Die Landeerlaubnis verweigern

Abwehrstrategien gegen lästige Insekten

Gemeinsam sind sie stark – Mücke, Bremse & Co schaffen es Jahr für Jahr, Pferd und Mensch aus dem Konzept zu bringen.

Obwohl die kleinen Plagegeister oft nur Millimeter groß sind, gelingt es ihnen, konzentriertes Training oder einen gemütlichen Ausritt zu verderben. Was bleibt sind juckende Stiche, Schwellungen und Entzündungen. Doch die richtige Abwehrstrategie schafft Erleichterung. Ist die grüne Saison eröffnet, sind Mensch und Tier nicht mehr sicher. Im Stall, auf der Weide und beim Ausritt sind sie Angriffen kleiner, oft blutsaugender Quälgeister ausgesetzt. Mit Hilfe feiner Sensoren finden diese zielsicher ihre Opfer, durch Riechhaare, Thermo- sowie Feuchtrezeptoren sind sie für den Angriff perfekt gerüstet. Gerät ein potentielles Opfer in ihr Visier, wird es zielsicher angeflogen und attackiert. Als Überträger von Krankheitserregern sind viele Insekten nicht nur lästig, sondern schlicht gesundheitsgefährdend.
Fliegen zählen zu den artenreichsten Tieren, mehr als 100.000 Untergruppen sind bisher bekannt. Im Stall trifft man auf gemeine Stubenfliege und Stechfliege (Wadenstecher), auf der Weide handelt es sich überwiegend um andere Arten. Auch hier tritt der Wadenstecher (Stomoxys) auf, jedoch nur dort, wo zum Beispiel ein Unterstand Schatten für seine Brut bietet. In wissenschaftlichen Studien konnte belegt werden, dass sich stechend-saugende Fliegen besonders gern auf Flanken, Rücken, Beine und Hals ihrer Wirtstiere niederlassen.
Überwiegend sind Pferde auf der Weide aber von nicht stechenden Fliegen betroffen. Doch das ist nicht unbedingt angenehmer, stellen diese doch als Überträger von Viren und Bakterien ein nicht zu unterschätzendes Infektionsrisiko dar. Selbst kleinste Wunden sind beliebte Landeplätze für Fliegen und dort aufgenommene Krankheitserreger werden beim Weiterflug auf das nächste Tier übertragen.
Fliegen werden ab 15° Grad Außentemperatur aktiv und befallen vorzugsweise die feuchten Regionen rund um Augen, Nüstern und Maul – und eben auch Wunden. Dort lecken und saugen sie eifrig mit ihrer Rüsselspitze und leben von den Absonderungen des Körpers.
Doch nicht nur die Fliegen selbst sorgen für Probleme, ihr Kot sowie abgelegte Fliegeneier können Augenreizungen und Bindehautentzündungen auslösen. Außerdem werden durch Fliegen Magen- und Fadenwürmer übertragen.

Abwehrstrategien

Frei lebende Pferde wissen sich zu helfen: Sie wälzen sich zum Schutz vor Insekten im Sand oder Schlamm und haben danach eine wirkungsvolle Schmutzkruste auf der Haut. Oder sie stehen mit einem Partner Kopf an Kruppe und vertreiben sich gegenseitig Insekten durch Schweifschlagen. Teamwork funktioniert allerdings nur, wenn Weidekollegen vorhanden sind, und eine Dreckkruste, die vor dem Reiten entfernt werden muss, ist im Alltag für viele Pferdeleute sicher auch nicht das Mittel der Wahl. Und so wird gesprüht, gerollt und geschmiert. Strategien zur Insektenabwehr verfolgen im Prinzip zwei Hauptziele: fernhalten und einfangen, im Fachjargon „push and pull“. Gemeint ist, dass Insekten durch entsprechende Mittel entweder ferngehalten (push) oder angelockt werden (pull), letzteres, um sie in Insektenfallen zu fangen. Neue Strategien setzen auf eine Kombination.
Beginnen wir mit dem Einfachen: Fliegen lieben Schmuddelecken, Kot und Schmutz. Ohne Stall- und Weidehygiene wird man die Fliegenplage nicht in den Griff bekommen. Sorgen Sie für einen sauberen, kühlen Stall. Spinnweben sind allerdings gute Fliegenfänger und sollten bei Putzaktionen nicht entfernt werden. Regelmäßiges Abmisten und Entfernen von Futterresten aus der Krippe muss dagegen selbstverständlich sein. Im Handel erhältliche Fliegenschutzgitter für Fenster bieten ebenfalls einen gewissen Schutz. Die Eingänge von Offenställen lassen sich mit breiten Plastikstreifen abhängen, so wird den Fliegen das Eindringen erschwert.
Es gibt Flugfallen, in denen Eiweiße gären, die Fliegen anziehen. Dort ertrinken die Insekten in einer für menschliche Maßstäbe übelriechenden Brühe, die für Fliegen aber unwiderstehlich ist. Der eigentliche Effekt wird erst nach mehreren Jahren deutlich, da mit dieser Methode die Weiterentwicklung der Population in Schach gehalten wird.
Die beste Bekämpfung wäre das Vernichten der Brutstätten. Dieses Vorgehen kommt jedoch häufig aus ökologischen Gründen nicht in Frage. Sinnvoll ist es aber, natürlichen Feinden einen gemütlichen Platz im Stall einzurichten, zum Beispiel in Form von Nistbrettern für Schwalben. Aus Umweltschutzgründen verbietet sich auch im Freien eine Bekämpfung mit Insektiziden, da hierbei auch nützliche Insekten abgetötet würden.
Um Pferde außerhalb des Stalls vor Fliegen zu schützen, empfehlen sich Kopfmasken und Fransenstirnbänder. Weidepferden sollten außerdem Unterstände zur Verfügung stehen, da die meisten Lästlinge den Wirtstieren nicht in geschlossene Räume folgen.
Pferde, die unter Sommerekzem leiden, werden am besten in eine spezielle Ekzemerdecke gepackt. Diese Decken bestehen aus atmungsaktivem Material und reichen vom Kopf bis zum Schweif. Außerdem haben sie einen breiten Bauchlatz, so dass bevorzugte Landeplätze der Kriebelmücken weitgehend bedeckt sind.

Sommertrend: Streifenlook

Forscher aus Ungarn und Schweden sorgten 2012 mit ihrer Studie für Aufsehen – und für einen neuen Trend bei Pferdehaltern: Zebrastreifen. Dieser Look ist kein modischer Gag, sondern soll eine effektive Abwehrmaßnahme gegen Bremsen sein. Die Wissenschaftler hatten herausgefunden, dass auch ein aufgemaltes Zebramuster derart verwirren kann, dass Bremsen ein Pferdehinterteil nicht als Ziel erkennen. Je näher die Bemalung dem realen Zebramuster kommt, desto größer der Effekt. Das Team um Susanne Åkesson von der Universität Lund veröffentlichte seine Ergebnisse im Journal of Experimental Biology. Den Erkenntnissen der Wissenschaftler folgend werden inzwischen auch Fliegendecken und -masken mit Zebrastreifen angeboten.
Viele Reiter greifen in den letzten Jahren selbst zu Fingerfarbe, Kreide, Heilerde oder Viehzeichenstifte, um ihren Pferden den Streifenlook zu verpassen. Bei solchen Versuchen muss natürlich auf die Verträglichkeit der verwendeten Farbe geachtet werden. Im Internet wird inzwischen auch fertige Pferdemalfarbe auf Tonerdebasis angeboten. Viele Erfahrungsberichte von Reitern sind ausgesprochen positiv. Der Effekt löst sich allerdings durch Schwitzen, Wälzen oder im Regen in Wohlgefallen auf und ist unter Umständen nur von kurzer Dauer.

Der Bremsenball

Bremsenbälle stehen inzwischen auf vielen Weiden. Die frei schwingenden schwarzen Gummibälle, die sich bei Sonneneinstrahlung erwärmen, locken Bremsen an. Über der oberen Hälfte des Balls hängt ein Trichter mit Auffangbehälter. Der Aufbau ist einfach, der Wirkungsbereich groß. Laut Herstellerangaben lässt sich eine deutliche Reduzierung der Bremsenplage erreichen. Im Sommer 2006 wurden beim Praxisversuch auf Pferdebetrieben in Brabant (NL) an echten „Bremsentagen“ durchschnittlich 300 Bremsen pro Tag und Falle gefangen. Einige Betriebe hätten berichtet, dass sie tausend oder noch mehr Bremsen pro Tag fingen. Das Prinzip der Falle beruht auf einer Täuschung und nutzt zudem eine physiologische Schwäche: Bremsen können keine geschickten Manöver fliegen.
Bremsen werden also von der bewegten Wärmequelle angelockt, weil sie diese für ein mögliches Opfer halten, krabbeln über den Ball und können dann nur noch weiter nach oben in die Falle fliegen. Seitlich wegzufliegen ist aufgrund des Trichters nicht möglich, da die Bremse dazu nicht imstande ist. Pluspunkt: Die Bremsenfalle wirkt 100% natürlich, also ohne Insektizide, Chemikalien oder Elektrizität.

Repellents und Insektizide

Als Repellents werden Mittel bezeichnet, die eine abwehrende Wirkung auf Insekten haben. Man unterscheidet zwischen natürlichen und synthetischen Wirkstoffen. Als Insektizide werden Mittel mit abtötender Wirkung bezeichnet. Sie wirken unter anderem als Nervengifte. Auch hier wird zwischen natürlichen und synthetischen Wirkstoffen unterschieden.
Seit der Antike sind zahlreiche pflanzliche Substanzen bekannt, die als Repellentien verwendet wurden. Dazu zählen ätherische Öle wie Essenzen von Gewürznelken, Muskatnuss, Wacholderbeere, Pinie oder Kiefer. Gebräuchlich sind auch Bergamottöl, Kampfer, Lavendel, Kokosnussöl und Zitronenöl. Nachteil sind die relativ kurze Wirkdauer (bei Zitronenöl beispielsweise nur etwa vier Stunden), das eingeschränkte Wirkspektrum und das teilweise allergene Potential. Die Wirksamkeit kann übrigens durch Mischung verschiedener ätherischer Öle in der Regel nicht erhöht werden.
Seit den 1940er Jahren werden gezielt Versuche zur Entwicklung von synthetischen Repellents unternommen. DEET, Diethyltoluamid, ist der älteste und ein weltweit bekannter Wirkstoff. Bis zu acht Stunden Schutz vor Mücken ist damit zu erzielen.
Zu den neueren synthetischen Wirkstoffen zählen Icaridin und Ethylbutylacetylaminopropionat (IR3535®). Icaridin (Bayrepel) wirkt auf die gleiche Insektengruppe wie DEET und ist in Wirkdauer und Intensität vergleichbar. Es zeichnet sich durch eine hohe chemische und thermische Stabilität sowie eine lang anhaltende Wirkung aus. Es besitzt keine allergenen, sensibilisierenden oder toxischen Eigenschaften.
Repellent IR3535 wirkt laut Herstellerangaben gegen Stechmücken, Tsetsefliegen, Zecken, Flöhe und Bremsen. Obwohl die Substanz in Europa seit mehr als 20 Jahren als Repellent eingesetzt wird, liegen kaum Daten zu unerwünschten Wirkungen vor.
Im Handel sind diverse Repellents für Pferde von Sprays über Gels bis zu Rollern für die empfindlichen Körperbereiche wie Nüstern, Euter oder Schlauch erhältlich. Häufig ein Problem: Die anfängliche Wirkung lässt nach, sobald die Pferde warm werden und schwitzen. Bei hochwertigen Produkten verlängert ein Langzeit-Polymer die Wirkungsdauer sowie den Schweiß abweisenden Effekt.
Bei empfindlichen Pferden wird in Kombination mit mechanischen Reizen vereinzelt von unangenehmen Hautreaktionen berichtet. Daher sollte man die Sattellage nicht einsprühen und auch an den Beinen lieber auf das Einsprühen verzichten, wenn danach Gamaschen oder Bandagen angelegt werden.
Die in Deutschland zugelassenen Präparate mit repellierender und insektizider Wirkung sind übersichtlich. Tierarzt Daniel Zaspel nennt in seiner Dissertation von 2008 zwei Mittel: Ungeziefer Spray von Gimborn mit dem Wirkstoff Pyrethrin-Extrakt.
Pyrethrum ist ein Insektizid, das aus den Blüten verschiedener Chrysanthemen-Arten gewonnen wird. Wellcare von Essex Tierarznei mit dem künstlich erzeugten Wirkstoff Permethrin.
Permethrin ist eine künstlich erzeugte Variante des Natur-Pyrethrums. Es wirkt als Kontakt- und Fraßgift mit breitem Wirkungsspektrum und einer Wirksamkeit bis zu mehreren Wochen. Es gilt als Tierarzneimittel und ist nur über den Tierarzt oder direkt beim Hersteller erhältlich. Vorsicht ist bei der Dosierung geboten: Eine Überdosierung kann zu Ödembildung führen.
Handelsübliche Sprays für Pferde enthalten meist sowohl synthetisch hergestellte Verbindungen als auch ätherische Öle wie Zedern-, Nelken-, Pfefferminz- und Eukalyptusöl. Teilweise sind Pyrethrum-Extrakte enthalten, die genauen Inhaltstoffe werden allerdings meist gar nicht angegeben.

Imprägnierte Decken

Auf dem Markt sich auch Fliegen- und Ausreitdecken, deren Material mit dem Wirkstoff Permethrin imprägniert sind. Auch hier setzt man auf eine Kombination der Abwehrmethoden. Die Imprägnierung ist geruchsneutral und farblos, zudem ungiftig für Pferd und Reiter. Sie ist abriebfest und soll 25 Waschgänge überstehen.

Wenig Alternativen

Vitamin B1- (Thiamin), Knoblauch- oder Petersilienölkapseln werden ebenfalls im Handel angeboten. Zu ihrer peroralen Einnahme als Insektenabwehrmittel liegen aber keine überzeugenden Studienergebnisse vor. Äußerlichen angewendet kommt speziell zur Abwehr von Zecken traditionell Kokosöl zum Einsatz. Klinische Studien konnten aufzeigen, dass Kokosöl Zecken davon abhält, sich in der Haut des Wirtes zu verbeißen. Dafür verantwortlich gemacht wird die im Kokosöl bis zu 60 % enthaltene Laurinsäure. In wissenschaftlichen Tests wurde nachgewiesen, dass mit Laurinsäurelösung behandelte Hautstellen trotz starker Population von Zecken gemieden werden. Beißen sie dennoch zu, fallen sie schon nach kurzer Zeit wieder ab.

Text: Sabine Heüveldop