Ein Routineeingriff

Kastration beim Hengst

Schon das alte Reitervolk der Skythen kannte die Kastration, um Hengste umgänglicher für den Kriegseinsatz zu machen. Wallache sind in der Regel unkomplizierter im Umgang, zudem ist nicht jeder Hengst für die Zucht geeignet. Daher wurden früher die jungen Hengste meist schon als Ein- oder Zweijährige kastriert.

In den letzten Jahren ist hierzulande ein deutlicher Trend zur Haltung von Hengsten zu sehen. Das gilt insbesondere für den Sport, wo das Erscheinungsbild und der besondere Ausdruck eines Hengstes explizit gewünscht sind. Nicht selten wird auch der Zeitpunkt der Kastration bewusst hinausgezögert, um die hengsttypische Ausstrahlung und Muskelmasse zu erhalten. „Nachdem das Testosteron mit für den Schluss der Epiphysenfugen verantwortlich ist, sollten Pferde nicht vor 12 Monaten kastriert werden“, so die Empfehlung von Prof. Dr. Anton Fürst, Leiter der Chirurgie am Departement für Pferde der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich. „Je älter die Hengste sind, desto stärker wird der Hengsthabitus und desto länger kann dieser nach der Kastration bestehen bleiben.“
Es gibt auch medizinische Gründe, die eine Kastration erforderlich machen. Das ist zum einen bei Kryptorchiden der Fall, also bei Klopphengsten. Bei ihnen sind ein oder beide Hoden in der Bauchhöhle verblieben, was mit aggressiverem Verhalten verbunden sein kann. Außerdem sind Kryptorchiden in Deutschland von der Warmblutpferdezucht ausgeschlossen. Auch Hodendrehungen und -entzündungen, Leistenbrüche, tumorartige Entartungen sowie Darmvorfälle können eine Kastration noch in späterem Alter nötig machen. Glücklicherweise macht die moderne Medizin es möglich, dass auch ältere Hengste mit überschaubarem Risiko kastriert werden können. Trotzdem sollte jedem Pferdebesitzer klar sein, dass eine Kastration zwar ein Routineeingriff ist, aber Komplikationen nicht immer ausgeschlossen werden können. Daher sollte man vorab mit seinem Tierarzt besprechen, welches die beste und schonendste Kastrationsart für das jeweilige Pferd darstellt und wie man die Rekonvaleszenz zuhause optimal unterstützen kann.

Eingriff am stehenden oder am liegenden Pferd?
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen der Kastration im Stehen beim sedierten Pferd und unter lokaler Betäubung und der im Liegen unter Vollnarkose. Zudem gibt es die offene und die bedeckte Kastration. Die Kastration am stehenden Pferd ist die wohl häufigste Methode und wird in der Regel im Heimatstall durchgeführt. Nach Sedierung und örtlicher Betäubung werden die Hoden freigelegt und mit einer Kastrationszange abgetrennt, wobei auch die Blutgefäße abgeklemmt werden (offene Kastration). Der Eingriff geht relativ schnell, die Kosten sind überschaubar. Zudem kann das Pferd im heimatlichen Stall verbleiben. Auch potentielle Risiken einer Vollnarkose entfallen. Allerdings kann es zu nicht unerheblichen Nachblutungen kommen, die unter Umständen einen Klinikaufenthalt erforderlich machen. Zudem kann es zu einem Darmvorfall kommen. Die Kastration im Stehen ist Pferden unter vier Jahren vorbehalten. Bei älteren Hengsten sollte der Eingriff keinesfalls im Stehen erfolgen, da der vergrößerte Leistenspalt ein höheres Risiko darstellt und zudem Samenstränge und Blutgefäße deutlich stärker ausgeprägt sind. Daher kann es zu wesentlich stärkeren Blutungen und erheblichen Komplikationen kommen.
Das Risiko eines gefährlichen Darmvorfalls wie auch die Gefahr einer Samenstrangfistel lassen sich reduzieren, wenn die Kastration unter Vollnarkose am abgelegten Pferd durchgeführt wird. Der Eingriff kann am Stall erfolgen. Allerdings ist hier kein wirklich steriles Umfeld zu erzielen, und die Aufwachsituation aus der Narkose ist nicht ohne Risiko. Daher sollte man sich überlegen, ob ein Klinikaufenthalt nicht der bessere Weg ist. „Die stehende Kastration hat dank der Entwicklung von sicheren Anästhetika stark an Bedeutung verloren“, so Prof. Fürst. „Somit sprechen nur noch finanzielle Überlegungen für eine stehende Kastration. Die liegende Kastration ist sicherer für das Pferd und für den Tierarzt. Zudem kann sie auch sauberer durchgeführt werden. Wichtig ist, dass man beim Pferd immer eine bedeckte Kastration durchführt, was bedeutet, dass man die Bauchhöhle wieder verschließt.“

Verschiedene Methoden und Zugänge
Für die Kastration selbst gibt es verschiedene Methoden und drei verschiedene operative Zugänge: über den Hodensack (skrotaler Zugang), über die Leistenregion (inguinaler Zugang) und den minimalinvasiven Zugang zu den Hodengefäßen über eine Bauchspiegelung (Laparoskopie). Wenn der Operationszugang über die Hodensäcke erfolgt, wird der Samenstrang mit einer speziellen Zange gequetscht und die Blutgefäße werden durch eine Ligatur abgebunden. Anschließend werden die Zugänge offengelassen. Aufwändiger, aber mit weniger Komplikationen verbunden ist der Operationszugang über den Leistenbereich. Hierzu wird der innere Teil des Hodensacks (Prozessus vaginalis) eröffnet. Die Blutgefäße und der gesamte Samenstrang werden abgebunden und der Hoden entfernt. Anschließend wird alles vollständig wieder geschlossen. „Die Wundheilung ist beim inguinalen Zugang wesentlich besser“, erklärt Prof. Fürst dazu. „Damit wird dieser Zugang bei der geschlossenen Kastration gewählt.“
Prof. Fürst rät in jedem Fall zur sogenannten „geschlossenen Kastration“, was bedeutet, dass die Operationswunden nach der Kastration wieder verschlossen werden. „Bleiben die Wunden offen (offene Kastration), kommt es zu einer sogenannten Sekundärheilung und damit unweigerlich auch zu einer subklinischen Infektion im Bereich der Wunden. Bei der geschlossenen Kastration werden alle Schichten wieder vernäht. Es kommt damit zu einer Primärheilung. Damit sind Komplikationen sehr, sehr selten (5 Prozent gegenüber 30 Prozent bei der offenen Kastration).“

Heilungsverlauf
Wenn der Eingriff komplikationslos verlaufen ist, ist normalerweise auch ein problemloser Heilungsverlauf zu erwarten. Nach einer bedeckten Kastration in Vollnarkose kann man mit etwa drei Wochen Rekonvaleszenz rechnen. Wenn der Hengst in der Klinik kastriert wird, ist die Nachsorge ohnehin Teil des Eingriffs. Meist bleiben die Tiere drei Tage stationär.
Die Operationswunden werden während dieser Zeit regelmäßig kontrolliert und es werden schmerzstillende Medikamente verabreicht. Zudem werden die Pferde regelmäßig Schritt geführt. Antibiotika sind normalerweise nicht notwendig.
Wurde das Pferd im heimatlichen Stall kastriert, sollte die Wunde die ersten Tage vom Tierarzt nachkontrolliert werden. Zudem sollte regelmäßig Fieber gemessen werden, damit eine Wundinfektion ggfs. frühzeitig entdeckt wird. Wichtig ist das regelmäßige Bewegen des Pferdes. Grundsätzlich sollte man innerhalb der ersten zehn Tage Schritt führen. Wenn alles normal verläuft, können die Pferde dann bereits Schritt geritten werden. Nach weiteren zehn Tagen können die Wallache langsam wieder antrainiert werden.
In jedem Fall sollte man die Kastrationswunde in der ersten Zeit nach dem Eingriff sorgfältig im Auge behalten. Es sollte weder Blut aus der Wunde tropfen noch sollte es zu starken Schwellungen kommen. Ist das doch der Fall, sollte man umgehend den Tierarzt rufen. Auch für die Wunde ist regelmäßige Bewegung sehr wichtig, weil dadurch Flüssigkeiten aus der Wunde ablaufen können und Schwellungen vermieden werden…

Lesen Sie hier den gesamten Artikel…

Text: Ramona Billing; fachliche Beratung: Prof. Dr. med. vet. Anton Fürst, Foto: Universität Zürich