Das Pferdeherz – Motor des Lebens

Ein ganz besonderer Muskel, der Aufmerksamkeit verdient

Der Motor sitzt bei unseren Pferden in der Hinterhand, heißt es – aber das stimmt so eigentlich nicht! Er sitzt nämlich im Brustkorb, auf der linken Seite: das Herz. Im Verborgenen arbeitend, gibt sein Schlag den Rhythmus des Pferdelebens an. Ist das Gehirn die Steuerungszentrale, das Lenkrad des Organismus, so ist das Herz sein Antrieb, sein Motor. Der Clou: Zwar ist das Herz auf vielfältige Weise mit dem Rest des Körpers verbunden, seinen Takt aber erzeugt es eigenständig, abgekoppelt vom Organismus.

Es ist ein ganz besonderer Muskel und er verdient unsere besondere Aufmerksamkeit: Viel können wir tun, damit er Leistungsträger und nicht Schwachstelle im Leben unserer Pferde ist und bleibt. Wer das Herz und seine Funktion verstehen will, wer es zudem als Lebensmotor seines Pferdes schützen und pflegen möchte, muss es in den Zusammenhang stellen: Das Herz lässt sich kaum unabhängig vom Blutkreislauf und von der Lunge betrachten. Diese drei Elemente können einzeln beschrieben, aber nur im Zusammenhang begriffen werden.
Das Herz, „die Pumpe“, dient dem Blutkreislauf als Antrieb. Der Hohlmuskel verfügt über die Fähigkeit, sie rhythmisch zusammenzuziehen und wieder zu entspannen, wodurch das Blut im Inneren seiner insgesamt vier Kammern verdrängt, in das Blutgefäßsystem gedrückt wird und anschließend wieder nachfließt. In den Gefäßen sorgt die so ausgelöste Druckwelle für den steten Weitertransport der darin befindlichen Blutflüssigkeit. Ventile stellen zudem sicher, dass Blut innerhalb des Herzens und im Transportwegesystem immer ausschließlich in die vorgegebene Richtung fließt.
Als Muskel reagiert das Herz auf elektrische Impulse mit einer Kontraktion. Da es ein Hohlmuskel ist, kommt es dabei zu keiner Verkürzung, wie wir es generell von der Skelettmuskulatur kennen, vielmehr zieht sich der Herzmuskel in sich zusammen, sodass die darin eingebetteten Hohlräume blitzschnell schrumpfen und verschwinden – etwa wie beim Öffnen und Ballen einer Faust. Der Clou: Diese elektrischen Impulse kommen nicht über das Zentralnervensystem am Herz an, sondern werden in speziellen Strukturen des Herzens selbst gebildet. Die Messung und Aufzeichnung dieser elektrischen Aktivität des Herzens geschieht mit einem Elektrokardiogramm, kurz EKG. Die über die Pumparbeit ausgelöste Druckwelle, der Puls, lässt sich an verschiedenen Punkte mit den Fingerspitzen ertasten: beim Pferd am Unterkiefer und an der Schweifrübe. Bei seiner Arbeit erzeugt das Herz Geräusche, die beim Abhören mit dem Stethoskop
erfasst und vom Tierarzt beurteilt werden können.

Autobahnen, Landstraßen, Wanderpfade
Der Blutkreislauf ist ein geschlossenes Transportwegesystem aus Einbahnstraßen, an dem sich zwei funktionale Anteile ausmachen lassen, der Lungenkreislauf und der Körperkreislauf. Zwei Anteile, weil es zwei große Aufgaben zu meistern gilt: Entsorgung und Versorgung. Je nach Fließrichtung werden Venen (zum Herz hin führend) und Arterien (vom Herz zu den Organen weg ziehend) unterschieden und Blutgefäße in Grafiken je nach Sauerstoffgehalt blau (sauerstoffarm) oder rot (sauerstoffreich) dargestellt.
Aufgabe großer Blutgefäße ist es, lange Strecken möglichst schnell zu überbrücken. Kleinere und immer noch kleinere Gefäße zweigen überall von den großen ab, bis hin zu winzigen Kapillaren. Auf diese Weise wird fast jedes Gewebe von einem Netzwerk an winzigen Blut-gefäßen durchdrungen und versorgt. Was im Blut transportiert wird, muss irgendwo ab- und aufgeladen werden, und das geschieht in den Kapillaren. Dort ist die Fließgeschwindigkeit minimal und diese Gefäße sind so eng, dass etwa die roten Blutkörperchen sie nur hintereinander aufgereiht passieren können, quasi im Gänsemarsch. In diesem Bereich ist der Durchmesser der Gefäße also extrem klein und so entsteht viel Kontaktfläche zwischen dem Inhalt und der Wand des Blutgefäßes. Gleichzeitig sind die Wände hier extrem dünn, was die Tauschgeschäfte – Abfall raus aus dem Gewebe ins Gefäß, neue Waren und Güter aus dem Blut rein in die Zellen – zusätzlich erleichtert. Damit sind beste Voraussetzungen für eine effektive Be- und Entladung geschaffen.

Freie Fahrt für den Güterverkehr
Das im Gefäßsystem fließende Blut übernimmt die Aufgabe von Güterzug und LKW: Es ist ein Transportmedium. Durch Blut wird der Körper in jedem Winkel mit Wasser versorgt, Wärme überall hin verteilt, Güter bis in jede Zelle geliefert – auf seinem Weg nimmt es aber auch den „Müll“ mit, Stoffe, die entsorgt werden müssen, und bringt sie etwa zur Niere, damit sie ausgeschieden werden können oder zur Leber, um sie zu verarbeiten oder unschädlich zu machen. Ebenso werden die „Waren“, also etwa Kohlenhydrate, Vitamine oder Mineralstoffe, zunächst an geeigneten Orten aufgenommen und dann erst dorthin gebracht, wo sie gebraucht oder gelagert werden. Eine besondere Rolle spielt der Transport der Gase Sauerstoff und Kohlendioxid: Eigens dafür wird die Lunge angesteuert, in der frischer Sauerstoff zur Abholung bereitsteht. Dieses Organ fungiert gleichzeitig als „Müllkippe“ für den im Körper entstandenen Kohlendioxid, der hier einfach abgegeben und ausgeatmet werden kann.
Es ist also in den Blutfluss eingelagert ein ständiges Aufnehmen und Abgeben von allem, was im Körper verteilt und an bestimmte Stellen geliefert werden muss, und dazu muss das Blut zum einen durch den Lungenkreislauf fließen, um dort Kohlendioxid abzuladen – es wird dann ausgeatmet – und neuen Sauerstoff aufzunehmen, aber auch durch den Körperkreislauf bewegt werden, also Verdauungsorgane ebenso wie Ausscheidungsorgane ansteuern und bis in den entlegensten Winkel vordringen. Deshalb: ein Herz, zwei miteinander verbundene Funktionseinheiten des Blutgefäßsystems zur umfassenden Ent- und Versorgung.

Sauerstoff rein, Kohlendioxid raus
Ganz nah beim Herz und intensiv mit diesem verbunden ist die Lunge, das für den Gasaustausch zuständige Organ. Über die große und stabile Luftröhre kann Atemluft frei strömen und sich dann durch immer kleiner werdende Zweige, Äste und Ästchen im ganzen Lungengewebe verteilen, bis hin zu hauchfeinen, kugeligen Hohlräumen am Ende, den Alveolen. Diese zarten Lungenbläschen sind von einem dichten Netzwerk feinster Kapillaren umhüllt, sodass nur wenige Zellschichten das Blut außen und die Luft innen trennen: beste Voraussetzungen für den Gasaustausch! Jetzt kann CO2 aus dem Körper ins Innere der Alveole abgegeben werden, während parallel dazu O2 aus der Atemluft in das Blutgefäßsystem strömt. Der zentral gesteuerte Rhythmus von Einatmen und Ausatmen stellt sicher, dass dieser Gasaustausch kontinuierlich stattfinden kann…

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Text und Fotos: Angelika Schmelzer