Traditonelle chinesische Medizin: Gua Sha

Gua Sha – die besondere Massage

Die asiatische Massage Gua Sha ist ein Element der Traditionellen Chinesischen Medizin, aber viel weniger bekannt als Akupunktur und Akupressur. Dr. Ina Gösmeier und Dr. Tanja Helling erklären, was die außergewöhnliche Technik bei Pferden bewirkt. 

Gua Sha ist eine Technik, die in Asien weit verbreitet ist. Die Vorzüge sind für unser westliches Verständnis allerdings erst auf den zweiten Blick erkennbar. „Gua“ heißt Schaben und mit dieser Erklärung bekommt man auch eine Idee, warum diese Massage ungewöhnlich erscheint. Sieht man dann noch Bilder von behandelten Menschen, verfliegt die Vorstellung von Wohlfühlatmosphäre und Entspannung. „Gua“ heißt also Schaben und „Sha“ steht für die Hautreaktionen, die durch das Schaben ausgelöst werden – Rötungen und blaue Flecken! Das Behandlungsfeld, beim Menschen oft der Rücken, ist mitunter blutunterlaufen und leicht geschwollen. Daher wirkt die Behandlung auf den ersten Blick schmerzhaft. Aber: Gua Sha ist eine sanfte Behandlungsform, in Asien traditionell als Hausmittel bekannt. Und das nicht nur, weil Asiaten viel robuster sind als wir Westeuropäer. Gua Sha ist tatsächlich eine relativ schmerzfreie Methode, die auch bei Babys und geschwächten Personen eingesetzt wird – und eben auch bei Pferden. 

Dr. Tanja Helling ist Tierärztin mit Schwerpunkt Chiropraktik und Akupunktur. Sie hat Gua Sha als sinnvolle Ergänzung für ihr Behandlungskonzept entdeckt: „Gua Sha ist eine Reiztherapie, durch die wir einen lokalen Effekt erzielen können. Ich setze daher bei vielen Pferden auf die Kombination von Akupunktur, die auf das gesamte Energiesystem wirkt, Neuraltherapie, Chiropraktik und Gua Sha.“  

Wobei die Massage meistens am Beginn der Behandlung steht, denn: „Durch die Streichungen wird die Muskulatur oberflächlich vorbereitet und den anderen Therapien wird sozusagen der Weg geebnet.“ Die Tierärztin versteht auch, warum Patientenbilder aus der Humanmedizin oft irritieren, denn für Laien sieht es so aus, als sei die Haut blutig gekratzt. Doch, so erklärt sie, bei den vermeintlichen Schürfwunden handelt es sich nicht um Verletzungen der Haut, sondern um sogenannte Petechien, das sind kleine Einblutungen unter der Haut, die durchschimmern. 

Allerdings muss man Ursache und Wirkung gut differenzieren. Diese durchaus erwünschten Hautreaktionen entstehen nicht ursächlich durch das Schaben, sondern vor allem dort, wo starke Gewebsverklebungen bestehen. Ursächlich sind also diese Verklebungen im myofaszialen System – die Petechien zeigen dem Behandelnden somit, wo Probleme lokalisiert sind. 

Dr. Ina Gösmeier führt seit fast 30 Jahren eine Überweisungspraxis für traditionelle chinesische Veterinärmedizin (TCVM). Sie sagt: „Die asiatische Medizin bezeichnet Schmerz als Stagnation. Und Gua Sha kann lokale Stagnation lösen.“ Sie erklärt, dass die Streichungen aus asiatischer Sicht „Sha“ an die Oberfläche bringen und sich dadurch die entsprechenden Bereiche rot färben. Für Asiaten sei das ein Zeichen für Fülle und Stagnation, welche durch das Bearbeiten mit den Schabern in Bewegung gebracht werde. Krank machende Faktoren, so erklärt die Expertin für asiatische Heilmethoden, werden nach außen abgeleitet, der Fluss von Blut und Qi verbessert und die Produktion von Blut gefördert. 

Viel weniger blumig klingt dagegen die westliche Diagnose: Mediziner sprechen hier nicht von Stagnation, sondern von Faszienverklebungen und einer verlangsamten Durchblutung des Gewebes. Dr. Tanja Helling erklärt, wie die Behandlung wirkt: „Durch das Schaben werden Faszienverklebungen gelöst, oberflächliche Blutgefäße geöffnet und die Durchblutung in dem Bereich angeregt. Das Gewebe wird besser mit Sauerstoff versorgt und der Stoffwechsel aktiviert.“ Diese Prozesse und Mikroblutungen unter der Haut zeigen sich beim Menschen dann als Rötungen. Beim Pferd sind, so die Tierärztin, mögliche Petechien nicht zu sehen, höchstens leichte ödematöse Schwellungen. 

Wie wird behandelt?

Asiaten schaben traditionell mit Jade, Löffeln oder Münzen. Dr. Tanja Helling setzt spezielle medizinische Schaber aus Metall ein. Je nach Körperregion und Befund wählt die Tierärztin die passende Form. 

Zunächst tastet sie das Pferd mit der Hand ab und achtet auf Verspannungen oder Muskeln, die in ihrer Funktion eingeschränkt sind, sowie auf Shi- und Trigger-Punkte. „Bei normalem Muskeltonus kann ich mit der Hand leicht in den Muskel einsinken und unter sanftem Druck ungehindert weich hindurchgleiten.“ Das anschließende Schaben führt die Tierärztin unter leichtem Druck in Richtung Muskelfaserverlauf durch. Dabei beschreibt sie: „Dort, wo Muskulatur verhärtet oder verspannt ist, dringt der Schaber kaum in die Muskulatur ein. In den Bereichen bleibe ich praktisch an der verhärteten Oberfläche oder merke, wie der Schaber an einer bestimmten Stelle stoppt.“ 

Die meisten Pferde entspannen unter der Behandlung und machen den Eindruck, dass sie die Massage genießen. Durch Lösen der faszialen und muskulären Verklebungen und durch die verbesserte Durchblutung wird eine Ausheilung im betroffenen Gebiet möglich. Behandlungen im Sinne der chinesischen Medizin bestehen fast immer aus einer Kombination von Akupunktur, Kräuterrezepten und Massagen und auch Ina Gösmeier und Tanja Helling setzen auf diese Kombination, damit ihre Patienten sich wieder schmerzfrei bewegen können. 

Text und Foto: Sabine Heüveldop