Narkolepsie oder REM-Schlafmangel?

Müde bis zum Umfallen

Immer häufiger hört man von narkoleptischen Pferden, die beim Ruhen einfach zusammenbrechen. Leiden diese Pferde tatsächlich an der rätselhaften Schlafkrankheit oder sind sie schlicht übermüdet? Antworten auf diese Frage suchte Christine Fuchs im Rahmen ihrer Doktorarbeit. Ihre Erkenntnisse sollten zum Nachdenken anregen.  

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die Auswertung der 24-Stunden-Überwachungen und polysomnographischen Messungen (Schlaflaboruntersuchungen) von 39 Pferden (s. Kasten nächste Seite). Es ist die erste Studie ihrer Art, in der eine so große Anzahl an Pferden mit einem mobilen Polysomnographen untersucht wurde. Als Kontrollwerte wurden die Mittelwerte aus der Studie von Kalus (2014) mit sieben Pferden verwendet, die das Schlafverhalten von Pferden ohne Kollaps untersuchte.  

Mittels der 24-Stunden-Überwachung konnte gezeigt werden, dass die Pferde, die im Untersuchungszeitraum Kollapse zeigten (n = 37), im Durchschnitt an über 60 Kollapsen mit einem Maximalwert von unglaublichen 199 Kollapsen pro Tag litten. Die individuelle Anzahl der Kollapse hing signifikant vom Liege- und Wälzverhalten der Pferde ab.  

Die Pferde, die sich zum Schlafen hinlegten und/oder wälzten, zeigten deutlich weniger Anfälle. Nur zwei der Pferde mit Kollapsen legten sich in der Nacht zum Schlafen ab. Sie schliefen im Mittel nur 24,5 ± 3,5 Minuten im Vergleich zu den Pferden ohne Kollapse (n = 7), die im Mittel 134 ± 55 Minuten im Liegen schliefen.  

Die meisten Kollapse fanden nachts und vor allem zwischen 4.00 Uhr und 4.30 Uhr statt. Dies entspricht dem Zeitraum, in dem bei Pferden ohne Kollapse vermehrt REM-Schlaf (Rapid Eye Movement-Schlaf), der aufgrund der niedrigen Muskelspannung nur im Liegen beobachtet werden kann, auftritt.  

Mithilfe der polysomnographischen Messungen konnte dargestellt werden, dass Pferde mit Kollapsen ein deutlich verändertes Schlafverhalten im Vergleich zu Pferden ohne Kollapse aufzeigten. Die Pferde mit der vorberichtlichen Narkolepsie zeigten ein sehr unruhiges Schlafprofil mit einem mittleren Schlafstadienwechsel von 0,30 ± 0,09 pro Minute, der fast doppelt so hoch war wie der von Pferden mit „normalem“ Schlafverhalten. Außerdem verbrachten die Pferde mit Kollapsen mehr Zeit im Leichtschlaf, dafür weniger Zeit im Slow Wave Sleep (Tiefschlaf) und wesentlich weniger Zeit im REM-Schlaf.  

Die REM-Schlafphasen der Pferde, die Kollapse zeigten, waren mit einer durchschnittlichen Dauer von etwa nur einer Minute im Vergleich zu den Kontrollpferden deutlich kürzer, bei denen eine REM-Phase im Durchschnitt über vier Minuten lang andauerte. Sie zeigten aber wesentlich häufiger REM-Phasen mit einem Mittelwert von 0,10 ± 0,05 pro Minute, der fast dreimal so hoch war wie der der Pferde ohne Kollapse (0,03 ± 0,01). 

Die Kollapse häuften sich meist innerhalb von kurzen Zeiträumen und die Pferde wachten oft nur nach einem schweren Kollaps mit komplettem Zusammensacken oder Fallen auf die Karpalgelenke auf. Die Wahrscheinlichkeit für einen weiteren Kollaps in der Epoche (30-Sekunden-Abschnitt) unmittelbar vor oder nach der Epoche eines Anfalls lag bei 63 % und in der Epoche 2 Minuten vor oder nach dem Kollaps immerhin noch bei 26 %.  

Die kurzen REM-Phasen standen fast immer im Zusammenhang mit den Kollapsen und 86,7 % der Kollapse fanden in einer als REM-Schlaf klassifizierten Epoche statt. Somit korrelierte der Anteil des REM-Schlafes an der Schlafzeit stark mit der Anzahl der Kollapse (rho = 0,56; p = 0,001). 

Fazit

Alle Pferde litten an Schlafmangel! Mit den Ergebnissen dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass Pferde mit atonischen Kollapsen unter einem REM-Schlafmangel bzw. einem Schlafmangel im Liegen leiden und dadurch ein massiv verändertes Schlafverhalten zeigen. Die Pferde fallen im Stehen in den REM-Schlaf, der mit einer maximalen Skelettmuskelentspannung einhergeht, woraus mehr oder weniger starke Kollapse resultieren, die von einem leichten Schwanken bis hin zu einem plötzlichen kompletten Zusammensacken reichen können.  

Es konnten keine Hinweise auf eine neurologische Erkrankung gefunden werden, weder in den klinischen und hämatologischen Untersuchungen der 39 Pferde (Kiefner, 2016) noch in den pathologischen Untersuchungen, durchgeführt bei zwei Pferden, die zu einem späteren Zeitpunkt euthanasiert werden mussten. Es wird vermutet, dass das veränderte Ruhe- und Liegeverhalten auf eine schmerzhafte Erkrankung oder auf Unsicherheit bzw. Unbehagen durch eine Veränderung der Umweltbedingungen wie z.B. der Haltung zurückzuführen ist. Bereits in der Auswertung des Online-Fragebogens (Kiefner, 2016) konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Anfälle und dem letzten Stallwechsel dargestellt werden und bei drei Pferden aus dieser Studie konnten nach einem Stallwechsel eine völlige Symptomfreiheit und ein normales Schlafverhalten beobachtet werden. 

Text: Dr. Christine Fuchs, Foto: Christiane Slawik