fit & vital mit Nico Hörmann
International erfolgreicher Reining-Reiter und Mitglied im DOKR
Ein Spanier oder ein Araber im Spitzendressursport, ein Quarter Horse fürs Distanzreiten oder ein Warmblüter in der Reining… Pferd ist Pferd – oder doch nicht? Natürlich haben alle Pferde grundsätzlich die gleichen Bedürfnisse, was Haltung oder auch gesunderhaltendes Training anbelangt. Im Laufe der Jahrhunderte hat der Mensch jedoch Pferderassen für bestimmte Einsatzzwecke gezüchtet. Daraus haben sich spezifische Rasseeigenschaften ergeben, denen man in Fütterung, Umgang und nicht zuletzt auch beim Reiten Rechnung tragen sollte. Nur so kann ein Pferd sein Potential optimal entfalten, und nur so bleibt es langfristig gesund, mental ausgeglichen und zufrieden. Nico Hörmann, in der Vergangenheit selbst international erfolgreicher Reining-Reiter und seit 2012 im DOKR als Koordinator für die Disziplinen Distanzreiten und Para-Equestrian tätig, fordert: „Wer sportlich vorankommen möchte, ohne sein Pferd zu überfordern, sollte unbedingt auf seine rassespezifischen Eigenschaften eingehen.“ PFERDE fit & vital hat nachgefragt.
Herr Hörmann, in der Hundehaltung hört man nicht selten: „Ein Malinois oder ein Border Collie ist doch auch nur ein Hund wie jeder andere. Man muss ihn halt nur erziehen!“ Das stimmt so nicht unbedingt, denn solche Arbeitsrassen brauchen nicht nur Erziehung, sondern müssen auch ihrem Rassezweck gemäß ausgelastet werden. Sieht das bei Pferden nicht genauso aus?
Nico Hörmann: Ja, das ist durchaus sehr ähnlich. Jede Pferderasse bringt typische körperliche und mentale Eigenschaften mit, die sie für den Einsatz in bestimmten Disziplinen prädestiniert.
Das heißt nicht, dass man sie nicht auch in anderen Disziplinen einsetzen kann. Man darf aber dann seine Erwartungen nicht so hochschrauben, dass man sein Pferd überfordert. PRE oder Lipizzaner zum Beispiel sind von ihrem Bau her wie geschaffen für die Versammlung. Doch in der Regel wird man im Dressursport nicht so weit kommen, wie es diese Pferde eigentlich verdient hätten – einfach deshalb, weil im großen Sport andere Kriterien angelegt werden, die diese Pferde normalerweise nicht erfüllen können. Das ist halt eine subjektive Bewertung. Wer also einen PRE oder Lipizzaner reiten möchte, sollte sich an den Vorzügen dieser Rasse erfreuen und nicht versuchen, sie zu spektakulären Trabverstärkungen o. ä. zu zwingen. Das wäre unfair dem Pferd gegenüber. Langfristig ist es immer gesünder, ein Pferd gemäß seinen Anlagen zu trainieren. Das ist der Schlüssel zu pferdegerechtem Reiten. Bei den Barockrassen sollte man also darauf achten, die Taktreinheit zu erhalten und die Pferde sauber gemäß den Regeln vorzustellen.
Jede reiterliche Disziplin bestimmt durch ihre Anforderungen ja auch das Training. So wundern sich Dressur- und Springreiter oft, dass Reining-Reiter ihre Pferde immer mal wieder einfach nur herumstehen lassen…
Nico Hörmann: Richtig. Im Reiningsport setzen wir die Pause nicht nur bewusst als Belohnung ein, sondern kultivieren das ruhige, gelassene Stehen gezielt, weil dieses „Verharren“ zur Prüfung gehört. Grundsätzlich sollten auch Westernpferderassen gemäß ihren Anlagen trainiert werden, damit sie gesund und zufrieden bleiben. Ich bekomme immer wieder mit, dass hier in Deutschland nur das als richtiges Reiten angesehen wird, wie es bei der FN gelehrt wird. Darauf käme man in anderen Reitkultur-Kreisen niemals. Ich kann nur davor warnen, ein Quarter Horse, insbesondere, wenn es gezielt für Reining oder Cowhorse gezüchtet wurde, nach FN-Ansätzen zu arbeiten. Natürlich kann man auch ein Quarter Horse in der Dressur vorstellen, weil man die Vorzüge der Rasse mit seiner Lieblingsdisziplin verbinden möchte, aber dann eben anders. Diese Pferde sind einfach anders gebaut und laufen zufriedener, wenn sie dementsprechend geritten werden. Und spätestens, wenn man sie am Rind sieht, weiß man auch, warum das so ist. Man sollte einfach akzeptieren, dass solche Pferde anders geritten werden – eben gemäß dem Verwendungszweck, für den sie gezüchtet wurden.
Wenn wir schon bei den Westernpferderassen sind – diese sind ja auch von ihrer Bemuskelung her anders. Schlägt sich das auch im Training nieder?
Nico Hörmann: Quarter Horses sind Sprinter und verfügen über eine entsprechende Muskulatur. Daher würde ich in der Regel davon abraten, ihnen Vielseitigkeit oder Distanzen zuzumuten. Umgekehrt würde man ein Warmblut ja auch nicht in Viertelmeilen-Rennen einsetzen. Es kommt halt immer darauf an, was man erreichen will und wie weit man sportlich kommen möchte. Und das darf niemals zu Lasten des Pferdes gehen.
Rassespezifisches Training bedeutet aber nicht nur, die physischen Eigenschaften zu berücksichtigen, sondern auch die mentalen…
Nico Hörmann: Sehr richtig. Im Dressursport beispielsweise brauchen wir Pferde, die nach vorn ziehen, da wir nur so die Vorwärtsbewegung in ein Bergauf umsetzen können. Also sind die hier eingesetzten Pferde in der Regel eher etwas spritzig im Temperament. Wer ein solches Pferd im Westernreitsport einsetzen möchte, wird da schnell an seine Grenzen stoßen. Zu viel Adrenalin ist in der Reining eher kontraproduktiv, wo sich rasante Manöver und gelassenes Stehen unmittelbar abwechseln. Auch mental tut man seinem Pferd nichts Gutes, wenn man es entgegen seiner rassespezifischen Eigenschaften trainiert.
Wir danken für das Gespräch.
Zur Person
Nico Hörmann arbeitet seit 2012 für das Deutsche Olympiade Komitee für Reiterei (DOKR) als Koordinator für die Disziplinen Distanzreiten und Para-Equestrian. Zudem war er von 2012 bis 2022 Bundestrainer FN Reining und ist jetzt Equipe-Chef der Para-Dressur. Hörmann hat selbst eine beispielhafte Karriere im Reiningsattel hinter sich und sammelte zahllose nationale und internationale Erfolge. Unter anderem war er zweifacher Deutscher Meister (FN) und holte zweimal Mannschaftsgold und einmal Einzelsilber auf der FEI Europameisterschaft. Bei den Weltreiterspielen 2006 in Aachen belegte er Platz 4 mit der Mannschaft und Platz 9 im Einzelfinale, bei den Weltreiterspielen in Kentucky Platz 6 mit der Mannschaft.
Foto: Art & Light