Kopfschütteln, bis der Arzt kommt

Equines Headshaking Syndrom

Es klingt so harmlos und ist doch ein gravierendes Problem für betroffene Pferde, aber auch für ihre Reiter: dauerndes Kopfschütteln, scheinbar ohne Ursache. Dieses „Headshaking“ oder medizinisch korrekt „Equines Headshaking Syndrom“ (EHS) genannte Phänomen zehrt an der Lebensqualität des Patienten, kann mit erheblichen Schmerzen verbunden sein, beeinträchtigt seine Einsatzfähigkeit bis hin zur Unreitbarkeit.

Was auf den ersten Blick wie eine harmlose Abwehrbewegung oder schrullige Marotte erscheint, ist für betroffene Pferde und ihre Menschen ein gravierendes und oft nicht zufriedenstellend lösbares Problem, denn EHS gibt der Wissenschaft bis heute Rätsel auf.

Kopfschütteln ist normal
Unsere Pferde zeigen in unterschiedlichen Situationen verschiedene Varianten des Kopfschüttelns. Häufig wird es ausgelöst durch irritierende Reize im Bereich von Gesicht, Hals und Ohren, etwa herumkrabbelnde Fliegen. Einmalig, je nach Grad der Irritation auch fortlaufend werden diese Lästlinge dann durch ein Schlenkern des Kopfes abgewehrt, auf und ab, kreisend oder rasch schüttelnd. Auch nach dem Wälzen oder bei Durchnässung zeigt ein Pferd Kopfschütteln, dann oft eingebunden in eine Bewegung, die den ganzen Körper erfasst und wellenförmig durchläuft. Irritierende Reize im Kopfbereich können auch dazu führen, dass ein Pferd sich am eigenen Vorderbein, einem Artgenossen oder Gegenstand juckt oder schlicht Schutz sucht, etwa im Stall oder unter dem stetig wedelnden Schweif eines Kollegen.
Neben diesen dem Kreis des Komfortverhaltens entspringenden Verhaltensweisen kann Kopfschütteln in bestimmten Situationen auch anders, etwa dem Sozial- oder dem Spielverhalten zugeordnet werden. Wir finden beispielsweise ausufernd schlenkernde Bewegungen von Kopf und Hals im Zusammenhang mit solitärem oder sozialem Spiel, bei sehr sensiblen, temperamentvollen Pferden kurzzeitig im Stress sowie in der Interaktion mit Artgenossen als „Drohschwingen“. Typisch für diese Formen des Kopfschüttelns sind die stärker ausladenden Bewegungen und eine niedrigere Frequenz. Daran lässt sich dieses Kopfschütteln auch leicht vom irritierten, durch Reize auf der Haut oder im Gehörgang ausgelösten, reflexhaften Schütteln unterscheiden.
Für beide Formen gilt: Im Zusammenhang betrachtet lässt sich leicht erkennen, um welche Form es sich handelt und wodurch es ausgelöst wird. Wir sehen die schwirrenden Fliegen, die krabbelnde Bremse, beobachten das sich wälzende und anschließend schüttelnde, das spielende oder drohende Pferd. Ein Zusammenhang zwischen Auslöser und Verhalten kann leicht hergestellt oder hergeleitet werden. Es gilt auch: Fehlt ein solcher Auslöser oder endet sein Einfluss – die Bremse fliegt davon, der ungeliebte Artgenosse trollt sich, das Fell ist wieder sauber, die Situation entspannt sich – dann stellt das Pferd das Kopfschütteln ein bzw. wird es nicht zeigen. Meist kann auch der Mensch Einfluss auf dieses Verhalten nehmen, etwa das Pferd ablenken und so das Verhalten ausbremsen oder ganz abstellen.

Typisch Headshaking
Anders das Equine Headshaking Syndrom: Hier schüttelt der Patient ohne erkennbare Ursache und anhaltend mit dem Kopf und kann davon auch nicht abgehalten werden. Amplitude und Frequenz können so hoch sein, dass Menschen in Gefahr geraten und ein Reiten nicht mehr möglich ist. Die Pferde handeln erkennbar unter großem Druck und Zwang, das Verhalten wirkt unkontrollierbar, ist nicht effektiv zu beeinflussen. Begleitet wird das Kopfschütteln auch von starkem, explosivem Schnauben oder Prusten, oft werden Nase und Kopf abrupt und heftig gerieben, es werden Muskelzuckungen im Kopfbereich beobachtet. Während des Trainings wird dieses Verhalten in der Bewegung gezeigt, das Pferd lässt sich davon weder ablenken noch abhalten, Bestrafungen oder großer Druck sind nicht nur unangebracht, sondern kontraproduktiv. Das Verhalten des Pferdes bringt ungewollt den Reiter in Gefahr: Er kann verletzt werden, wenn der Pferdekopf ihn trifft, oder stürzen, wenn er beim plötzlichen Anhalten das Gleichgewicht verliert.
Weitere Merkmale können auftreten: Es wird etwa beobachtet, dass…

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Text und Fotos: Angelika Schmelzer