Haaranalysen: Ein Begriff, verschiedene Methoden

Viele Pferdebesitzer hoffen bei Gesundheitsstörungen auf ein Diagnosetool vom Typ „Eierlegende Wollmilchsau“. Die Frage ist: Gibt es ein solches Hilfsmittel? Für viele Pferdefreunde scheint klar: Ja, das gibt es, eine Haaranalyse.

Besitzer kranker Pferde suchen nicht nur Hilfe von veterinärmedizinischen Spezialisten, sondern werden oft selbst tätig. Oft erhoffen sie sich Hilfe bei der Beantwortung von Fragen nach dem Sitz einer wahrgenommenen Gesundheitsstörung, nach der Art einer Erkrankung, suchen aber auch Informationen etwa zu Defiziten in der Fütterung oder zu möglichen Allergien, wollen Vergiftungen nachweisen oder ausschließen. Ein Verfahren, das auch medizinischen Laien zugänglich ist und Hilfe insbesondere dann bietet, wenn Gesundheitsstörungen nur vermutet, aber mit den gängigen Methoden nicht sicher diagnostiziert werden können oder dann, wenn man einem bereits erkannten Übel wirklich auf den Grund gehen will. PFERDE fit & vital hat sich den Bereich der Haaranalysen genauer angeschaut.
Ein Begriff, verschiedene Methoden
Hinter dem Begriff „Haaranalyse“ verbergen sich gleich mehrere Herangehensweisen, technisch unterschiedliche Verfahren und gänzlich verschiedene Fragestellungen. Auf der einen Seite wissenschaftlich erwiesene und etablierte Diagnosetools für ganz bestimmte Fragestellungen, auf der anderen Seite Methoden (noch) ohne naturwissenschaftlich anerkannte Basis, aber nicht selten mit dem Anspruch, eine große Vielzahl von diagnostischen Ergebnissen, Antworten auf fast alle Fragen zu liefern. Was ist jetzt vertrauenswürdig, was erscheint eher an den Haaren herbeigezogen? Natürlich kommt es auch darauf an, wen man fragt…
Fragen wir die Wissenschaft…
Fangen wir mit zwei Methoden an, die sich auf eine solide Basis wissenschaftlicher Forschung und Erprobung stützen: die Nutzung genetischen Materials aus der Haarwurzel und das chemisch-analytische „Auslesen“ des Haarfadens.
Zum einen kann das in den Haarwurzeln enthaltene Material zur DNA-Analyse genutzt werden. Hier finden sich nämlich lebende Zellen mit Zellkernen und damit auch Erbgut – Haarwurzelproben werden wie Blutproben deshalb eingesetzt, um durch Erbgutanalyse Fragen von medizinischer und/oder züchterischer Relevanz zu beantworten. Diese Art der Beprobung ist besonders praktisch, da Haarwurzelproben ohne tierärztliche Hilfe entnommen, vorbereitet und ungekühlt verschickt werden können – damit ist der Aufwand im Vergleich zu einer Blutprobe geringer. Untersuchungen der Pferde-DNA können beispielsweise notwendig werden, wenn auf bestimmte Erbkrankheiten getestet werden soll, wenn es um die genetische Identitätssicherung oder die Überprüfung der Abstammung geht und auch zur Feststellung bestimmter, im Erbgut fixierter Eigenschaften wie etwa Fellfarben. So können Zuchtverbände wie auch individuelle Züchter in Eigenregie zahlreiche Informationen zur genetischen Ausstattung (potentieller) Elterntiere erhalten und damit Anpaarungen besser steuern.
Zum anderen kann das über die Hautoberfläche hinausragende Haar abgeschnitten und das darin befindliche Material wie eine Art Tagebuch durch chemische Analyseverfahren „gelesen“ werden. Dieses Verfahren wird vor allem eingesetzt, um Gifte, auch Umweltgifte, und deren Aufnahme in den Organismus nachzuweisen. Dabei können Informationen gewonnen werden, die andere Analyseverfahren nicht ermöglichen: Die Haare sind das Langzeitgedächtnis des Körpers, deshalb können hier Stoffe auch dann noch nachgewiesen werden, wenn etwa eine Blut- oder Urinprobe kein positives Ergebnis mehr liefern würde, weil der fragliche Stoff vom Körper längst abgebaut, verstoffwechselt, ausgeschieden wurde. Dann aber ist er oft trotzdem noch über eine Haaranalyse nachweisbar, denn in der „toten“ Haarsubstanz bleibt er, einmal eingelagert, bis zum Ausfallen oder Abschneiden eines Haares erhalten. Über die Länge des Haares hinweg lassen sich zudem chronologisch Änderungen verfolgen, da das Haar von der Körperseite her, von der Haarwurzel, kontinuierlich nachgebildet wird und dabei Stoffe einlagert, die zu diesem Zeitpunkt im Organismus vorhanden sind. So lässt sich durch Untersuchung und Vergleich verschiedener Haarabschnitte etwa feststellen, ab wann ein bestimmter Stoff im Körper vorhanden gewesen sein muss, ob und wie seine Konzentration vielleicht geschwankt hat und wann er nicht anwesend war.
Eine Haarprobe liefert also nicht nur eine Antwort auf die Frage „Was?“, sondern gibt auch Auskunft zum „Wann?“ oder zum „Wie lange?“.
Beide Varianten erklären sich aus der Anatomie und Physiologie der Körperbehaarung. Das Haar wächst aus einer Einstülpung der Oberhaut heraus, die als Haarfollikel oder Haarbalg bezeichnet wird. Am unteren Ende dieser Struktur liegt die Haarwurzel, der Ort, an dem das Haar gebildet wird und hier findet sich genetisches Material. Was wir „Haar“ nennen, ist nur der über die Körperoberfläche gewachsene, sichtbare Hornfaden. Es besteht überwiegend aus Keratinen, chemisch sehr stabilen Proteinen.
Analyseverfahren mit Fragezeichen
Zusätzlich zu diesen etablierten und wissenschaftlich fundierten Analyseverfahren werden weitere Tests angeboten. Dabei geht es um eine Vielzahl an diagnostischen Fragestellungen, von der Versorgung mit Mengen- und Spurenelementen über den Nachweis von Allergien bis zur Suche nach dem Sitz oder den Ursachen orthopädischer Probleme. Entsprechend werden für diese Untersuchungen teils etablierte chemische Analyseverfahren, teils aber auch Techniken angewendet, die in der evidenzbasierten Tiermedizin nicht anerkannt sind.
Für manche Fragestellungen, die grundsätzlich über eine Haaranalyse beantwortet werden könnten, liegen noch keine belastbaren Daten bezüglich der Interpretation möglicher Ergebnisse vor, etwa zu Zusammenhängen zwischen der Versorgung mit Mengen- und Spurenelementen und deren Abbildung im Hornfaden: Wie genau sieht hier die Relation aus, kann wirklich von den bei einer Haaranalyse erhobenen Werten zuverlässig auf die Versorgungssituation rückgeschlossen werden? Denn umgekehrt, so weiß man inzwischen, wird etwa eine nachweisbar vorhandene Schwermetallbelastung nicht eins zu eins durch Ablagerung im Haar abgebildet – auch diese Rückschlüsse sind also aktuell noch wenig belastbar. Auch weiß man noch nicht viel über den Einfluss etwa von Geschlecht, Alter, Rasse und vielen anderen Faktoren auf die Einlagerung von Stoffen ins Haar – man weiß nur, dass diese Aspekte eine Rolle spielen. Zudem stützen anbietende Labore sich nicht auf einheitliche Normwerte – die es erst noch zu entwickeln gälte. Über die Zeit hinweg sind in verschiedenen Aktionen Verbrauchertests durchgeführt worden, mit teils verheerenden Ergebnissen: So lieferten etwa verschiedene Labore bei einer und derselben Probe gänzlich unterschiedliche Ergebnisse oder es wurden bei völlig gesunden Individuen unterschiedliche krankhafte Veränderungen diagnostiziert. Eine Behandlung oder eine Fütterungsoptimierung alleine auf diese Form von Beprobung zu stützen wäre also mit einigem Risiko verbunden.
Pferdehaare werden zudem für weitere Analyseansätze genutzt, die von Kritikern dem alternativmedizinischen, teils aber auch dem eher esoterischen Bereich zugeordnet werden. So werden etwa über Bioresonanz/Radionik Blockaden, aber auch Vergiftungen oder Mineralstoffdefizite diagnostiziert. Zudem wird versucht, über eine solche Haaranalyse die Ursachen für eine Vielzahl gesundheitlicher Störungen – von Kotwasser und Allergien über Mauke und Impfschäden bis zu Sommerekzem und Bronchitis – ebenso wie etwa den Sitz von Lahmheiten zu identifizieren. Verwiesen wird dabei auf die positiven Erfahrungen von Anbietern und Anwendern.
DIY-Haaranalysen
Haut und Haar können dem Pferdefreund auch ohne aufwändige Analyse viele wichtige, aber insgesamt eher allgemeine Informationen zu Gesundheit und Wohlbefinden des Pferdes geben. Was können Sie als informierter Pferdemensch einfach durch genaues Hinsehen, prüfendes Fühlen und Tasten beitragen?
Das Fell eines gesunden Pferdes ist glatt, glänzend, anliegend und geschlossen. Je nach Alter, Jahreszeit und Haltungsform sind aber auch manche Abweichungen von diesem Ideal ohne Krankheitswert: Im Winter glänzt das Fell oft weniger und steht bei robust gehaltenen Pferden zudem plüschig ab, wenn es so richtig kalt ist. Eigentlich lackschwarze Pferde sind im Sommer oft nicht mehr tiefschwarz, sondern ihr Fell weist nicht selten einen leichten Braunstich auf – das war allerdings die Sonne und ist ohne gesundheitliche Relevanz. Ungewöhnliche Aufhellungen, oft vor allem um die Augen herum zu beobachten, können hingegen auf einen Mineralstoffmangel hindeuten. Etwas Fettstaub im Fell ist normal und dient dem Regenschutz, ein Übermaß an oft ungut riechenden und sich klebrig anfühlenden Einlagerungen hingegen kommt bei Übergewicht und bei manchen Stoffwechselerkrankungen vor. Kahle Stellen im Fell sind meist eine Aufforderung, hier bitte einmal genauer hinzusehen: Pilzerkrankungen, bakterielle Infektionen, aber auch starker Juckreiz können hier Auslöser sein, daneben natürlich auch Sattel- und Geschirrdruck. Die oft als „Hafertaler“ bezeichneten rundlichen Aufhellungen im Fell, die vor allem im Sommer bei manchen Pferden zu beobachten sind, haben keine diagnostische Bedeutung als Anzeichen von Vergiftungen oder Stoffwechselstörungen, wie teils gemutmaßt wird, sondern sind im Gegenteil oft bei sehr gut versorgten Pferden zu sehen.
Medizinische Haaranalysen können heute bereits faszinierend viel und die Entwicklung steht nicht still. Insbesondere Tests auf diverse Erbkrankheiten gewinnen immer mehr an Bedeutung und leisten einen wichtigen Beitrag zur Zucht gesunder Pferde. Auf wissenschaftlicher Basis arbeitende Labore unterstützen Pferdefreunde, Zuchtorganisationen und Tierärzte dabei, Pferde gesund zu erhalten, ihre Krankheiten zu diagnostizieren und sie zu heilen. Mit weiteren Forschungsergebnissen etwa zu Zusammenhängen zwischen Mineralstoffversorgung und Einlagerungen in den Haarfaden ist zu rechnen.

Text: Angelika Schmelzer