Die Beugeprobe

Wie aussagekräftig ist sie wirklich?

Die sogenannte Beugeprobe ist wichtiger Bestandteil einer Lahmheitsuntersuchung ebenso wie einer Ankaufsuntersuchung. Dabei werden die Gelenke an den Vorder- bzw. Hinterbeinen 60 Sekunden lang gebeugt. Anschließend wird das Pferd sofort angetrabt. Tritt dabei eine Lahmheit auf oder verstärkt sie sich, kann dies nähere Rückschlüsse auf Problembereiche zulassen. Doch muss eine positive Beugeprobe durchaus nicht das Aus für einen geplanten Pferdekauf bedeuten.

Über dieses heikle Thema unterhielt sich PFERDE fit & vital mit Dr. Jens Körner von der Hanseklinik für Pferde, der Spezialist für die Fachbereiche Sportpferde-Orthopädie und Kaufuntersuchungen ist.

Zunächst zum Verständnis: Wann gilt eine Beugeprobe denn als positiv? Muss jedes Pferd sofort beim Antraben klar gehen oder sind geringfügige „Antrittsprobleme“ normal?

Grundsätzlich sollte eine Taktunreinheit oder Lahmheit nach den ersten paar Tritten verschwunden sein. Aber die Reaktion auf den Provokationstest fällt durchaus sehr unterschiedlich aus. Je älter ein Pferd ist, desto mehr Reaktion ist zu erwarten. Zudem sind für das Ergebnis immer beide Seiten zu betrachten, das heißt, eine Beugeprobe sollte beidseits möglichst identisch, aber eben auch nicht deutlich ausfallen. Die Beugeprobe sollte jedoch nie allein bewertet werden, sondern immer im Zusammenhang mit der sonstigen klinischen Untersuchung. Eine positive Beugeprobe allein ist kein Ausschlusskriterium für einen Kauf, sofern keine Lahmheit bei der klinischen Untersuchung auftritt. Wenn allerdings zur positiven Beugeprobe auch noch eine veränderte Lastaufnahme der betroffenen Gliedmaße hinzukommt, würde ich von einem Kauf abraten.

Wie gehen Sie im Rahmen einer Lahmheitsuntersuchung bei einer positiven Beugeprobe vor?

Auch hier gilt: Für eine Lahmheitsuntersuchung muss immer das Ganze in Betracht gezogen werden. Die Stärke der Reaktion auf eine Beugeprobe sagt nämlich wenig über die Schwere einer potentiellen Erkrankung aus. Wenn ein Pferd lahmt, führe ich mehr Beugeproben durch als bei einer AKU. Aus der Zusammenschau von Beugeproben und Bewegungsmuster kann der Behandler Problembereiche eingrenzen. Es ergibt sich häufig ein bestimmtes Beugemuster, anhand dessen dann eine zielgenaue Betäubung durchgeführt werden kann.
Dadurch kann man sich und dem Pferd unnötige Injektionen sparen. Zudem läuft man beim klassischen Muster, bei dem man von unten nach oben hochbetäubt, Gefahr, dass mehrere Bereiche gleichzeitig betäubt und dadurch potentiell Lahmheiten übersehen werden.
Gerade bei wenig deutlichen Lahmheiten, die vom Pferdebesitzer nicht gesehen werden, ist es wichtig, dass alle Beine untersucht und auch gebeugt werden. Lahmheiten haben teilweise ganz andere Herkünfte als da, wo sie vom Pferd gezeigt werden.
Auch hier gilt: Die klinische Untersuchung ist das A und O und die Beugeprobe stellt nur einen kleinen, wenn auch wichtigen Anteil dar. So zeigen beispielsweise Fesselträgerprobleme manchmal bei der Beugeprobe an und manchmal eben nicht.

Was raten Sie Pferdebesitzern grundsätzlich bei einer auftretenden Lahmheit?

Zunächst sollte der Haustierarzt hinzugezogen werden, der das Problem eingrenzt und die Therapie einleitet. Wenn das Pferd nicht hochgradig lahmt, kann man in der Regel erst einmal warten, dass die Behandlung anschlägt. Wenn nach vier Wochen kein Erfolg zu sehen ist, sollte man weiter in die Diagnostik einsteigen.
Das kann dann bis zu MRT und Szintigraphie gehen. Diese Werkzeuge können sehr wertvoll sein, allerdings sind auch sie allein nicht aussagekräftig, sondern nur in der Zusammenschau. Ohne den fachkundigen Tierarzt geht es eben nicht.

Text: Ramona Billing, fachliche Beratung: Dr. Jens Körner, Fotos: Hanseklinik für Pferde