Grundlagenarbeit in der Bahn
Die Grundgangarten: Basis des Erfolgs
Die grüne Saison ist zu Ende, der Winter steht vor der Tür: Zeit, Bilanz zu ziehen und eine Bestandsaufnahme zu machen. Wie erfolgreich war das Turnierjahr? Was hat der Sommer gebracht? Konnten Sie alle gesteckten Ziele erreichen?
Wenn Schwierigkeiten aufgetreten sind, liegen die Ursachen oft bereits in der Basis der Ausbildung. Die kommenden kalten Monate bieten die ideale Gelegenheit, ohne den Prüfungsstress der grünen Saison noch einmal an den Grundlagen zu arbeiten. Wenn Eis, Schnee und Matsch die Geländewege unpassierbar machen, lockt die Reithalle und bietet die Möglichkeit, konsequent und in aller Ruhe die Zusammenarbeit zwischen Reiter und Pferd zu perfektionieren.
Für manche Reiter ist die Dressurarbeit Weg und Ziel zugleich, für andere stellt sich die dressurmäßige Gymnastizierung eher als notwendiges Übel dar. Für alle Reiter jedoch gilt: Dressurarbeit ist unverzichtbar, werden hier doch die Grundlagen für jeden späteren Erfolg gelegt.
Gut motiviert
Warum braucht jeder Reiter, jedes Pferd die Arbeit in der Bahn? Hier wird das Pferd auf gebogenen Linien gymnastiziert und so ins Gleichgewicht gebracht. Durch dieses Training wird die natürliche Schiefe des Pferdes überwunden.
Lektionen und Hufschlagfiguren kräftigen die Muskulatur und setzen das Pferd instand, das Reitergewicht losgelassen und ohne gesundheitliche Schäden, Verspannungen oder Schmerzen aufzunehmen. Die Kommunikation zwischen Reiter und Pferd wird verfeinert.
Folglich besteht die Motivation zur Bahnarbeit
• für den Freizeit-Geländereiter darin: Gerade im Gelände kommt es in kritischen Situationen darauf an, dass das Pferd prompt und ohne Diskussionen auf die Signale des Reiters reagiert. Es muss im Wald auch einmal auf engem Raum gewendet werden, das Tempo muss jederzeit gut regulierbar sein. Auch das Freizeitpferd muss geradegerichtet werden, um losgelassen und mit aktiver Hinterhand seinen Reiter tragen zu können. All dies wird durch die Gymnastizierung in der Bahn erarbeitet, erhalten und verfeinert.
•für den Springreiter darin: Der Erfolg im Parcours hängt zu großen Teilen von den Strecken zwischen den Hindernissen ab. Siege werden auch zwischen den Sprüngen errungen. Hier kommt es darauf an, das Pferd auf den Punkt an den Sprung heranreiten zu können, das Tempo jederzeit gut regulieren und prompt zulegen oder abbremsen zu können, flüssig den Galopp zu wechseln und gut ausbalanciert auch enge Wendungen zu nehmen. Dies gelingt nur mit dem durchlässigen und gymnastizierten Pferd, das durch dressurmäßige Arbeit auf diese Aufgaben vorbereitet wird.
• für den Dressurreiter darin: Dressurreiter bewegen sich ohnehin die allermeiste Zeit in der Bahn. Dennoch ist es auch hier sinnvoll, immer wieder die Grundlagen zu überprüfen, zu festigen und zu verbessern. Viele Schwierigkeiten, die erst relativ spät im Verlauf der Ausbildung auftauchen, haben ihre Ursachen in einer mangelhaften Basisarbeit.
Fehlende Losgelassenheit ist hier als ein besonders häufig auftretendes Problem zu nennen. Wenn ein Pferd also Schwierigkeiten etwa bei anspruchsvollen versammelten Lektionen zeigt, ist es oft sinnvoll, noch einmal zurück zu den Ursprüngen zu gehen.
Die Bilanz
Wie sieht sie also aus, die Bilanz? Wenn er ehrlich ist, wird wohl jeder Reiter zugeben müssen, dass noch nicht alles perfekt ist. Perfektion ist das ferne Ziel, das in der Praxis kaum zu erreichen ist. Es bleibt also auch in der Turnierpause immer etwas zu tun: Erreichtes kann nun in Ruhe gefestigt werden, Probleme können entspannt angegangen und gelöst werden.
Im Verlauf der Turniersaison bleibt oft keine Gelegenheit, Grundlagenarbeit zu leisten, müssen doch immer wieder ganz konkrete Prüfungsaufgaben erfüllt werden, deren Vorbereitung viel Energie und Zeit verschlingt.
Wichtig ist jetzt, nicht nur die Lektion zu üben, bei der sich die Schwierigkeiten am deutlichsten zeigen, sondern im Training noch einmal neu zu beginnen und so auch neue Ansätze zu finden. Es nützt nicht viel, Symptome zu bekämpfen, wenn die Ursache noch nicht erkannt wurde. Die Skala der Ausbildung bietet hier sehr gute Anhaltspunkte.
Takt, Losgelassenheit, Anlehnung
Was bei der Ausbildung des jungen Pferdes an erster Stelle steht, kommt auch beim täglichen Training zuerst und ist unverzichtbare Grundlage für die weiterführende versammelnde Arbeit. Die Gewöhnungsphase in der gesamten Ausbildung korrespondiert mit der Lösungsphase im täglichen Training.
• Ganz wichtig ist der Takt, also das Gleichmaß des korrekten Bewegungsablaufes. Ohne sicheren Takt ist kaum weiterführende Arbeit möglich. Takt wird am besten auf gleichmäßigen, großen Linien erarbeitet und gefestigt. Enge Wendungen stellen bereits erhöhte Anforderungen an die Taktsicherheit des Pferdes. Zu nennen sind hier vor allem die ganze Bahn und der Zirkel, verbunden mit „Durch die ganze Bahn wechseln“ und „Aus dem Zirkel wechseln“.
• Die Losgelassenheit kann nicht hoch genug geschätzt werden. Viele Schwierigkeiten selbst in den höchsten Klassen sind auf mangelhafte Losgelassenheit zurückzuführen. Dabei versetzt die Losgelassenheit das Pferd nicht nur körperlich in die Lage, steigende Anforderungen zu erfüllen, sie spielt auch eine große Rolle für die Zufriedenheit und Motivation des Pferdes, ohne die es nicht aktiv und freudig mitarbeiten wird.
Wie ein Pferd am effektivsten gelöst wird, ist tatsächlich individuell unterschiedlich. Zu nennen sind hier vor allem große gebogene Linien wie Zirkel und Schlangenlinien, Übergänge zwischen den Gangarten und Tempowechsel innerhalb einer Gangart. Für den Reiter spielt der Entlastungssitz in der Lösungsphase eine wichtige Rolle, ebenso wie das Leichttraben. Überprüft werden kann die Losgelassenheit sehr gut durch das „Zügel aus der Hand kauen lassen“: Das losgelassene Pferd wird sich entspannt und zufrieden an die vorgehende Zügelhand herandehnen. Es kaut zufrieden auf dem Gebiss, der Schweif pendelt locker und es schnaubt gelegentlich ab. Die Bewegungen sind locker und federnd, der Rücken schwingt mit.
• Die Anlehnung (die stetige und feine Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul) wird dagegen sehr oft überbewertet. Tatsache ist, dass das gelöste Pferd die Anlehnung von sich aus sucht; sie ist also gewissermaßen ein Abfallprodukt der lösenden Arbeit.
Viele Reiter betrachten die Anlehnung jedoch fälschlich als Voraussetzung statt als Ergebnis der Arbeit. Hinzu kommt, dass Anlehnung häufig mit Beizäumung verwechselt wird: In der Folge wird die gewünschte Haltung oft mit der Hand erzwungen, so dass das Pferd nicht von hinten an die Hand herangeritten, sondern im Gegenteil von Beginn der Arbeit an vorne blockiert wird. Mangelnde Aktivität der Hinterhand ist hier ein deutlicher Hinweis.
Wenn Takt, Losgelassenheit und Anlehnung stimmen, ist eine sichere Grundlage geschaffen, auf der sich hervorragend weiter aufbauen lässt – sei es in der einzelnen Trainingseinheit oder in der großen Perspektive der gesamten Ausbildung des Pferdes.
Problem erkannt – Problem gebannt?
Wenn es irgendwo hakt, sollte sich der Reiter immer einen Moment Zeit nehmen, um das Problem genauer zu betrachten. Manche Schwierigkeiten entstehen, weil das Pferd sich überfordert fühlt und nervös wird – vor allem hochblütige Leistungspferde tendieren oft dazu, sich aufzuheizen und entweder übermotiviert oder ängstlich zu reagieren. Hier fehlt es in erster Linie an der inneren Losgelassenheit. Ein beharrliches Üben der schwierigen Lektion kann tatsächlich kontraproduktiv sein; wichtig ist, Vertrauen und Sicherheit aufzubauen, was zunächst besser durch leichte, vertraute Übungen gelingt.
In anderen Fällen ist das Pferd vielleicht durch die körperlichen Anforderungen der Übung überfordert. Ehe es an anspruchsvolle versammelte Lektionen herangehen kann, sollte das Pferd nicht nur gelöst, sondern auch wirklich geradegerichtet sein. Kondition und Kraft müssen ebenfalls ausreichend vorhanden sein. Andernfalls sind Probleme vorprogrammiert.
In der Praxis heißt das: Wenn ein Problem auftritt, ist es immer sinnvoll, noch einmal mindestens einen Schritt zurückzugehen und zu überprüfen, ob die leichteren Übungen korrekt absolviert werden, ohne dass „gemogelt“ wird. Das erfordert einen wirklich ehrlichen Blick auch auf die eigene reiterliche Einwirkung: Fehler des Pferdes sind immer auch Reiterfehler.
Text: Britta Schön, Foto: Christiane Slawik