Darmprobleme?„Immer das ganze Pferd anschauen!“

Die wichtigsten Darmerkrankungen im Überblick

Verstopfung, Durchfall und Kolik sind im Grunde keine Erkrankungen, sondern Anzeichen dafür, dass es irgendwo im Pferdekörper nicht stimmt. Die Symptomatik spielt sich zwar im Darm ab, doch die Ursache kann ganz woanders liegen. Deshalb sollte man bei Darmproblemen stets das Pferd im Ganzen im Auge haben, wie Prof. Dr. Heidrun Gehlen von der FU Berlin betont. „Wenn ein Pferd nicht richtig kauen kann, weil die Zähne schmerzen oder irgendetwas in der Maulhöhle nicht stimmt, wird sich das auch im Darm bemerkbar machen“, so Prof. Gehlen. „Oder nehmen wir Kotwasser: Hier zeigte eine Studie, dass ein Viertel der Pferde, die an Kotwasser scheinbar unbekannten Ursprungs litten, Magengeschwüre hatte. Wurden diese erfolgreich behandelt, verschwand auch das Kotwasser.“

Verstopfung
Blinddarmverstopfung ist immer ein großes Thema beim Pferd. Eine beginnende Verstopfung macht sich durch Unruhe und Koliksymptome (Schmerzen im Bauchraum) bemerkbar. Hier sollte man nicht lange zögern und den Tierarzt rufen. „Häufig sind Verstopfungen (Obstipationen) im Dickdarm auf mangelnde Wasseraufnahme zurückzuführen“, so Prof. Gehlen. „Daher sollten Pferdehalter immer darauf achten, dass stets sauberes Wasser zur Verfügung steht und nicht etwa die Tränke verschmutzt ist oder überhaupt nicht funktioniert. Außerdem sollte man die Beschaffenheit und Menge des Kots im Auge behalten. Wird zu wenig abgesetzt oder sieht der Kot sehr trocken aus, sollte etwas unternommen werden. Hier kann Mash unterstützend wirken. Wenn Pferde zu wenig Wasser aufnehmen kann man versuchen, das Wasser mit etwas Apfelsaft zu versüßen oder einen Kräutertee zu geben. Auch Leinsamen oder Flohsamenschalen (bei Sandaufnahme) im Futter helfen vorbeugend. Beschwerden wird der Tierarzt mit abführenden Mitteln wie zum Beispiel Paraffinöl, Glaubersalz oder Macrogol entgegenwirken. Das ist aber wirklich Sache des Experten, denn es muss gleichzeitig auch genügend Flüssigkeit im Gefäßsystem sein. Hier wird der Tierarzt für entsprechenden Ausgleich sorgen.“
Neben Wassermangel können auch motorische Darmentleerungsstörungen oder falsche Fütterung (zu viel Stroh, zu kurz gehäckseltes Raufutter) ursächlich für eine Verstopfung sein. Nicht zuletzt kann auch eine Verwurmung dahinterstecken. „Selbst regelmäßige Entwurmung kann aufgrund zunehmender Resistenzen nicht immer vor Wurmbefall schützen“, gibt Prof. Gehlen zu bedenken.

Durchfall
Durchfall kann unterschiedliche Ursachen haben und in schweren Fällen sogar lebensbedrohlich sein – insbesondere bei Fohlen. „Hier sollte man als erstes die Körpertemperatur messen“, empfiehlt Prof. Gehlen. „Wenn das Pferd Fieber hat, liegt wahrscheinlich eine Infektion vor. Dann sollte das betroffene Pferd umgehend von den anderen abgesondert und der Tierarzt hinzugezogen werden.“ Wenn das Pferd fieberfrei ist und ansonsten gesund erscheint, kann sich der Besitzer auch zunächst selbst auf die Ursachenfindung begeben: Gab es eine Futterumstellung? Wurde ein neues Mineralfutter gegeben? Oder gab es irgendwo Stress in der Haltung, zum Beispiel, weil ein neues Pferd zur bestehenden Gruppe kam? Auch Parasiten oder die Aufnahme von Sand kann zu Durchfall führen. Einmaliger Durchfall bei ansonsten gesundem Pferd ist sicher kein Grund für Besorgnis. Sollte er weiter bestehen, das Allgemeinbefinden gestört sein oder zusätzliche Symptome (z. B. Blut im Kot) hinzukommen, sollte dagegen der Tierarzt sofort gerufen werden. Nicht warten sollte man unbedingt auch bei Fohlen. „Die haben noch nichts zuzusetzen, so dass es ganz schnell kritisch werden kann. Außer, wenn es sich um „Rosse-Durchfall“ handelt. Die Rosse tritt bei der Mutterstute am 10. Tag nach der Geburt ein und da kann es schon mal zu Durchfall beim Fohlen kommen.“

Kotwasser
Kotwasser ist kein seltenes Problem in den Ställen. Es kann verschiedene Ursachen haben. Sehr häufig steckt Stress dahinter. So hat sich in Studien gezeigt, dass Pferde in Offenstallhaltung häufiger unter Kotwasser leiden als andere Pferde. Gründe können Unverträglichkeiten innerhalb der Gruppe und zu wenig Platz zum Ausweichen sein. Auch wenn sich Boxennachbarn so gar nicht vertragen, kann das purer Stress sein. Hier hilft nur ein Umstellen in eine andere Box bzw. Gruppe.

Colitis
Eine chronische Dickdarmentzündung (Colitis) tritt auch bei Pferden auf. Es handelt sich dabei um eine schwerwiegende Erkrankung, die viele Ursachen haben kann. „Eine Colitis ist immer Sache des Tierarztes und erfordert den Einsatz von Entzündungshemmern wie z. B. Cortison“, so Prof. Gehlen. „Sobald die Entzündung im Griff ist, muss die Darmflora saniert werden. Hier helfen Probiotika und ggfs. auch eine Kotübertragung von einem gesunden Pferd per Nasenschlundsonde (Transfaunation). In jedem Fall sollte bei der Diagnostik der gesamte Magen-Darm-Trakt überprüft werden.“

Darmsanierung
Das Gleichgewicht der im Darm lebenden Mikroorganismen, welche die sogenannte Darmflora bilden, ist für die Darmgesundheit entscheidend. Dieses Gleichgewicht ist sehr empfindlich und muss nach einer Störung erst wieder hergestellt werden. Hier kann eine Darmsanierung über Probiotika helfen, wie sie von vielen Futtermittelherstellern angeboten werden. Sie stimulieren das Immunsystem und können die Barriere-Eigenschaften der Darmwand positiv beeinflussen. „Probiotika helfen, jedoch gibt es deutliche Qualitätsunterschiede“, so Prof. Gehlen. „Bevor man sich für ein Produkt entscheidet, sollte man schauen, ob das, was da drin ist, auch für das jeweilige Problem sinnvoll ist. Denn nicht jedes Produkt hilft gegen jedes Problem. Im Zweifelsfall sollten Pferdehalter den Tierarzt oder einen Tierernährungsberater fragen.“ Je nach Ursache und Erkrankungsdauer werden Probiotika kurmäßig über einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen verabreicht oder auch dauerhaft zugegeben.

Text: Prof. Dr. Heidrun Gehlen