Gefahren erkennen, Risiken mindern: Die sichere Weide
Der Weideauftrieb steht vor der Tür und die Pferde scharren schon ungeduldig mit den Hufen. Damit unsere Pferde auf den Sommerkoppeln möglichst sicher untergebracht sind und gesund bleiben, gibt es einiges zu beachten.
Eine absolut ausbruchsichere Einzäunung gibt es zwar nicht, dennoch sollte man ein Höchstmaß an Sicherheit anstreben und seinen Weidezaun so installieren, dass dieser von den Pferden als Grenze respektiert wird. Auch die Instandsetzung ist wichtig, weil defekte Einfriedungen für die meisten Weideausbrüche verantwortlich sind. Vor dem Weideauftrieb sollten deshalb alle Weidezäune auf ihre Funktionstüchtigkeit hin überprüft werden.
Aus Sicherheitsgründen sollte zumindest die äußere Einfriedung aus einem Festzaun bestehen. Eine Faustregel besagt, dass die oberste Querverbindung auf Widerristhöhe abzüglich zehn Prozent angebracht werden sollte. Die mittlere Querverbindung sollte in Brusthöhe der Pferde liegen. Sind Pferde unterschiedlicher Größe auf derselben Weide, müssen unbedingt drei Querverbindungen angeordnet werden, um das Hindurchschlüpfen von Ponys oder Fohlen zu verhindern. Der Abstand der untersten Querverbindung vom Erdboden darf hierbei 60 cm nicht unterschreiten. Schwenktore aus Holz, Metall oder Kunststoff sollten stabil und leichtgängig sein und dürfen nicht in einer Ecke liegen, damit rangniedere Pferde nicht in Bedrängnis geraten. Das Tor eines Elektrozauns sollte stets einen durchgehenden elektrischen Kontakt haben und sich leicht bedienen lassen. Ideal sind sogenannte Torrollen: Bei jedem Öffnen wird das Seil oder Band automatisch von einer Stahlfeder, die sich im Inneren des Schutzkastens befindet, eingerollt. Dadurch kommt es nicht mehr zu Stolperfallen durch Schleifenbildung oder herabhängende Bänder/Seile.
Auswahlkriterium Nummer eins bei den Zaunmaterialien sollte immer die Hütesicherheit sein.
Als besonders ausbruchsicher und verletzungsarm haben sich in der Praxis vor allem Zäune bewährt, die eine gute Erkennbarkeit, mechanische Festigkeit und eine psychologische Abschreckung in sich vereinen wie etwa eine Kombination aus Holz und Elektroseil oder Kunststoff mit integrierten Elektrolitzen. Der Elektrozaun kann seinen Zweck jedoch nur erfüllen, wenn die elektrische Spannung (gemessen in Volt) permanent aufrechterhalten und ausreichend Impulsenergie (gemessen in Joule) abgegeben wird, sodass die Pferde bei Kontakt einen ungefährlichen, aber abschreckenden Stromschlag erhalten.
Da Qualitätsmängel häufig an einem Spannungsabfall schuld sind, lohnt sich der etwas höhere Anschaffungspreis hochwertiger Elektrozaunartikel. Der größte Stromkiller ist Rost an stromführenden Verbindungs- und Anschlusselementen aus Metall. Zaunexperten empfehlen deshalb Produkte aus Nirosta (Kürzel für nicht rostenden Stahl), die zwar etwas teurer als lediglich verzinkte sind, dafür aber länger halten. Auch eine zu geringe Anzahl der Leiterdrähte beeinträchtigt den Stromtransport vor allem bei langen Zäunen. Deshalb sollte man vorzugsweise Bänder oder Seile mit mindestens neun Leiterdrähten erwerben. Als besonders effektiv hat sich die Kombination von Nirosta- und Kupferdrähten erwiesen, die die Leitfähigkeit um etwa das Vierzigfache erhöhen. Die Kunststofffasern sollten unbedingt UV-stabilisiert sein und aus hochwertigen PP oder PE bestehen, was die Lebensdauer deutlich verlängert und vorzeitigem Verschleiß vorbeugt.
Welches Weidezaungerät sich eignet, hängt von der Zaunlänge, dem zu erwartenden Randbewuchs und der Empfindlichkeit der jeweiligen Weidepferde gegenüber Strom ab.
Die höchste Leistung und geringste Störanfälligkeit haben Netzgeräte, denen man auf stallnahen Weiden den Vorzug geben sollte. Batteriebetriebene Geräte (9-Volt Trocken- oder 12-Volt Nassbatterie) müssen dagegen rechtzeitig ausgetauscht respektive regelmäßig aufgeladen werden, um zuverlässig zu funktionieren. Mittlerweile sind auch sogenannte Kombi-Geräte im Handel, die wahlweise als Netzgerät oder mit Batterie eingesetzt werden können.
Viele Modelle lassen sich zudem mit einem Solarmodul auf- oder nachrüsten, das die Hauptstromquelle sinnvoll unterstützt und für einen reibungslosen Betrieb sorgt.
Das leistungsstärkste und bestgewartete Weidezaungerät nutzt jedoch wenig, wenn die Erdung mangelhaft ist. Ein Elektrozaun funktioniert nach dem Ohmschen Gesetz (Strom = Spannung/Widerstand): Berührt das Pferd den stromführenden Draht, schließt sich der Stromkreis und der Strom fließt durch den Körper in den Boden und über die Erdstäbe zum Gerät zurück. Da trockener Boden den Strom schlecht leitet, muss die Erdung ausreichend dimensioniert sein, damit das Gerät seine volle Leistung entwickeln kann. Zaunexperten empfehlen, mindestens drei verzinkte und ein Meter lange Erdstäbe im Abstand von jeweils drei Meter zu installieren und mit Schrauben und Hochspannungskabeln zu verbinden.
Der verantwortungsvolle Pferdehalter sollte täglich die Spannung mit einem Digital-Voltmeter messen. Moderne Weidezaungeräte verfügen aber schon über eine digitale
Anzeige für Zaun- und Batteriespannung sowie Erdungszustand. Einige melden sogar einen Spannungsabfall per SMS auf das Handy.
Notwendiger Witterungs- und Insektenschutz
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat in seinen „BML-Leitlinien“ Grundsätze für den Witterungsschutz bei Pferden aufgestellt: „Pferde jeglicher Herkunft und Rasse suchen bei ungünstigen Wetterbedingungen, zum Beispiel anhaltendem Niederschlag verbunden mit Wind und niedrigen Temperaturen oder intensiver Sonneneinstrahlung bei hohen Temperaturen und Insektenaufkommen, arttypischerweise einen Witterungsschutz auf. Dieses Verhalten resultiert aus einer Schadensvermeidung im Zusammenhang mit der Konstanthaltung der Körperkerntemperatur. Aus diesem Grund benötigen Pferde, die ganzjährig oder saisonal auf der Weide gehalten werden, unabhängig vom rassespezifischen Typ, einen Witterungsschutz.“ Diese Leitlinien gehen auch davon aus, dass Pferden bei Fehlen eines natürlichen Witterungsschutzes ein geeigneter künstlicher Schutz angeboten werden müsse. Die Fläche des künstlichen Witterungsschutzes müsse so groß sein, dass alle Tiere unabhängig von der Rangordnung gleichzeitig Schutz finden können.
Weideland, das als landwirtschaftliche Nutzfläche definiert wird und im sogenannten Außenbereich liegt, darf grundsätzlich nicht bebaut werden. Davon weitgehend ausgenommen sind nur Vollerwerbslandwirte. Sie dürfen nach § 35 Baugesetz im Außenbereich bauen, wenn nicht außergewöhnliche öffentliche oder naturschutzrelevante Belange entgegenstehen. Bauliche Vorhaben durch den privaten Pferdehalter wie ein ortsfester Unterstand auf der Weide können nur nach § 35 Abs. 2 als „sonstige Vorhaben“ im Einzelfall zugelassen werden. Die Bauordnungen der Länder haben allerdings ein „Hintertürchen“ offengelassen: sogenannte „fliegenden Bauten“. Das sind bauliche Anlagen, die geeignet und bestimmt sind, wiederholt an wechselnden Orten aufgestellt und zerlegt zu werden. Wenn diese regelmäßig versetzt werden und einen bestimmten Brutto-Rauminhalt sowie Firsthöhe nicht überschreiten, sind sie in der Regel genehmigungsfrei. Bezüglich maximaler Größe, Firsthöhe und Aufstelldauer variieren die gesetzlichen Vorschriften von Bundesland zu Bundesland.
Zu den mobilen Unterständen gehören fahrbare Weidehütten in verschiedenen Größen und Ausführungen. Allen gemein ist eine einziehbare Achse mit zwei Rädern (klappbar oder abnehmbar), die über ein Rahmentragwerk mit einer Anhängevorrichtung für PKW oder Traktor verbunden ist. Man kann sie daher schnell an jeden beliebigen Ort transportieren.
Fahrbare Weidehütten haben einen stabilen Stahlrahmen mit Holzwänden, zwei Eingängen und einem Dach aus Trapezprofilblechen.
Weidezelte sind eine weitere Alternative. Sie bestehen meist aus einem Tragwerk mit galvanisiertem Stahlrohr und Dachplanen. Die Füße können gegen Sturmschäden mit Erdnägeln im Boden verankert werden. Auf dem Markt sind auch Panelzelte, die aus einer planenbedeckten Dachkonstruktion und Panelelementen als Seitenwänden bestehen, sowie bogenförmige Weidezelte aus ovalen, gesteckten Stahlrohren und einem Planendach. Die Hersteller weisen besonders auf die Standfestigkeit dieser Rundzelte bei Sturm hin. Sogenannte Beschattungsnetze aus UV-stabilisiertem HD-Polyester, die mit Gurtbändern und elastischen Schlaufen an den oberen Enden der vier Stützen montiert werden, schützen allerdings nur gegen Sonneneinstrahlung.
Wasserversorgung muss gesichert sein
Auch nichtarbeitende Pferde auf der Weide brauchen zwischen 30 und 50 Liter Wasser täglich. Ein gesteigerter Wasserbedarf besteht bei großer Hitze infolge starken Schwitzens. In einem amerikanischen Experiment wurden Pferde von normal temperierter Umgebung (20° C und 40-50 % Luftfeuchtigkeit) in eine heißfeuchte Umgebung (33°-35° C und 80-85 % Luftfeuchtigkeit) gebracht. Dabei stieg der Wasserbedarf der Testpferde um 79 Prozent.
Durch verdunstenden Schweiß wird der Körper gekühlt und dieser Flüssigkeitsverlust muss durch eine entsprechend vermehrte Wasseraufnahme unbedingt wieder ausgeglichen werden, damit das Pferd nicht dehydriert oder überhitzt. Auch fohlenführende Stuten haben einen erhöhten Wasserbedarf. Grund ist die tägliche Produktion von 10 bis 20 Litern Stutenmilch, die zu fast 90 Prozent aus Wasser besteht. Ähnliches gilt für die Heuzufütterung auf der Weide, die den Wasserbedarf pro Kilogramm Raufutter um etwa drei bis vier Liter erhöht. Heu ist aber zugleich ein idealer Wasserspeicher. Bis zu 50 Liter Wasser kann ein Pferd in seinem Darm „lagern“ und zudem wichtige Elektrolyte binden.
Neben einer ausreichenden Menge ist natürlich die Qualität des Tränkewassers für die Gesundheiterhaltung der Pferde von großer Bedeutung. Vor allem Naturwasser hat oftmals keine Trinkwasserqualität, sondern weist erhöhte Mengen organischer und anorganischer Stoffe oder Fäkalienverschmutzungen auf. Im Zweifel sollte man eine Wasseranalyse durchführen lassen. Entsprechende Adressen regionaler Labors sind beim jeweiligen Kreisgesundheitsamt erhältlich. Auch die LUFEN führen solche Wasseruntersuchungen auf Keime und Schadstoffe durch. Darüber hinaus sichern regelmäßige Hygienemaßnahmen die einwandfreie Qualität des Tränkewassers. Trogtränken sollten alle zwei Tage komplett entleert und gründlich ausgespült werden. Geschlossene Wasserfässer sollten ebenfalls mindestens einmal pro Woche ausgespritzt und mit frischem Tränkewasser aufgefüllt und Tränkebecken regelmäßig sorgfältig ausgewischt werden, da sich unter dem Bedienmechanismus rasch Ablagerungen ansammeln.
Welches Tränkesystem man nutzt, hängt vor allem von den Möglichkeiten und der Lage der Koppel ab. Wichtig ist sich zu vergewissern, dass alle Weidetiere den jeweiligen Bedienmechanismus verstanden haben. Für außenliegende Weiden ohne Wasseranschluss sind Tränkewagen eine weit verbreitete und durchaus praktische Tränketechnik, weil sich das Wasserfass mit einem Zugfahrzeug leicht transportieren und auf eine andere Weide versetzen lässt. Um Verletzungen auszuschließen, sollte der Wasserwagen allerdings so ausgezäunt werden, dass nur die Anbautränke in die Weide ragt. Elektrozäune dürfen zudem keinen Kontakt zu Metallteilen haben, sonst steht der ganze Tränkewagen unter Strom und den Pferden kein Wasser zur Verfügung!
Text und Foto: Dr. Birgit van Damsen