Zurück zur Bewegungsfreude

Trainingstherapie

Pferde sind Bewegungstiere: In freier Wildbahn legt ein Pferd jeden Tag bis zu 32 Kilometer zurück. Ein Pferd, das sich wohlfühlt und gesund ist, geht gern, freudig und freiwillig vorwärts – auch unter dem Sattel. Pferde, die eine Verletzung oder Erkrankung überstanden haben, bewegen sich aber oft weiterhin klamm oder unwillig bis hin zu geringgradig lahm. Warum ein Rehapferd sich auch nach vielen Behandlungen oder gar einem teuren Klinikaufenthalt nicht plötzlich wieder bewegt als wäre es nie krank gewesen, hat mehrere Gründe, denen wir der Reihe nach auf den Grund gehen.

Schmerz ist theoretisch eine prima Sache: Er signalisiert dem Gehirn, dass etwas im Körper nicht stimmt und ist somit ein wichtiges Warnsignal. Um Schmerz wahrnehmen zu können, funken Schmerzrezeptoren, die sogenannten Nozizeptoren, elektrische Signale über die Neuronen zum Rückenmark und von dort zur Hirnrinde. Hier wird der Schmerz bewusst wahrgenommen und bewertet: Das Pferd bemerkt zum Beispiel, dass der rechte Vorderhuf weh tut, nimmt daraufhin eine Schonhaltung ein bzw. lahmt, um weitere Schäden zu vermeiden.
Wenn der Schmerz aber chronisch wird, wird es schwierig: Nervenzellen sind nämlich lernfähig. Wenn sie über einen längeren Zeitraum immer wieder Schmerzimpulsen ausgesetzt sind, bilden sie vermehrt Rezeptoren aus, die bereits bei schwachen Reizen oder sogar ohne tatsächlichen Reiz Schmerzsignale an das Gehirn weiterleiten. Dann haben die Schmerzsignale die Gehirnstrukturen so umgebildet, dass das Pferd dauerhaft Schmerz empfindet, obwohl die Ursache (zum Beispiel ein Reheschub) längst ausgeheilt ist. Deshalb ist es wichtig, bei akuten Lahmheiten und/oder sichtbarem Unwohlsein des Pferdes lieber einmal zu oft den Tierarzt zu holen und mit diesem auch über eine geeignete Schmerztherapie zu sprechen. Schmerzmittel sind nämlich mitnichten „böse“, sondern verhindern gegebenenfalls eine Manifestation des Problems.

Unphysiologische Crosslinks

Ein Pferd gewöhnt sich schnell an unphysiologische Bewegungsmuster und Kompensationsmechanismen. Wenn es ein paarmal die Erfahrung gemacht hat, dass es weh tut, wenn es den Huf „normal“ abrollt (wie etwa beim Hufrollensyndrom), wird es eventuell auch dann noch lieber Zehenfußung zeigen und vorn gebunden gehen, wenn der eigentliche Schmerz vorüber ist. Das nennt man Schmerzerinnerung, die zum Schmerzgedächtnis mit seinen neurologischen Veränderungen werden kann.
Der Körper bildet vereinfacht gesagt eine „Nervenautobahn“ zu den Muskeln, die für das gewohnte Bewegungsmuster verantwortlich sind und einen „holprigen Nervenfeldweg“ zu denen, die er seltener benutzt. Wenn Sie als Rechtshänder versuchen, mit links Ihren Namen zu schreiben, wissen Sie, was wir meinen.
Läuft ein Pferd sehr lange in einem Kompensationsmuster, drückt es z. B. seit einiger Zeit den Rücken weg, weil der Sattel nicht passt, kommt das Problem der „unphysiologischen Crosslinks“ in den Faszien dazu.
Gesundes Gewebe zeichnet sich durch reibungslose Verschieblichkeit aus. Muss das Pferd stehen und/oder hat es eine Verletzung, vermindert sich die Verschieblichkeit und das Bindegewebe kann „verkleben“.
Verantwortlich ist Fibronektin, das kollagene Fasern miteinander vernetzt. Elastizität und Verschieblichkeit werden schlechter, die extrazelluläre Matrix wird zähflüssiger und das Gewebe dadurch schlechter versorgt. Man spricht von unphysiologischen Crosslinks. Oft sieht man bereits in der Ruhehaltung, dass ein Pferd solche Faszienrestriktionen hat: Pferde, die mit sichtbarem Unterhals, schmächtiger Oberlinienmuskulatur und tendenziell weggedrücktem Rücken ruhen, haben z. B. unphysiologische Crosslinks ausgebildet. Jede Art von länger anhaltenden schmerzhaften Prozessen sorgt nahezu unweigerlich zu Schonhaltungen und unphysiologischen Crosslinks.

Training als Ursache für gesundheitliche Probleme

In manchen Fällen ist die „Nutzung” des Pferdes und das bisherige Training die Ursache für die gesundheitlichen Probleme. Dann müssen die Teile des Trainings logischerweise ausgesetzt oder verändert werden.
Dabei stellt man sich vielleicht unwillkürlich zuerst überehrgeizige Sportreiter mit fiesen Trainingspraktiken vor. Probleme aufgrund von reiterlicher Nutzung gibt es aber genauso häufig auch in wohlmeinenden Freizeitreiterkreisen. Das kann das heißgeliebte Familienpferd sein, welches sich täglich zwischen den reiterlichen Wünschen mehrere Familienmitglieder aufteilen muss und sich eigentlich längst im Übertraining befindet. Das kann das erfahrene Wanderreitpferd sein, das schon die ganze Welt gesehen hat, aber dabei leider mit den Jahren immer gebundener geht und genau genommen vorne beidseits lahm ist, weswegen das aber keiner so richtig deutlich wahrnimmt.

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Text: Claudia Weingand, Katharina Möller, Foto: Mares Mader