Durchlässigkeit fördern und erhalten

Für Die Gesunderhaltung des Reitpferdes

Durchlässigkeit ist wichtig, wenn man auf dem Turnier vorne stehen möchte: Nur das durchlässige Pferd lässt sich punktgenau, korrekt und sicher vorstellen. Durchlässigkeit ist aber auch wichtig, wenn man sein Pferd schmerzfrei, gesund und fröhlich unter dem Sattel haben möchte – und das fernab von Leistungsdruck und Turniergeschehen. Warum das so ist und wie Sie die Durchlässigkeit Ihres Pferdes fördern und erhalten können, lesen Sie auf den nächsten Seiten.

Zunächst muss die entscheidende Frage geklärt werden: Was ist Durchlässigkeit eigentlich? Wir verwenden folgende Definition:
Ein Pferd ist durchlässig, wenn es willig, geschmeidig und prompt auf die Hilfen des Reiters reagiert. Voraussetzung für Durchlässigkeit ist eine entsprechende Gymnastizierung des Pferdes. Durchlässigkeit bezieht sich also auf die Reiterhilfen: Das Pferd „lässt die Reiterhilfen durch“, es blockiert sie nicht, sondern reagiert wie gewünscht. Schon in der oben gegebenen knappen Definition wird deutlich, dass es hier keineswegs um absoluten Gehorsam geht. Es wird kein Zwang ausgeübt. Das Pferd soll nicht nur prompt auf die Reiterhilfen reagieren – es soll auch „willig“ reagieren, also freiwillig mitarbeiten.
Ebenso entscheidend ist das Wort „geschmeidig“. Hier schwingt mit, dass das Pferd – eben weil es geschmeidig ist – nicht nur willig, sondern auch in der Lage ist, prompt auf die Hilfen des Reiters zu reagieren. Der Reiter trägt Sorge für ein geschmeidiges Pferd, indem er es sorgfältig, geduldig und konsequent gymnastizierend reitet. Einerseits geht es hier also um körperliche Fitness, die das Pferd in die Lage versetzt, angemessen auf die Hilfen des Reiters zu reagieren, es geht um den berühmten schwingenden Rücken, um Losgelassenheit und Geraderichten.
Andererseits spielt auch die innere Einstellung des Pferdes eine Rolle, die sich durchaus körperlich niederschlägt, sodass eine negative Geisteshaltung langfristig auch konkrete körperliche Probleme verursachen kann. Ein williges Pferd arbeitet nicht gegen den Reiter, sondern mit ihm zusammen. Und das ist entscheidend: Widersetzlichkeiten sind nicht nur lästig, schlimmstenfalls sogar gefährlich – sie führen zu verspannten Muskeln, verursachen dadurch Schmerzen und ziehen damit häufig Ausweich- und Gegenwehrreaktionen des Pferdes nach sich.
Gewünscht wird also ein durchlässiges Pferd, das
• gerne mitarbeitet,
• aufmerksam und sensibel reagiert,
• gesund, fit und leistungsfähig ist.
Bleibt die Frage: Was kann der Reiter tun, um die Durchlässigkeit seines Pferdes zu erhöhen?

Grundlagen der Ausbildung

Eine korrekte Grundausbildung stellt in jedem Fall die Basis dar, um die Durchlässigkeit zu fördern. Nur ein gymnastiziertes, also weitgehend geradegerichtetes, grundsätzlich losgelassenes Pferd mit Takt und Schwung ist in der Lage, dauerhaft entspannt und schmerzfrei unter dem Reiter zu gehen. Daher sollte sich die Grundausbildung stets an der Skala der Ausbildung orientieren: Takt, Losgelassenheit, Anlehnung – Schwung, Geraderichten, Versammlung. Das sind die Vorgaben, die den Reiter dabei unterstützen, sein Pferd gesunderhaltend zu reiten.
Soweit die Theorie. In der Praxis lohnt es sich, einmal genauer hinzuschauen, um eine passende Strategie entwickeln zu können. Drei Aspekte definieren die Durchlässigkeit: Das Pferd reagiert willig, geschmeidig und prompt. Jeder dieser Punkte kann zunächst für sich allein betrachtet werden.

Freiwillige Mitarbeit

Wie erreicht man, dass ein Pferd willig mitarbeitet? Diese Frage scheint auf der Hand zu liegen – und ist doch eigentlich falsch formuliert. Tatsache ist, dass junge Pferde so gut wie immer eifrig, fleißig und willig sind, solange sie keine schlechten Erfahrungen unter dem Sattel machen. Schon Antoine de Pluvinel (1555 – 1620, Reitlehrer von Ludwig XIII.) hat dies in einem eindrücklichen Zitat für die Nachwelt hinterlassen: „Wir sollten besorgt sein, das Pferd nicht zu verdrießen und seine natürliche Anmut zu erhalten, sie gleicht dem Blütenduft der Früchte, der niemals wiederkehrt, wenn er einmal verflogen ist.“
Pferde möchten gefallen und geben sich normalerweise viel Mühe, es dem Reiter recht zu machen. Damit das so bleibt, muss der Reiter entsprechend achtsam sein. Das beginnt mit der Ausrüstung: Das Gebiss liegt angenehm im Pferdemaul, ist nicht zu dick, aber auch nicht zu scharf, und wird vor allem korrekt verschnallt. Zu tief hängende Gebisse können unangenehm bis schmerzhaft gegen die Pferdezähne schlagen. Korrekt ist eine Trense beispielsweise dann verschnallt, wenn sich bei geschlossenem Pferdemaul eine Falte am Maulwinkel bildet. Der Sattel passt dem Pferd und wird sorgfältig aufgelegt, so dass sich keine Scheuer- und Druckstellen bilden. Wenn die Arbeit unter dem Sattel aufgrund unpassender Ausrüstung mit Schmerzen verbunden ist, wird kein Pferd auf Dauer eifrig und willig bleiben.
Das Pferd gibt sich Mühe, den Reiter zu verstehen und entsprechend zu reagieren. Das kann es jedoch nur, wenn dieser sich auch klar und verständlich ausdrückt, sprich, wenn er korrekte Hilfen gibt. Kaum etwas ist so geeignet, den Gehwillen des Pferdes zu bremsen und die Mitarbeit unter dem Sattel zu unterbinden wie unverständliche, unkorrekte und schlimmstenfalls darüber hinaus widersprüchliche Reiterhilfen.
Der Reiter ist daher gefordert, die eigene Hilfengebung stets kritisch zu überprüfen: Wenn das Pferd die Mitarbeit verweigert, richtet sich der Blick stets zunächst auf den Partner im Sattel, nicht auf den darunter. Grobe Hilfen, falsche Gewichtsverteilung im Sattel, unruhige Reiterarme und -beine – all das kann dazu führen, dass das Pferd Motivation und Gehfreude verliert. Ein zügelunabhängiges Gleichgewicht des Reiters ist die unabdingbare Voraussetzung für jede präzise Hilfengebung.

Geschmeidigkeit

Das Pferd reagiert geschmeidig auf die Reiterhilfen. Klingt gut und gar nicht so schwierig – ist aber in Perfektion das Ergebnis jahrelanger, sorgfältiger Ausbildung. Ein geschmeidiges Pferd ist ein geradegerichtetes Pferd, das sich gleichmäßig auf beiden Seiten biegen kann. In der Skala der Ausbildung steht das Geraderichten an fünfter und vorletzter Stelle, vor der Versammlung.
Auch wenn diese Skala nicht strikt chronologisch zu verstehen ist, hat dieser Platz doch seine Berechtigung. Zwar beginnt die geraderichtende Arbeit des Pferdes bereits unmittelbar am Anfang seiner Ausbildung – doch ein korrektes Ergebnis der gymnastizierenden Arbeit stellt sich erst bei fortgeschrittenem Ausbildungsverlauf ein.
Darüber hinaus reagiert ein durchlässiges Pferd auch geschmeidig auf die Hilfen für Tempo- oder Gangartenwechsel. Es tritt aktiv unter seinen Schwerpunkt und bleibt auch in den Übergängen ausbalanciert. Auch das ist ein Zeichen einer soliden Grundausbildung. Zusammenfassend lässt sich die Arbeit zum Erreichen von Geschmeidigkeit mit dem bekannten Zitat von Gustav Steinbrecht beschreiben: „Reite dein Pferd vorwärts und richte es gerade“.

Prompte Reaktionen

Das Pferd reagiert nicht nur willig und geschmeidig – es reagiert auch prompt, also unverzüglich. Bei einem willigen und geschmeidigen Pferd ist das eigentlich selbstverständlich. Entscheidend für prompte Reaktionen ist darüber hinaus die Aufmerksamkeit des Pferdes. Wenn das Pferd gerade gespannt die Kühe auf der Nachbarweide beobachtet, können seine Reaktionen schon einmal mit einer gewissen Verzögerung eintreten – oder auch einmal ganz ausbleiben.
Langeweile erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das Pferd sich ablenken lässt. Wenn ein Pferd dazu neigt, seiner Umgebung mehr Aufmerksamkeit zu widmen als dem Reiter, sollte dieser es vermehrt fordern und abwechslungsreiche Lektionen reiten, um die Langeweile zu vertreiben und die Konzentration wieder herzustellen.

Die Praxis

In der Praxis bedeutet das: Nur das durchlässige Pferd kann losgelassen, locker und schmerzfrei unter dem Reiter gehen. Widerstand gegen die Reiterhilfen geht stets mit Verspannungen und langfristig auch mit Schmerzen einher. Unabhängig von Reitweisen und Ambitionen ist die Durchlässigkeit daher ein wichtiges Kriterium für jedes gerittene Pferd. Neben den gesundheitlichen Aspekten ist sie auch im Hinblick auf die Sicherheit von Pferd und Reiter relevant: Wer mit seinem Pferd im Ernstfall einen nicht einzuschätzenden langen Bremsweg hat, kann sich nicht sicher im Gelände bewegen.
Daher sollte bei wirklich jedem Reiten Wert darauf gelegt werden, Durchlässigkeit zu fordern und zu fördern.

Text und Foto: Britta Schön