Fit für die grüne Saison: Aufbautraining im Gelände

Nach der Winterpause haben viele Pferde im Training Startschwierigkeiten, weil ihre Körperaktivität noch auf Sparflamme läuft und erst wieder auf „Betriebstemperatur“ gebracht werden muss. Lesen Sie, wie Sie Ihr Pferd im Frühjahr wieder fit machen können. 

Wer im Winter keine Reithalle zur Verfügung hatte, muss das Training jetzt sehr behutsam angehen und sein Pferd Schritt für Schritt aufbauen. Denn wer sein Pferd überfordert, riskiert nicht nur Lustlosigkeit und Widersetzlichkeiten, sondern auch Verletzungen infolge plötzlicher Überbeanspruchung. Zeitdruck, etwa weil das erste Turnier schon in drei Wochen ansteht, ist also beim Aufbautraining ein schlechter Ratgeber und eher kontraproduktiv. Deshalb sollte sich jeder zunächst klarmachen, was er in welcher Zeit erreichen möchte, und einen entsprechend realistischen Trainingsplan erstellen. Wie lange ein Pferd braucht, bis es wieder fit ist, hängt vor allem davon ab, wie lange die Winterpause war. Während bei einer Pause von unter vier Wochen der Fitnessverlust in der Regel nicht so groß ist, verringern sich Kondition und Muskelkraft bei längerem Pausieren doch enorm. Auch Faktoren wie das Alter oder die Haltungsbedingungen im Winter spielen für die Dauer des Aufbautrainings eine wichtige Rolle. Jüngere Pferde, die sich durch die Haltung im Offenstall kontinuierlich bewegen konnten, haben eine bessere Grundkondition und sind schneller wieder fit als ältere Tiere, die überwiegend in der Box standen. Das ist individuell sehr verschieden.  

Generell sollte man aber wenigstens sechs bis acht Wochen für das Antrainieren im Frühling einplanen. 

Trainieren mit System und Köpfchen

Als mögliches Trainingsprogramm empfehlen Reitexperten und Ausbilder dreimal pro Woche gezieltes Dressurreiten, einmal Longen- oder Langzügelarbeit, zweimal leichte Arbeit wie konzentriertes Führen und einen arbeitsfreien Tag. Prinzipiell sollten alle Trainingseinheiten in Bezug auf sowohl die Dauer als auch die Intensität allmählich gesteigert werden und sich stets am jeweiligen Ausbildungsstand des Pferdes und seiner Tagesform orientieren. Weil nicht nur der Körper, sondern auch der Kopf nach der Winterpause wieder fit werden muss, ist Abwechslung gefragt: Tempiwechsel, Über- und Seitengänge, Bodenhindernisse und Stangenarbeit, clever eingebaut, wecken die Lebensgeister und sorgen für Lauffreude und mentale Fitness. Wer über keinen Reitplatz verfügt, kann das Reittraining auch ins Fitnesszentrum Natur verlegen. Bereits ein Geländeritt von einer Stunde dreimal in der Woche steigert innerhalb von vier bis sechs Wochen Ausdauer und Kraft des Pferdes. Durch ständig wechselnde Eindrücke inspiriert, werden die meisten Pferde im Gelände sogar lebhafter und bewegen sich automatisch in einem frischeren Grundtempo. Wald und Flur bieten zudem zahlreiche Möglichkeiten, Pferde zu gymnastizieren und zu konditionieren. 

Dressurtraining im Grünen

Nahezu alle Dressurlektionen lassen sich sehr gut auch beim Ausreiten durchführen. Oftmals funktioniert das Dressurreiten im Grünen sogar besser, weil es draußen für das Pferd interessanter ist als im tristen Viereck. Deshalb eignet sich das dressurmäßige Gymnastizieren im Freien vor allem für Pferde, die in der heimatlichen Reitbahn nur unwillig und lustlos mitarbeiten. 

Genutzt werden können abgemähte Wiesen oder Brachflächen für Dressureinlagen, indem man sich ein imaginäres Viereck vorstellt. Einzelne Bäume, Sträucher, große Steine oder andere natürliche Geländestrukturen sind ideal, um Zirkel oder Volten zu reiten. Baumreihen am Wegesrand sind prima zum Reiten von Schlangenlinien und Achten. Meist lassen sich die Pferde hier leichter biegen als beim Reiten abstrakter Bahnfiguren im Dressurviereck, weil es für sie anschaulicher ist. Die Zwischenräume können für Seitengänge genutzt werden.  

Auch entlang von Hecken oder Zäunen kann man Seitengänge gut einbauen, weil das Pferd daran Anlehnung findet. Auf geraden Wegstrecken kann bewusst auf der rechten oder linken Hand leichtgetrabt und das Pferd entsprechend leicht nach innen gestellt werden. Bei Gangarten- oder Tempowechseln kann man sich an ausgesuchten Fixpunkten orientieren und punktgenaues Anhalten sowie Anreiten üben. 

Im Gelände sollte man möglichst über Böden von unterschiedlicher Beschaffenheit reiten: Gras, Sand, feste Wald- und Feldwege sowie auch kurze Strecken über Asphalt. Das setzt die Feinjustierung der Muskulatur in Gang. Möglich wird das durch die Golgi-Sehnen-Apparate, eine Art Nervengeflecht am Übergang zwischen Muskel und Sehne, das die Muskelspannung reguliert. Auf hartem Untergrund darf allerdings nur Schritt gegangen werden. Gemieden werden müssen hufschädigende Steinwege sowie tiefe Matschböden, die Sehnen und Bänder zu stark belasten. Dagegen sollten Bodenunebenheiten wie Mulden, Furchen, Baumwurzeln oder dünne Baumstämme bewusst genutzt werden, um das Pferd aufmerksamer und trittsicherer zu machen, indem man es langsam und konzentriert darübertreten lässt. 

Zur Gymnastizierung ausgezeichnet geeignet sind bereitbare Gewässer mit festem Sandboden wie flache Flüsse, Bäche oder am Strand. Dort kann man dann auch mal über eine längere Strecke im Wasser reiten – jedoch nie länger als zehn Minuten. Ein optimaler Trainingseffekt wird erzielt, wenn das Wasser bis zu den Karpalgelenken reicht. Dann muss das Pferd ähnlich wie bei der Cavalettiarbeit seine Beine höher heben und gegen den Wasserwiderstand arbeiten, was die Muskulatur von Oberarm, Schulter, Hals, Rücken und Oberschenkel gleichermaßen kräftigt. Zugleich ist Aqua-Training im Gelände ideal zum Kühlen der Pferdebeine. Geübt wird das Wassertreten – wenn möglich – über eine Distanz von mindestens 100 Metern, zuerst im Schritt, später auch im Trab. 

Mehr Kraft durch Naturhindernisse

Schmale Gräben oder quer über dem Waldweg liegende, astlose und höchstens 80 Zentimeter hohe Baumstämme können zum Springen wahrgenommen werden. Vielleicht befindet sich ja in der Nähe auch ein Vielseitigkeitsparcours mit solchen Naturhindernissen, den man ab und zu bereiten darf. Springeinlagen im Gelände trainieren Hinterhand und Rücken des Pferdes und haben eine positive Wirkung auf die Rumpfmuskulatur, die gestärkt und elastischer wird. 

Auch durch das Bereiten von Abhängen und Hügeln erhält das Pferd eine kraftvolle Hinterhand, die als sein „Antriebsmotor“ gilt. Will man diesen „frisieren“, muss man an steilen Hängen trainieren. Hierzu wird im Schritt und möglichst gerade bergauf und bergab geritten. Zum Berg-aufreiten verlagert das Pferd seinen Schwerpunkt nach hinten und muss mit den Hinterbeinen mehr Gewicht aufnehmen. Beim Abwärtsreiten lastet das Gewicht zwar größtenteils auf der Vorhand, das Pferd muss aber auch dann mit der Hinterhand gut untertreten. Weil es Steigung oder Gefälle Schritt für Schritt bewältigt, kräftigt es in erster Linie die Hinterhandmuskeln, aber auch den Bauch und über den langen Rückenmuskel die Vorhand. Am intensivsten, aber auch am anstrengensten ist dieser Trainingseffekt beim Rückwärtsrichten am Hang. Bei steilen Abhängen genügt deshalb ein Schritt zurück, bei geringerer Steigung maximal fünf Schritte rückwärts gehen lassen. Möglichkeiten für die Kletterarbeit mit Pferd finden sich fast überall. Falls man in einer absolut flachen Landschaft wohnt, können auch künstliche Erdaufschüttungen – wie zum Beispiel Straßendämme – genutzt werden. Beim Bergreiten sollte man in den leichten Sitz gehen und dem Pferd viel Kopffreiheit lassen. 

Wenn an Böschungen in großen Volten und im Schritt hoch und runter geritten wird, muss das Pferd ebenfalls seine Hinterbeine weit untersetzen. Zirkelreiten im Trab auf leicht abschüssigen Wiesen aktiviert die Hinterhand ebenso wie ein Galopp auf leicht ansteigenden Wiesen oder im hügeligen Gelände. Bergan kann das Tempo verstärkt werden, bergab das Tempo soweit zurückgenommen, dass das Pferd sich gut ausbalancieren kann. 

Konditionssteigerung durch Intervalltraining

Lange, flache Geraden mit federndem Untergrund bieten Gelegenheit, Ausdauer und Schnelligkeit des Pferdes zu fördern. Voraussetzungen hierfür sind allerdings eine solide Grundkondition, die man am besten durch flottes Schrittreiten auf ein- bis zweistündigen Ritten aufbaut, sowie ausreichende Muskelkraft durch entsprechendes Krafttraining. 

Beim Intervalltraining wechseln grundsätzlich Phasen in schneller Gangart (Trab oder Galopp) mit Schrittstrecken ab. Das Training startet immer mit zehn Minuten Schritt zum Aufwärmen und endet stets mit zehn Minuten Schritt zum Abreiten.  

Begonnen wird das Ausdauertraining mit kurzen Schritt-Trab-Schritt-Intervallen im fünfminütigen Rhythmus. Dann werden die Rhythmen allmählich auf jeweils zehn Minuten gesteigert und die Anzahl der Zeitspannen auf vier im fleißigen Schritt und zügigem Mitteltrab. Stimmt die Kondition, können extensive Intervalle trainiert werden, indem eine rund 1.000 Meter lange Strecke viermal in konstant ruhigem Tempo galoppiert wird. Zwischen jeder Galopp-Phase folgt eine zehnminütige Schritt-Etappe. Erst wenn das Pferd genügend Ausdauer entwickelt hat, darf durch intensives Intervalltraining die Schnelligkeit verbessert werden. Hierzu galoppiert man im mittleren Tempo dreimal eine etwa 500 Meter lange Strecke, unterbrochen durch Schrittpausen von wenigstens zehnminütiger Länge. 

Beim Intervalltraining bestimmt der Puls des Pferdes, wann die Gangart gewechselt werden darf. Der Ruhepuls eines Pferdes beträgt zwischen 28 und 48 Schläge pro Minute, abhängig von Pferdetyp, Alter und individueller Leistungsfähigkeit. Je nach Tempo steigt der Puls im Schritt auf 60 bis 80, im Trab auf 120 bis 140 und im Galopp auf 160 bis maximal 250 Schläge pro Minute. Für das Intervalltraining darf die Puls-Obergrenze jedoch bei höchstens 160 Schlägen pro Minute liegen. Trainiert man Ausdauer durch extensive Intervalle, muss sich der Puls auf die jeweilige Ruhefrequenz gesenkt haben, ehe das Pferd wieder traben oder galoppieren darf. Setzt man auf Schnelligkeit durch kurze intensive Schritt-Galopp-Rhythmen, muss der Puls auf 60 bis 64 Schläge pro Minute gefallen sein, bevor man erneut beschleunigt. Die Pulswerte geben Auskunft über den jeweiligen Konditionszustand des Pferdes: Je schneller der Ruhepuls erreicht ist, umso fitter ist das Pferd. Um einen hohen Fitness-Level zu halten, ist regelmäßiges Intervalltraining beim Ausreiten erforderlich. 

Damit man während des Trainings nicht x-mal vom Pferd steigen muss, um den Puls zu messen, lohnt die Anschaffung eines Pulsmessgerätes. Hierzu wird ein Sensor mit einem speziellen Soft-Brustgurt in Herznähe fixiert, der kabellos via Bluetooth die Herzfrequenz des Pferdes auf eine Art Armbanduhr überträgt, die man sich ums Handgelenk schnallt. Auf diese Weise kann der Puls des Pferdes jederzeit bequem kontrolliert werden. 

Text und Foto: Dr. Birgit van Damsen