvolle Kraftfutter nicht optimal genutzt. Das Pferd leidet unter Langeweile, weil es nur kurze Zeit mit der Futteraufnahme beschäftigt ist. Es drohen Magenprobleme und Magengeschwüre, da die Magensäure nur unzureichend durch den beim intensiven Kauen ballaststoffreicher Futtermittel gebildeten Speichel neutralisiert wird (beim Kauen von Raufutter wird etwa fünfmal so viel Speichel gebildet wie beim Verzehr von Kraftfutter!). Hinzu kommt, dass in der Arbeit ein mit etwas Raufutter gefüllter Magen weniger vom Schleimhautreizungen betroffen ist als ein gänzlich entleerter Magen, bei dem es durch die Bewegung infolge des Anhaftens der Schleimhautoberflächen aneinander zu erheblichen Problemen kommen kann. Und: Die Energieversorgung leidet unter einem Raufuttermangel, da dem Pferd die im Dickdarm aus Faserstoffen gebildeten Fettsäuren fehlen.
Was zählt jetzt im Frühjahr? Auch schwindendes oder in der Qualität und dem Gehalt nachlassendes Raufutter ist und bleibt die Futtergrundlage, bis die neue Ernte eingefahren und lange genug gelagert wurde. Wird es knapp, kann es durch geringe Mengen an Stroh oder Grummet gestreckt werden. Auch kommerzielle Produkte wie etwa Heucobs stehen zur Verfügung. Ein wenig Unterstützung versprechen mit Faserstoffen aufgewertete Kraftfutter, in der Menge allerdings löst dieses Plus das Problem oft nicht. Als Faustzahl sollte eine Raufuttermenge von mindestens 1,5 kg je 100 kg Körpergewicht des Pferdes angepeilt werden. Für den Kraftfutteranteil der Tagesration werden je nach Nutzungsintensität häufig Mengen von etwa 0,5 kg bis 1 kg je 100 kg Gewicht oder mehr angegeben – besser ist aber eine individuelle Berechnung vor dem Hintergrund, dass sehr viele Pferde tatsächlich überversorgt sind, also mehr Kraftfutter erhalten als nötig, und dass dies nicht nur den Geldbeutel des Besitzers, sondern auch das Pferd selbst belastet. Grundsätzlich ist es von Vorteil, wenn die Gesamtration auf mehrere Portionen verteilt wird – so wird sie besser ausgewertet und gut vertragen. Raufutter darf im Slow Feeder 24/7 vorgelegt werden oder in Portionen mit Futterpausen nicht über vier bis höchstens sechs Stunden. Gerade im Frühjahr, wenn nach der Winterpause die Arbeits- und Zuchtleistung wieder steigt, ist trotz einer angemessen angehobenen Kraftfuttermenge und schwindender Raufuttervorräte unbedingt darauf zu achten, dass die Fütterung so gestaltet wird, dass die Verdauung physiologisch ablaufen kann – Heu, Heu und nochmals Heu ist die Basis!
Gleitender Übergang
Mutter Natur hat für unsere Pferde keine radikalen Futterwechsel eingeplant. Im Leben der Wildpferde trat derlei schlicht nicht auf, denn das Gras der Steppen wurde allmählich trockener und dürftiger und nach der Regenzeit dann langsam wieder grün – immer Zeit genug, sich darauf einzustellen….
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Text und Foto: Angelika Schmelzer