Weben & Boxenlaufen: Ein Hilferuf des Pferdes
Wenn Pferde im Stall ein vom Menschen unerwünschtes Verhalten zeigen, spricht man landläufig von „Stalluntugenden“. Dieses Wort ist allerdings falsch gewählt: Es klingt so, als ob das Pferd sich schlecht benimmt. Stalluntugenden sind jedoch kein Fehlverhalten, sie sind ein Hilferuf des Pferdes.
Als Weben bezeichnet man eine stereotype Bewegung, bei der das Pferd auf den Vorderbeinen hin und her schaukelt. Solche Pferde stehen stundenlang in der Box und schaukeln hin und her, hin und her, wie der Tiger, der im engen Käfig immer im Kreis läuft. So im Kreis herum laufen auch manche Pferde, wenn die Box groß genug ist, um das zuzulassen.
Ursache Stress
Hauptursache für Weben und Boxenlaufen ist die Enge und Reizarmut der Box. Es kommt zu einem Triebstau: Das Bewegungsbedürfnis des Lauftiers bleibt unerfüllt, Langeweile kommt hinzu – irgendwann bricht sich der innen anwachsende Druck Bahn und zeigt sich in der stereotypen Bewegung. Hat sich diese Bewegung erst einmal verselbständigt, zeigen betroffene Pferde sie jedoch nicht zwangsläufig nur in der Box: Jede Form von Stress kann dazu führen, dass das Verhalten gezeigt wird. Der Weidekumpel geht, die Futterzeit naht, das Pferd soll angebunden stehen – viele Dinge können zum Auslöser werden.
Ist Weben gesundheitsschädlich?
Viele Reiter glauben, dass die Beine des Pferdes unter dem Weben leiden. Belegt ist das nicht. Viel schlimmer als eine eventuelle körperliche Beeinträchtigung ist aber das, was das Weben über die seelische Verfassung des Pferdes aussagt: Ehe ein Pferd beginnt zu weben, leidet es bereits erheblich unter der Enge der Box. Hier kann es seine natürlichen Bedürfnisse nicht ausleben, sein normales Verhalten wird ständig und dauerhaft unterdrückt und eingeschränkt. Das Weben ist der letzte Ausweg, um den Leidensdruck zu verringern. So ist das Weben auf jeden Fall ernstzunehmen!
Welche Auswirkungen hat Boxenlaufen?
Beim Boxenlaufen kreiselt das Pferd auf engem Raum. Das kann zu Verspannungen und ungleicher Belastung der Beine führen. Ernsthafte Schäden sind jedoch nicht nachgewiesen.
Auch das Boxenlaufen ist jedoch Ausdruck einer großen inneren Unruhe: Das Pferd ist nicht ausgeglichen und zufrieden, sondern leidet unter seiner Situation.
Sowohl Weben als auch Boxenlaufen haben Auswirkungen nicht nur auf das betroffene Pferd, sondern auch auf die Boxennachbarn: Die langandauernden, stereotypen Bewegungen bringen viel Unruhe in den Stall und können so auch andere Pferde beeinträchtigen.
Therapie
Abhilfe ist eigentlich schnell geschafft: Pferde gehören nicht in eine enge Box, sondern raus auf einen Auslauf oder noch besser auf die Weide! Als Lauftiere legen Pferde in der freien Natur viele Kilometer am Tag zurück, und als Fluchttiere sind sie auch auf Spurtstärke und Schnelligkeit angewiesen. Eine aufmerksame Beobachtung der Umgebung ist für das Fluchttier selbstverständlich – wird jedoch zur Qual, wenn diese Umgebung nur aus vier engen Wänden besteht.
Gesellschaft vermittelt nicht nur Sicherheit, sondern bietet auch Unterhaltung. Wenn diese Bedürfnisse durch den Daueraufenthalt in einer Box unterdrückt werden, dann leiden Pferde. Nicht alle entwickeln dann Verhaltensstörungen – aber allen Pferden geht es draußen besser.
Die erste Maßnahme: Anregung und Beschäftigung. Ein Fenster in der Box lässt das Pferd am Außenleben teilhaben, ein kleiner Paddock vor der Box vergrößert den zur Verfügung stehenden Raum beträchtlich und ermöglicht einen freien Ausblick.
Gesellschaft ist ebenso wichtig für das Herdentier Pferd. Halbhohe Trennwände statt hoher Vergitterung ermöglichen die Kommunikation mit dem Boxennachbarn, sofern die Boxen groß genug sind, dass sich die Pferde auch mal aus dem Weg gehen können. Leider werden nicht alle Pferde aufhören zu weben, wenn die Ursache beseitigt ist. Häufig lässt sich das Weben jedoch deutlich verringern.
Text: Britta Schön, Foto: Trio Bildarchiv