Die Lunge – Aufbau & Funktion

Der Atmungsapparat des Pferdes ist speziell darauf ausgerichtet, in Sekundenschnelle ausreichend Sauerstoff für eine rasche Flucht bereitzustellen. Daher ist auch die Pferdelunge perfekt ausgelegt für höchste athletische Leistung. In der Natur wird ihre Funktion täglich trainiert. In der modernen Pferdehaltung ist das leider nicht immer möglich, denn oft fehlen ausreichend große Auslaufflächen für spielerische Sprints. Hinzu kommen Störfaktoren wie Staub und Schimmelpilze, welche die empfindlichen Atemwege und die Lunge stark beeinträchtigen können. Tatsächlich sind Atemwegsprobleme der zweithäufigste Grund für Leistungseinbußen beim Pferd.
Doch der Pferdebesitzer kann viel für die Gesunderhaltung tun.
Die Atemwege beginnen bereits mit den Nüstern und gleich hier gibt es eine Besonderheit: Pferde können nur über die Nüstern atmen, nicht durchs Maul, weil Maul- und Nasenhöhle vollständig voneinander getrennt sind.

Der Weg der Atemluft
Die Atemluft strömt durch die Nasennebenhöhlen, wo sie vorgereinigt, angefeuchtet und auf Körpertemperatur erwärmt wird. Bereits an der Schleimhaut des Siebbeins werden Staub und Krankheitserreger herausgefiltert. Die Luft nimmt weiter ihren Weg über den Kehlkopf in die Luftröhre (Trachea). Oberhalb des Herzens teilt sich die Luft-röhre in zwei Hauptröhren und geht dann in die Bronchien über. Diese verzweigen sich immer mehr, wobei der Durchmesser immer kleiner wird, bis hin zu den Bronchiolen. Die kleinste Einheit sind schließlich Millionen von Lungenbläschen (Alveolen), in denen der Austausch der Gase mit dem Blut erfolgt. Winzige Blutgefäße umspannen die Lungenbläschen – hier tritt der Sauerstoff ins Blut über, wird im gesamten Körper verteilt und an die Zellen abgegeben. Als Abfallprodukt entsteht Kohlendioxyd, das über das Blut wieder Richtung Lunge zurücktransportiert wird, wo es ausgeatmet wird. Die gesamten Atemwege sind mit Schleimhaut ausgestattet, welche Schleim produziert. Dieser schließt Staub und andere Fremdpartikel ein. Winzige, feine Flimmerhärchen sitzen in der Luftröhre für den Abtransport des Schleims.
Die Einatmung erfolgt beim gesunden Pferd über Muskelkraft, wobei es die Brustmuskeln und das Zwerchfell einsetzt. Über das Zwerchfell wird die Lunge ausgedehnt, so dass ein Unterdruck entsteht. In der Folge wird Luft eingesogen. Die Ausatmung erfolgt in der Ruhe passiv: Wenn die Muskulatur wieder erschlafft, zieht sich die Lunge zusammen, so dass die verbrauchte Luft ausgeatmet wird. Unter Belastung werden zum Ausatmen zusätzlich die Ausatmungsmuskeln der Brustwand eingesetzt. Reicht das nicht aus, kommen zusätzlich die Bauchmuskeln zum Einsatz. Die Atemfrequenz beträgt beim erwachsenen Pferd in der Ruhe 8 bis 16 Atemzüge pro Minute, beim Fohlen 24 bis 30 Atem-züge. Unter Belastung kann die Atem-frequenz auf 80 bis 100 Atemzüge pro Minute steigen.
Die Atemwege des Pferdes sind perfekt fürs Überleben dieses Fluchttiers angepasst. Sie sind jedoch sehr empfindlich. Staub und Gase reizen die Schleimhaut, welche mit vermehrter Schleimproduktion reagiert. Trockene Luft in Stall und Halle tun das ihrige dazu. Wenn dann noch die körpereigene Abwehr schwächelt, haben Bakterien und Viren auf den bereits vorgeschädigten, gereizten Schleimhäuten leichtes Spiel.

Was passiert bei einer Virusinfektion?
Plötzlich auftretender Husten und Mattigkeit, eventuell verbunden mit Fieber sind meist Anzeichen eines Virus-
infektes (Influenza-, Herpesviren etc.). Dabei kommt es zu einer entzündlichen Schwellung der Schleimhäute, wodurch sich der Durchmesser der Bronchien verengt. Die entzündeten Schleimhäute produzieren dickflüssigen Schleim, der sich in den Bronchien festsetzt. So entsteht gleichzeitig ein ideales Umfeld für eine zusätzliche bakterielle Infektion, die sich durch gelben Nasenausfluss bemerkbar macht. Werden die Atemwege zusätzlich gereizt, zum Beispiel durch Staub, kommt es zum sogenannten Bronchialspasmus, also einer Verkrampfung der glatten Muskulatur der kleinen Bronchien. Dies erschwert die Atmung weiter.
Bei ausreichend Ruhe und optimierten Haltungsbedingungen (Staubvermeidung durch nasses Heu und staubarme Einstreu) heilt die Infektion normalerweise aus. Schleimlösende Medikamente können helfen, den festsitzenden Schleim aus den Bronchien zu entfernen. Sobald der Patient fieberfrei ist, sollte er nach Maßgabe des Tierarztes bewegt werden, um den Reinigungsmechanismus der Lunge zu unterstützen.
Wird die Infektion nicht ausgeheilt bzw. werden die Atemwege dauerhaft durch Allergene gereizt und entzündet, kann die akute Bronchitis in eine chronische übergehen. Dabei setzt sich zäher Schleim in der Lunge fest, die Bronchialmuskulatur ist dauerhaft verkrampft. Wird jetzt nicht schnellstens gegengesteuert, kommt es zu irreversiblen
Gewebeveränderungen.

Text: Ramona Billing
Quelle und weitere Informationen:
Die Anatomie des Pferdes von Dr. Christina Fritz, Cadmos Verlag, 2023
Pferdegesundheitsbuch von Dr. med. vet. Beatrice Dülffer-Schneitzer, FN Verlag, 2019