Superstar unter den Heilpflanzen

Der Echte Thymian und seine Verwandten

Er ist so ein wenig der Superstar unter den Heilpflanzen: Der Echte Thymian (Thymus vulgaris) war Arzneipflanze des Jahres 2006 – der „Heilpflanzen-Oskar“ – und schon in der Antike für seine heilsamen Wirkungen bekannt.

Selbst von der heilkundigen Universalgelehrten Hildegard von Bingen wurde er empfohlen. Thymian hat sogar den offiziellen Segen der „Kommission E“, einer selbstständigen wissenschaftlichen Gruppe von Sachverständigen für pflanzliche Arzneimittel, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte berät. Das Thymiankraut und seine Zubereitungen sind zur Anwendung am Menschen für das überwiegende Anwendungsgebiet „Besserung der Beschwerden bei Erkältungskrankheiten der Atemwege mit zähflüssigem Schleim und zur Besserung der Beschwerden bei akuter Bronchitis“ zugelassen.
Der Echte Thymian kann so wie kaum eine andere Arzneipflanze stolz auf eine vielhundertjährige Tradition als geschätzte Heilpflanze, aber auch als Gewürz zurückblicken. Heute ist der Echte Thymian zusammen mit andern Thymian-Arten dabei, auch immer mehr Eingang in die Medikamentenschränke unserer Pferdeställe zu finden, denn viele Pferdefreunde orientieren sich inzwischen ganz bewusst in Richtung Phytotherapie, wenn es um die Behandlung bestimmter Pferdekrankheiten geht.

Typisch Echter Thymian

Der Echte Thymian, ein bis zu 40 cm hoch wachsender Zwergstrauch, ist nur ein Vertreter in der großen Pflanzengattung der Thymiane (auch Quendel), die insgesamt fast 250 Arten umfasst. Mit so unterschiedlichen Vertretern wie dem Lavendel und dem Salbei, aber auch dem Teakbaum gehört er zur Pflanzenfamilie der Lippenblütler. Viele Thymiane finden Verwendung als Heil- und Gewürzpflanzen, sind aber auch wichtige Bienenweiden.
Der Echte Thymian stammt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum und wächst dort wild in immergrünen Buschwäldern und felsigen Heideflächen, er mag helle, trockene und sandige Standorte. Hier finden wir ihn in Gärten und nur gelegentlich verwildert. Er lässt sich leicht an seinen kleinen, graugrünen und an der Unterseite filzig behaarten Blättern, den zart blassrötlich gefärbten Lippenblüten und seinem stark aromatischen, typischen Duft erkennen.
Der Echte Thymian blüht etwa von Mai bis September. Das ganze blühende Kraut ohne die Wurzeln wird arzneilich verwendet. Zum Einsatz kommen frische ebenso wie getrocknete Pflanzen oder Pflanzenteile, aber auch das aus der frischen Pflanze gewonnene Thymianöl, ein ätherisches Öl, bzw. Thymiansaft, auch zusammen mit anderen Pflanzen oder Pflanzenextrakten. Thymian kommt als gerebeltes (Rebeln: Blätter oder/und Blüten durch Abstreifen gewinnen) Produkt aus der ganzen Pflanze, als Bestandteil diverser Kräutermischungen, als Teeaufguss, lose oder zu Presslingen verarbeitet und als Thymianöl in den Handel.

Ätherische Öle

Bei ätherischen Ölen handelt es sich um ein individuelles Gemisch verschiedener, ineinander löslicher, leicht flüchtiger Stoffe. Die ätherischen Öle vieler Pflanzen enthalten selbst wiederum sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, eine Gruppe von chemischen Verbindungen, für die teilweise eine positive gesundheitliche Wirkung auf den Menschen wissenschaftlich nachgewiesen ist. Ätherische Öle werden von den Öldrüsen (Elaiophore) der Pflanzen mit dem Zweck gebildet, durch den Duft Insekten und damit Bestäuber anzulocken.
Viele ätherische Öle – wie auch das Thymianöl – sind von großem Interesse für die Arzneimittelforschung. Während man sich in früheren Zeiten auf Erfahrungswerte stützen musste, wird heute eifrig an der pharmakologischen Wirkung traditioneller Heilpflanzen geforscht. Dabei steht der Mensch im Mittelpunkt des Interesses, etwaige Erkenntnisse lassen sich keinesfalls einfach auf die Anwendung an anderen Lebewesen – etwa das Pferd – übertragen. Dies stellt viele Pferdefreunde vor ein Dilemma, denn wissenschaftliche Studien mit belastbaren Ergebnissen zum Nutzen, zu den Wirkungen und etwaigen Nebenwirkungen bei der Verwendung entsprechender Produkte für Pferde sind weithin Mangelware. Das gilt auch für den Echten Thymian und das Thymianöl.

Vielfalt der Thymianöle

Thymianöl ist allerdings nicht gleich Thymianöl… Neben dem Echten Thymian werden auch weitere Arten aus der großen Gruppe der Thymiane zur Produktion von Thymianöl eingesetzt, etwa der Joch-Thymian, eine weitere offizinelle (arzneilich verwendete) Art. Verfügbar sind zum einen Thymianöle, die aus bestimmten Thymianarten gewonnen wurden wie auch Öle, die aus einer Mischung verschiedener Öle der Thymiangruppe bestehen. Und: Alleine aus dem Echten Thymian werden sieben chemisch unterschiedliche Öle hergestellt, benannt nach dem jeweils vorherrschenden Hauptbestandteil. Diese Unterschiede sind genetisch und klimatisch bedingt.
Im standardisierten Thymianöl Aetheroleum Thymi findet sich Thymol als Hauptwirkstoff. Es ist wirksam gegen Bakterien und Pilze und wird in der Human- wie in der Veterinärmedizin vor allem gegen Hautpilzinfektionen verwendet.

Phytotherapie mit Thymian

Bei der Bewertung von Thymian bzw. dem Thymianöl muss zwischen Erfahrungswerten, im Labor nachgewiesenen Wirkungen und klinischen Untersuchungsergebnissen unterschieden werden, zudem zwischen Wissen und Erkenntnissen bezüglich der Anwendung beim Menschen und beim Pferd. Offiziell gibt es lediglich die Anerkennung der Wirkung durch die Kommission E für Luftwegskatarrh, Bronchitis und Keuchhusten des Menschen. Im Laborversuch wurde aber nachgewiesen, dass Thymian bzw. Thymianöl desinfizierend wirkt, antiviral, antibakteriell und antimykotisch.
Im Bereich der Phytotherapie für Pferde wird Thymian also für ganz unterschiedliche Einsatzgebiete empfohlen. Entsprechend groß ist die Vielfalt an Produkten, entweder aus reinem Thymian oder aus einer Mischung dieser Heilpflanze mit anderen.
Zum Glück gibt es inzwischen Studien, die für die Wirksamkeit des Thymians bei Atemwegsproblemen des Pferdes sprechen, wohl dem Hauptanwendungsgebiet: An Pferden, die unter Dämpfigkeit litten, wurde nachgewiesen, dass sich einige gesundheitlich relevante Parameter unter dem Einsatz eines Mittels, das Thymian enthielt, deutlich besserten. Insgesamt sind belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Thymian beim Einsatz am Pferd aber rar gesät, doch da befindet sich diese traditionelle Arzneipflanze in bester Gesellschaft, wie eine schwedische Untersuchung ergab: Sie erkundete die Studienlage hinsichtlich der wichtigsten im Rahmen der Phytotherapie bzw. als Zusatzfuttermittel eingesetzten Pflanzenprodukte und kam zu dem Ergebnis, dass die Häufigkeit des Einsatzes und die beworbenen Wirkungen in keinem günstigen Verhältnis zu den jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen, da schlicht zu wenig auf diesem Gebiet geforscht wird.
Der Pferdehalter muss sich also weitgehend auf Erfahrungswerte verlassen und diese Mittel unter Vorbehalt einsetzen – nicht viel erwarten und sich dann positiv überraschen lassen… Umso wichtiger sind eine gesicherte Diagnose und eine gute Beratung durch kräuterkundige Fachleute. Phytotherapie, ob mit Thymian oder einer anderen Heilpflanze, ist keine „Medizin light“, mit der sich ohne jede Gefahr von Nebenwirkungen oder Unwirksamkeit viel erreichen lässt!
Was aber die heute in Mode gekommene „natürliche“ Entwurmung mit Kräutermischungen angeht, die häufig auch Thymian enthalten, muss daran ein dickes Fragezeichen gesetzt werden. Viele Kräuter mögen, einzeln oder als Mischung, das Darmmilieu positiv beeinflussen und so dazu beitragen, dass Parasiten darin nicht überhandnehmen. Gegen einen Einsatz mit dieser Zielsetzung ist nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil. Aber: Einem bestehenden Befall mit Darmparasiten alleine mit einer Kräutermischung beikommen zu wollen ist sicher gut gemeint, ob es aber auch gut gemacht ist, kann bezweifelt werden. Bislang fehlen belastbare wissenschaftliche Beweise für eine solche Wirkung der entsprechenden Mischungen, und das, obwohl diese mit einer einfachen klinischen Studie vergleichsweise schnell und leicht zu erbringen wären. Da Darmparasiten viel Schaden anrichten und sogar das Leben des Pferdes bedrohen können, sollte eine solche Anwendung am Pferd NIE ohne entsprechende Verlaufskontrolle (Kotprobe vorher und nachher) erfolgen. Im Zweifel lieber die bewährten, nachweislich wirksamen Entwurmungen einsetzen, auch wenn es sich dabei um oft geschmähte „Chemie“ handelt – hier rechtfertig der Nutzen das überschaubare Risiko bzw. etwaige Nachteile. Zu empfehlen ist die „Selektive Entwurmung“, ein modernes Schema, das unnötige Entwurmungen ausschließt.

Finger weg!

Thymian sollte nicht an tragende Stuten oder an Pferde mit Nieren- und/oder Lebererkrankungen verfüttert werden. Und, Achtung Turnierreiter: Thymian bzw. Thymianöl gehört zu den verbotenen Substanzen der Liste II (Liste der verbotenen Substanzen – unerlaubte, im Wettkampf verbotene Medikation) mit einer Karenzzeit von 48 h.

Text: Angelika Schmelzer