Borreliose beim Pferd

Häufig überdiagnostiziert

Die Borreliose (Lyme Disease) ist seit etwa 50 Jahren bekannt und eine der häufigsten von Zecken übertragenden Erkrankungen. Da sie so verbreitet ist, sollte man bei unklarer Symptomatik immer auch an sie denken. Bei konsequenter Behandlung kann die Borreliose beim Pferd durchaus geheilt werden. Allerdings sollten zuvor erst alle sonst möglichen Ursachen ausgeschlossen werden. PFERDE fit & vital hat sich zum aktuellen Stand der Erkrankung umgehört bei einem der Spezialisten: der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Zürich.

Borreliose ist eine bakterielle Infektion, die durch den Erreger Borrelia burgdorferi hervorgerufen wird. Anfang der 70er Jahre entdeckte der Schweizer Willy Burgdorfer diese korkenzieherförmigen Bakterien in einer Zecke, nachdem mehrere Menschen in Lyme/Connecticut nach Zeckenbissen erkrankt waren – daher auch der Name „Lyme Disease“ für die Borreliose. In Deutschland wird der Erreger überwiegend von einer Zeckenart, dem Gemeinen Holzbock (Ixodes ricinus) übertragen. Die Zecken nehmen die Borrelien über das Blut von Wild auf, ohne selbst zu erkranken.
Der Erreger kann von allen drei Entwicklungsstadien der Zecke (Larve, Nymphe, erwachsene Zecke) übertragen werden, wobei die Wahrscheinlichkeit bei ausgewachsenen Tieren am größten ist. Man geht davon aus, dass in Deutschland etwa 6 Prozent der Larven und bis zu 20 Prozent der erwachsenen Zecken mit Borrelien infiziert sind. Die Über-tragung hängt von der Dauer des Saugaktes ab, da der Erreger vom Darm der Zecke erst in dessen Speicheldrüsen gelangen muss, bevor er auf den Wirt übergehen kann. Bei weniger als 24 Stunden (in den USA sogar 36 Stunden) ist das Risiko einer Übertragung gering, steigt danach jedoch an.
Studien aus Deutschland haben gezeigt, dass bis zu 30 Prozent der untersuchten Pferde Antikörper in den Blutproben aufwiesen (im Vergleich dazu beim Menschen: 11 Prozent). Dabei gab es allerdings regionale Unterschiede. Mensch, Hund und Pferd können bei
einer Borrelien-Infektion Symptome entwickeln, während Wildtiere auch bei starkem Zeckenbefall symptomlos bleiben. Jedoch verläuft die Infektion beim Pferd in den allermeisten Fällen symptomlos. Auch bei Rindern und Schafen verläuft eine Infektion in der Regel asymptomatisch. Die Bakterien vermehren sich im Pferd zunächst nur langsam, so dass das Immunsystem nur träge anspricht. Sie können sich daher relativ ungehindert verbreiten und siedeln sich bevorzugt in den Gelenken sowie im Herzmuskel- und Nervengewebe an.

Symptome

Aufgrund des Fells fällt die für den Menschen so typische Rötung der Bissstelle nicht auf. Die wenigen eindeutig nachgewiesenen spontanen Fälle beim Pferd zeigten eine Uveitis (Augenentzündung), Hautveränderungen (Pseudolymphoma) oder Anzeichen von Neuroborreliose (neurologische Form). „Die echte Neuroborreliose, die durch eine Entzündung im Gehirn charakterisiert ist und unter anderem zu neurologischen Symptomen, Muskelschwund und Bewusstseinsveränderungen führt, ist sehr, sehr selten beim Pferd“, so PD Dr. med. vet. Angelika Schoster von der Klinik für Innere Medizin der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Zürich. „Es gibt leider nur wenige Studien, die sich mit dem Thema beschäftigt haben, da kaum Fälle zu finden sind.“
Vor allem bei neurologischen oder orthopädischen Symptomen wie Headshaking, wechselnden Lahmheiten oder genereller Steifheit sowie bei Verhaltensänderungen (zum Beispiel plötzlich auftretende Schreckhaftigkeit) denken viele Pferdebesitzer, aber auch Tierärzte an eine Borreliose. Diese Symptome konnten jedoch weder in klinischen Fällen noch in experimentellen Studien eindeutig der Borreliose zugeordnet werden. Die Expertin warnt generell davor, voreilig auf Borreliose zu schließen: „Wechselnde Lahmheiten, Augen- und Hautentzündungen – all diese und andere Symptome werden leicht einer Borreliose zugeschrieben. Man muss aber vor einer Behandlung unbedingt alle anderen Ursachen ausschließen. Dazu ist eine gute orthopädische Untersuchung erforderlich. Viele Pferde werden wegen Borreliose in unsere Klinik gebracht, und wir finden dann die Ursache ganz anderswo, zum Beispiel sehr häufig im Rücken oder in der Halswirbelsäule.“

Diagnostik

Wenn alle anderen Ursachen ausgeschlossen sind, erfolgt als zweiter Schritt die weitergehende Diagnostik über einen Antikörpertest. Damit lässt sich allerdings nur ermitteln, ob ein Pferd Antikörper gegen Borrelia burgdorferi hat, nicht jedoch, ob es aktuell infiziert ist. Ein negatives Ergebnis schließt definitiv eine Borreliose aus, ein positives ist jedoch nicht gleichzeitig ein Beweis für eine Borreliose. Denn das Vorliegen von Antikörpern bedeutet keineswegs, dass es jemals zu Symptomen kommen wird. Daher muss ein positives Ergebnis immer im Zusammenhang mit der Symptomatik betrachtet werden. Nach drei bis vier Wochen kann der Antikörpertiter erneut bestimmt werden. Außerdem kann das Blut auf borrelienspezifische Proteine untersucht werden. In den Niederlanden wurde 2013 ein Test entwickelt, mit dem sich Borreliose nachweisen lassen kann, jedoch ist dieser nicht ganz billig. Man kann auch versuchen, die Erreger direkt im Blut oder in Gelenksflüssigkeit etc. nachzuweisen, auch dies ist mit nicht unerheblichen Kosten verbunden.
„Häufig wird hier massiv überdiagnostiziert“, so Dr. Schoster. „Es ist wesentlich einfacher und kostengünstiger, zunächst andere potentielle Ursachen auszuschalten und dann entsprechend Medikamente zu geben.“

Behandlung

Die am häufigsten eingesetzten Medikamente zur Behandlung der Borreliose bei Pferden sind die Antibiotika Oxytetracyclin und Doxycyclin. Sie müssen konsequent über mehrere Wochen verabreicht werden. Um Resistenzbildungen zu vermeiden, sollte niemals nur auf Verdacht ohne gesicherte Diagnose behandelt werden. Antibiotika wirken lediglich auf die aktiven Stadien der Borrelien, nicht jedoch bei Erregern, die sich im Ruhestadium befinden. So kann es auch zu weiteren Krankheitsschüben kommen. „Eine Borreliose kann bei konsequenter Behandlung durchaus vollständig aus-geheilt werden“, so Dr. Schoster. „Die Antikörper bleiben aber ein Leben lang bestehen. Bei einer echten Neuroborreliose allerdings ist die Prognose mit Vorsicht zu stellen.“

Gegen Borreliose impfen?

Gegen Borreliose gibt es mittlerweile auch beim Pferd einen Impfstoff zum Schutz vor drei Borrelien-Arten (B. burgdorferi sensu stricto, B. afzelii, B. garinii), welcher die Bakterien bereits in der Zecke nach dem Biss bekämpft. „Die hochwirksame Impfung wurde in den USA für den Menschen entwickelt, kam damals jedoch zum falschen Zeitpunkt“, erläutert Dr. Schoster. „Die Veterinärmedizin griff den Impfstoff zunächst für den Hund auf. Später wurde er für Pferde weiterentwickelt und ist in Deutschland zugelassen. Die Immunisierung ist ab einem Alter von drei Monaten möglich und besteht aus einer Grundimmunisierung und einer jährlichen Wiederholungsimpfung. Die Impfung ist sehr sicher, aber ob sie unbedingt notwendig ist, sei angesichts der doch sehr seltenen echten Borreliosefälle dahingestellt.“

Text: Ramona Billing; fachliche Unterstützung: PD Dr. med. vet. Angelika Schoster, Foto: Angelika Schmelzer