Gesunde Zähne

Wichtig für Verdauung & Wohlbefinden

Der regelmäßige gründliche Checkup gehört zum verantwortungsbewussten Management des Pferdes.

Eine gesunde Verdauung beginnt schon bei den Zähnen, denn wenn das Kauen schmerzt, kann das Futter nicht richtig zerkleinert werden. Daher gehört der regelmäßige Check der Zähne beim spezialisierten Tierarzt zum Routinemanagement jeden Pferdes. Aber: Reicht einmal pro Jahr oder sollte es mehrmals sein? Dazu der Pferdetierarzt Manfred Stoll, der eine renommierte Zahnklinik für Pferde in Hohenstein im Taunus betreibt.
„Die regelmäßige Kontrolle der Zähne ist für die Gesundheit, das Wohlbefinden und somit auch für die Rittigkeit des Pferdes sehr wichtig“, erklärt Manfred Stoll. „Man sollte keineswegs warten, bis Heuröllchen aus dem Maul fallen oder gar der schlechte Futterzustand des Pferdes endlich auf ein Problem aufmerksam macht. Pferde sind enorm leidensfähig. Es ist unglaublich, mit welchen Maulverletzungen und Zahnerkrankungen ein Pferd noch immer frisst. Ohne routinemäßige Zahnkontrollen werden Probleme meist zu spät entdeckt. Mindestens einmal im Jahr sollten daher Zähne und Zahnfleisch gründlich untersucht werden.“
Die Zähne schieben beim Pferd jedes Jahr um etwa zwei bis drei Millimeter nach. Der Abrieb erfolgt nicht immer symmetrisch und wird von der Zahnstellung, der Kautätigkeit, aber auch der Härte einzelner Zähne beeinflusst. Um eine gleichmäßige Abnutzung sicherzustellen und Verletzungen der empfindlichen Maulschleimhaut zu vermeiden, müssen Korrekturen durchgeführt werden. „Früher stand das jährliche Raspeln von scharfen Zahnkanten im Vordergrund“, so Stoll. „Heute liegt der Fokus bei der jährlichen Kontrolle auf einer Untersuchung der Maulhöhle mit heller Lampe und Zahnspiegel oder dem Endoskop, um neben scharfen Zahnkanten vor allem Zahnerkrankungen und Erkrankungen im Zwischenzahnbereich, sogenannte Parodontalerkrankungen, frühzeitig zu erkennen. Nach der gründlichen Untersuchung kann der Behandler dann gezielt Veränderungen behandeln und auch Druckentlastungen im Bereich von geschwächten oder erkrankten Zähnen schaffen. Bei der Behandlung sollte schonend mit der Zahnsubstanz umgegangen werden und möglichst das natürliche Relief der Kaufläche erhalten bleiben. Ist die Kaufläche nach der Behandlung zu glatt, kann das Futter schlecht gemahlen werden und es entstehen Probleme beim Fressen. Bei der gründlichen Zahnuntersuchung werden auch Karies, Zahnfrakturen und andere Defekte festgestellt, die dann gezielt behandelt werden können. Jede der vier Backenzahnreihen fungiert als funktionelle Einheit. Zähne, die gezogen werden müssen, führen zu einer Unterbrechung der Zahnarkade, was oft schwerwiegenden Folgen haben kann. Die moderne Zahnheilkunde beim Pferd setzt heutzutage zahnmedizinische Füllungstechniken ein, ähnlich wie beim Menschen, um erkrankte Zähne so lange wie möglich zu erhalten.“
Idealerweise beginnt die Zahnversorgung bereits beim Fohlen. „Hier sollte schon kurz nach der Geburt die Kieferstellung überprüft werden, denn in den ersten Lebensmonaten lässt sich noch viel korrigieren. So kann einem Überbiss mit speziellen Spangen entgegengewirkt werden.“ In der Folgezeit sollte der Zahndurchbruch der Schneidezähne überwacht werden, was weitgehend durch den Besitzer erfolgen kann. Wenn der Zahnwechsel mit etwa zweieinhalb Jahren einsetzt, sollte das junge Pferd engmaschig überwacht werden. „Bis der Zahnwechsel vollendet ist, was mit fünf Jahren der Fall ist, sollten die Zähne jedes halbe bis dreiviertel Jahr überprüft werden. Die bleibenden Zähne müssen ausreichend Platz haben, damit sie gleichmäßig in Reibung kommen. Zudem können sich Verletzungen bilden und Zwischenzahntaschen, die ausgeräumt werden müssen. Und auch die Milchzahnkappen können teilweise Probleme beim Zahnwechsel bereiten.“
Wenn das Gebiss problemlos durchgewechselt ist und keine Beschwerden vorliegen, reicht ein jährlicher Routine-Check unter Sedierung, wie der Zahnexperte sagt. Bei Erkrankungen wie Parodontose sind Nachkontrollen in kürzerem Abstand erforderlich. „Wichtig ist, dass die physiologische Mahlfunktion erhalten bleibt und die Pferde fressen können“, so Stoll. „Daher darf man auch das Pferdegebiss nicht in Schablonen packen. Jeder Kopf ist anders, und das muss nicht immer symmetrisch sein. Ein asymmetrischer Kopf verlangt aber auch ein entsprechend asymmetrisches Gebiss. Das muss man bei der Bearbeitung des Gebisses berücksichtigen. Daher sollte man ausschließlich Zahnspezialisten an sein Pferd lassen. Im tiermedizinischen Basisstudium wird bisher noch sehr wenig über Zahnbehandlung beim Pferd gelehrt. Deshalb ist eine gezielte Aus- und Weiterbildung in diesem Gebiet erforderlich, um die nötige Fachkenntnis für die Diagnostik und Therapie von Zahnproblemen zu erlangen. Als Mensch geht man ja auch zum Zahnarzt und nicht zum Hausarzt, wenn es um die Zähne geht.“


Text: Ramona Billing, fachliche Beratung: Manfred Stoll, Foto: Manfred Stoll