Pro und Contra Abteilungsreiten

In Reih und Glied

Die Abteilung wird oft eher geringschätzig betrachtet. Abteilungsreiten – das ist etwas für Anfänger, die gerade von der Longe kommen und noch nicht selbständig geradeaus reiten können. Wer einmal auf A-Niveau reitet, ist der Abteilung eigentlich schon entwachsen. Oder? Weit gefehlt! Die Abteilung bietet vielfältige Herausforderungen für Pferd und Reiter.  

Wer auch über die Anfänge seiner Reitkarriere hinaus hin und wieder in der Abteilung reitet, wird schnell feststellen, dass Abteilungsreiten „mit Anspruch“ eine hervorragende Schulung in der Feinabstimmung von Pferd und Reiter darstellt. Das gilt allerdings nur dann, wenn eine Abteilung als geschlossene Formation betrachtet wird – die Abteilungsvarianten, die man häufig auf Turnieren oder auch im Unterricht beobachten kann, bei denen die Abstände zwischen „Nüster an Schweif“ und „Halbe Bahn“ variieren, bei denen abgekürzt oder außen fast überholt wird und bei denen manchmal noch nicht einmal klar ersichtlich ist, welcher Reiter eigentlich die Tete bildet, haben mit echtem Abteilungsreiten nicht viel gemeinsam.  

MILITÄRISCHER DRILL

Die Ursprünge der Abteilung liegen – wie so vieles in der deutschen Reitweise – beim Militär. Und dort hat das Abteilungsreiten ganz konkrete praktische Gründe: In der geschlossenen Formation lässt sich die Kampfdisziplin sehr viel einfacher aufrechterhalten als im freien Durcheinanderreiten. Aus der Abteilung bricht man einfach nicht so schnell aus. Keine Feigheit vor dem Feind! 

Heute dient die Abteilung einerseits der Ausbildung von Reitanfängern, andererseits können auf dem Turnier in der Abteilung mehrere Einzelreiter zugleich beurteilt werden. Doch auch auf dem Turnier können Abteilungen als geschlossene Formation vorgestellt werden. Nicht zu vergessen ist das zu recht beliebte „Musikreiten“: Quadrillen sind als Schaubilder von kaum einer Pferdeveranstaltung wegzudenken.  

Damit aus einer bunt gemischten Truppe von Pferden und Reitern eine echte Abteilung wird, braucht es eine solide Grundausbildung, Disziplin und Übung, Übung, Übung. Je ähnlicher sich die Pferde im Hinblick auf Größe und Bewegungsablauf sind, desto einfacher lässt sich in der Abteilung reiten – aus einer Gruppe von Ponys und Pferden unterschiedlicher Größe und mit deutlich unterschiedlichem Raumgriff in der Bewegung eine Abteilung zu formen, ist schon eine Herausforderung.  

Der Trainingseffekt

Und genau hier setzt der besondere Trainingseffekt der Abteilung ein. Während der Reiter bei der Einzelarbeit das Tempo so wählen kann, wie es ihm und vor allem seinem Pferd am besten entgegenkommt, und leichte Schwankungen im Gangmaß häufig kaum auffallen, geschweige denn stören, muss sich nun jeder Teilnehmer der Abteilung anpassen und sein Tempo ständig kontrollieren und regulieren, um leichte Schwankungen so abzufangen, dass gleichmäßige Abstände erhalten bleiben. Oft erfordert das häufige kleine Tempoverstärkungen und im Gegenzug kurzfristiges Einfangen des Tempos. In der Konsequenz wird das Pferd durch diese feinen Tempovariationen aufmerksam und durchlässig gehalten, jeder Tritt wird tatsächlich erritten, hier gibt es keinen passiven Trott.  

Auch Hufschlagfiguren in der Abteilung stellen einen besonders hohen Anspruch an punktgenaues Reiten und ein durchlässiges Pferd. Wenn beispielsweise das Kommando „Abteilung – Halt“ gegeben wird, müssen wirklich alle Pferde gleichzeitig anhalten, um die Formation zu erhalten. Jedes Auslaufen, jede Verzögerung stört die ganze Abteilung ebenso wie ein übereifriger vorauseilender Gehorsam. Das gilt selbstverständlich auch für Volten, Gangartwechsel und ähnliche Lektionen. Darüber hinaus muss auch die Linienführung bei den Hufschlagfiguren von jedem Reiter gleichermaßen exakt verfolgt werden, etwa beim „Durch die ganze Bahn wechseln“: Driftet hier ein Reiter etwas nach links, der nächste etwas nach rechts, entsteht schnell der Eindruck einer Schlangenlinie durch die Bahn – gezeigt werden soll aber die gerade Diagonale.  

Beim Paarreiten in der Quadrille wird noch mehr Genauigkeit verlangt: Beim Einzelreiten bemerkten Reiter häufig kaum, wenn ihr Pferd leicht schwankt. Wird jedoch zu zweit nebeneinander geritten, fällt schnell auf, wenn die inneren Steigbügel der beiden Reiter regelmäßig gegeneinander schlagen, weil ein Reiter-Pferd-Paar ständig leicht seitlich driftet.  

Darüber hinaus muss das Tempo nun noch einmal exakter kontrolliert werden: Auch in Wendungen soll das Paar nebeneinander bleiben. Hier ist der innere Reiter gefordert, das Tempo etwas zurückzunehmen, während der äußere Reiter leicht zulegen muss, damit die Pferde auf einer Nasenhöhe bleiben. Kombiniert mit häufigen Handwechseln wird hier schnell ganz nebenbei ein ausgesprochen anspruchsvolles Trainingsprogramm absolviert. 

Voraussetzungen der Abteilung

Damit ein solches Training in der Abteilung sinnvoll und erfolgversprechend ist, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. So sollten Pferd und Reiter auf jeden Fall so weit ausgebildet sein, dass sie mit den erforderlichen Feinabstimmungen nicht generell noch überfordert sind. Gerade in der Abteilung müssen die verlangten Hufschlagfiguren und Lektionen bei jedem Reiter-Pferd-Paar wirklich sicher sitzen. So ist Abteilungsreiten bei der Ausbildung des jungen Pferdes etwa nur begrenzt sinnvoll, auch wenn hier die Formation dem Jungspund Ruhe und Sicherheit vermitteln kann.  

Verschiedene Pferde weisen einen unterschiedlichen Grad von Losgelassenheit auf und werden auch nur selten auf dem exakt gleichen Ausbildungsstand sein. So braucht das eine Pferd eine deutlich längere Lösungsphase als das andere.  

Darüber hinaus lassen sich verschiedene Pferde auch mit unterschiedlichen Übungen am besten lösen. Das Reiten in der Abteilung sollte also der Arbeitsphase vorbehalten sein, wenn alle teilnehmenden Pferde bereits effektiv gelöst wurden.  

Damit aus der Abteilung kein stumpfes Hintereinander-her-Trotten wird, ist es wichtig, auf Abwechslung und Vielfalt bei der Kommandogebung zu achten. Häufige Handwechsel, Schlangenlinien, Volten, Tempi- und Gangartenwechsel halten das Interesse bei Reiter und Pferd wach. Darüber hinaus hat Quadrillentraining für viele Reiter einen besonderen Reiz, gerne auch mit Musik: Hier darf ruhig der Spaß im Vordergrund stehen, auch und besonders dann profitieren Pferd und Reiter von dieser Übung.  

Grenzen der Abteilung

So förderlich Abteilungsreiten in vieler Hinsicht auch sein mag – wirklich individuelle Förderung von Reiter und Pferd ist hier nur sehr begrenzt möglich. Geht es beispielsweise darum, neue Lektionen zu erarbeiten, ist die Abteilung kaum der richtige Platz dafür. In der Einzelarbeit kann unter anderem das Tempo so gewählt werden, wie es Pferd und Reiter für die gestellten Aufgaben am ehesten entgegenkommt. Die Einzelarbeit stellt daher immer die Basis der Arbeit mit dem Pferd dar.  Es ist deshalb sinnvoll, die Abteilung zwar regelmäßig, aber nicht übermäßig in den Trainingsplan zu integrieren. Dann stellt das Abteilungsreiten eine interessante Ergänzung des Arbeitsalltags dar.  

Text und Foto: Britta Schön