Die Grundgangarten – Schritt, Trab, Galopp beurteilen und reiten

Basis des Erfolgs

„Boah, kann der treten!“ 

Gerade ein spektakulärer Trab ruft oft Begeisterung bei den Zuschauern hervor.  

Ob jedoch der Reiter auf diesem Pferd genauso freudigbegeistert bei der Sache ist, steht auf einem anderen Blatt. Worauf ist bei der Beurteilung der Grundgangarten des Pferdes zu achten? Wir zeigen Stärken und Schwächen auf.  

Bei der Pferdebeurteilung stehen die Grundgangarten klar im Vordergrund und spielen nicht nur bei Reitpferdeprüfungen, sondern auch in der Zucht eine bedeutende Rolle. Doch auch der Reiter selbst sollte einen sicheren Blick für die Qualität der Gangarten haben: Hier liegt das Potenzial seines Pferdes. Der Reiter fühlt die Bewegungen des Pferdes und erlebt die Gangmechanik ganz unmittelbar. Bequem zu sitzen oder eben nicht, fleißig oder triebig – manche Pferde brauchen viel aktive Unterstützung durch den Reiter, um zu Balance, Schwung und Ausdruck zu finden, andere Pferde sind wahre Naturtalente. Kenne dein Pferd: Wie ist es um die Grundgangarten bestellt? 

Bei der Beurteilung der Grundgangarten des Pferdes sollte auch die Bequemlichkeit für den Reiter, d.h. vor allem die Rittigkeit des Pferdes stets berücksichtigt werden. Und eben dadurch wird aus den Grundgangarten ein durchaus komplexes Thema: Nicht alles, was gut aussieht, ist auch gut zu reiten.  

Schritt, Trab, Galopp: Häufig steht vor allem der Trab im Blickpunkt. Aber Vorsicht ist geboten. Ein spektakulärer Trab kann durchaus seine Tücken haben – und mit dem Trab alleine wird der Reiter nicht glücklich werden. Beginnen wir daher ganz langsam. 

Der Schritt

Los geht es im Schritt. Für das Springpferd mag die Qualität des Schritts eher nachrangig sein; für das Dressurpferd aber ist der Schritt von essentieller Bedeutung. Ein mangel-hafter Schritt lässt sich nur sehr schwer korrigieren und verbessern. Schritt ist eine schwunglose Gangart ohne Schwebephase. Der Merksatz für die Fußfolgelautet: gleichseitig, aber nicht gleichzeitig. Die Beine werden erst auf der einen, dann auf der anderen Seite nacheinander vorgesetzt.  

Dabei soll der Schritt ein klarer Viertakt sein. Die Hinterhufe sollen mindestens in die Spur der Vorderhufe fußen, gerne auch darüber hinaus nach vorne greifen.  

Aber Vorsicht: In der Praxis hat sich gezeigt, dass ein besonders raumgreifender und langer Schritt (wie er eigentlich gewünscht wird), bei dem die Hinterhufe deutlich über die Vorderhufe hinaus nach vorne fußen, oft langsam im Hinterbein ist. Nachteilig wird dies spätestens dann, wenn es an Kurzkehrt, Hinterhandwendung und schließlich an die Schrittpirouetten geht. Besonders wichtig ist im Schritt deshalb auch der Fleiß.  

So reiten Sie den Schritt korrekt:

Für den Reiter kommt es neben dem Fleiß vor allem auf die Taktsicherheit an. Besonders schwierig wird es, wenn das Pferd eine Neigung zur Passverschiebung hat. In diesem Fall ist der Viertakt gestört, die gleichseitigen Beine fußen beinahe gleichzeitig auf.  

Auch die Nerven des Pferdes können dem Reiter einen Strich durch die Rechnung machen: Ein besonders nervöses oder auch übereifriges Pferd zeigt oft keinen ruhigen Schritt, sondern neigt zum Anzackeln und generell zu Taktfehlern.  

Doch selbst ein guter Schritt kann vom Reiter – oft ganz unbewusst – schnell ruiniert werden. Der schwerwiegendste Reiterfehler besteht in einer starren und rückwärts wirkenden Hand, die den gleichmäßigen Takt des Pferdes blockiert. Nicht umsonst wird in der Dressur in den Basisklassen stets der Mittelschritt verlangt: Gerade im Schritt ist ein deutliches Vorwärts bei leichter Rahmenerweiterung wichtig.  

Dabei geraten manche Reiter in Versuchung, den Schritt sozusagen anzuschieben: Sie schieben mit dem Gesäß im Sattel rhythmisch nach vorne. Dadurch wird der Schritt jedoch nicht etwa fleißiger oder taktmäßiger, im Gegenteil: Das Pferd wird aktiv gestört. Der Reiter sollte im Schritt wie in jeder Gangart geschmeidig, aufrecht und ruhig im Sattel sitzen. Die Hand des Reiters geht locker und geschmeidig mit ruhiger Anlehnung auf die Nickbewegung des Pferdehalses und -kopfes ein und lässt diese zu, ohne zu blockieren.  

Zur Verbesserung des Schritts, so er denn unruhig, nervös oder auch passartig ist, eignet sich vor allem das Gelände. Am hingegebenen Zügel auf langen und ruhigen Ausritten kann das Pferd den Takt finden. Darüber hinaus ist es wichtig, das Pferd in allen drei Grundgangarten zu gymnastizieren. Das geradegerichtete, gut ausbalancierte und gymnastizierte Pferd zeigt häufig auch den besseren Schritt.  

Es gibt jedoch genügend Fälle, wo alle Bemühungen des Reiters nichts fruchten. Bei der Beurteilung des Reitpferdes sollte der Schritt deshalb stets mit besonderer Aufmerk-samkeit bedacht werden.  

Der Trab

Der Trab ist eine schwunghafte Gangart mit Schwebephase. Der Merksatz für die Fußfolge im Zweitakt lautet: diagonal und gleichzeitig.  

Der Trab ist die Gangart mit dem höchsten Glamour-Faktor. Es sieht toll aus, wenn ein Pferd mit richtig Gummi, Schwebephase und Raumgriff daher kommt. Der erste Eindruck kann allerdings täuschen. Es gibt sie, die Blender, die vorne beeindruckend ausgreifen, während die Hinterhand schleppend hinterher zieht.  

Ein korrekter Trab zeichnet sich dadurch aus, dass Vorder- und Hinterbeine parallel zueinander nach vorne geführt werden. Wenn die Vorderbeine also weit und hoch nach vorne schwingen, sollten auch die Hinterbeine entsprechend weit und aktiv nach vorne fußen. Der Motor der Bewegung ist die Hinterhand: Alle Aktivität des Vorderbeins nutzt wenig, wenn die Hinterhand dabei nicht für den nötigen Schub sorgt.  Aber auch das Vorderbein ist selbstverständlich wichtig. Lange Zeit wurden relativ flache und weite Bewegungen bevorzugt. Heute jedoch möchte man gerne eine deutliche Knieaktion im Vorderbein sehen. Das geht schon einmal auf Kosten des extremen Raumgriffs. Im Hinblick auf den Reiter jedoch ist diese Variante auf jeden Fall vorzuziehen: Extremer Raumgriff ist oft schwer zu sitzen, viel besser zu sitzen und auch in Lektionen zu reiten sind handlichere Bewegungen.  

Dennoch wird dem Trab häufig eine eigentlich überdimensionierte Bedeutung zugemessen. Das liegt daran, dass der Trab die Gangart ist, die sich unter dem Reiter am besten und nachhaltigsten verbessern und entwickeln lässt. Mit einem schwingenden Rücken kommen auch vermehrter Schwung, Schub und Raumgriff in die Trabbewegung. Eine effektive Gymnastizierung des Pferdes ist der beste Garant für einen korrekten Trab, der mit zunehmender Aufrichtung und Tragkraft des Pferdes auch an Ausdruck gewinnen wird.  

Deshalb gilt: Lieber ein durchschnittlicher Trab als ein spektakulärer, aber unbequemer Stechtrab!  

So reiten Sie den Trab korrekt:

Der Arbeitstrab 

Der Arbeitstrab soll fleißig, aber nicht eilig sein. Das Pferd soll taktmäßig, locker, frei und mit schwingendem Rücken vorwärts traben. Die Hinterfüße treten in etwa in die Spuren der Vorderfüße. Lösende Übungen werden vorwiegend im Arbeitstrab geritten, da in dieser Gangart der natürliche und kräfteschonende Vorwärtsschwung dem Pferd hilft, Verspannungen und Steifheit abzubauen und sich loszulassen.  

Der Reiter sitzt geschmeidig und locker. Vor allem in der Mittelpositur muss der Reiter losgelassen sein, um die Bewegungen des Pferderückens sanft mitgehen zu können. Das Augenmerk liegt vor allem darauf, den Fleiß der Bewegung zu erhalten und die Hinter-hand des Pferdes zu aktivieren.  

Die Trabverstärkung 

Dieser Takt bleibt auch bei Trabverstärkungen erhalten. Ein guter Mitteltrab ist durch-aus schneller als der Arbeitstrab. Das wird jedoch nicht durch eine Erhöhung des Taktes, sondern durch vermehrten Raumgewinn mit jedem einzelnen Trabtritt erreicht. Indem es seine Hinterfüße weiter unter sich setzt und sich deutlich stärker nach vorne abstößt, gewinnt das Pferd dementsprechend mehr Raum. Der Reiter ist daher gefordert, die Trabverstärkung nicht durch ein planloses Treiben seines Pferdes zu erzielen, durch das meist auch der Takt beschleunigt wird, sondern sie zunächst nach und nach mit ver-mehrtem Raumgriff zu entwickeln. Eine gute Trabverstärkung wird aus einer vermehrten Aufrichtung und Sammlung des Pferdes heraus entwickelt.  

Durch dieses verstärkte Abfußen und Vorgreifen der Pferde-beine und die längeren Tritte des Pferdes kann es für den Reiter schwieriger werden, geschmeidig auszusitzen. Aber: Ein korrekter Mitteltrab mit schwingendem Rücken auf einem gut gelösten Pferd ist eigentlich durchaus zu sitzen. Wenn der Reiter extrem geworfen wird, ist dies als Warnsignal zu werten: Die Losgelassenheit des Pferdes sollte noch einmal überprüft werden. Darüber hinaus hilft nur üben, üben, üben, um auch einen schwungvollen Mitteltrab aussitzen zu können… 

Ein gravierender Sitzfehler des Reiters ist das häufig zu beobachtende „Surfen“: Der Reiter lehnt sich in der Trabverstärkung stark nach hinten, in dem Versuch, einerseits zu treiben, andererseits zu sitzen.  

Beides funktioniert so nicht. Der korrekte Sitz inklusive der korrekten Einwirkung wird aufgegeben. Das Pferd wird in seiner Bewegung nicht unterstützt, sondern im Rücken gestört und schlimmstenfalls sogar blockiert. Eine unabhängig und einfühlsam agierende Zügelhand ist ebenfalls nicht mehr gegeben, da sich der Reiter zumindest unwillkürlich an den Zügeln festhält. So wird auch das Pferd dazu animiert, sich schwer auf das Gebiss zu legen – vorbei ist es mit der schönen Selbsthaltung.  

Der versammelte Trab 

In der Versammlung wird das Pferd kürzer, die Hinterhand senkt sich etwas, die Vorhand richtet sich analog dazu auf, das Vorwärts wird vermehrt in ein Aufwärts umgewandelt. Kurz: Das Pferd trabt erhabener.  

Auch dabei sollen Takt und Fleiß erhalten bleiben. Das Pferd wird nicht langsamer, schwungloser oder gar „schluffiger“ – es gewinnt an Ausdruck, jeder einzelne Tritt wird präzise im Takt bewusst und fleißig ausgeführt.  

Erst das schon weit geförderte und ausgebildete Pferd wird diese Anforderungen auch erfüllen können. Analog dazu kann auch erst der fortgeschrittene Reiter eine korrekte Versammlung des Pferdes erzielen.  

Der Galopp

Der Galopp ist ein Dreitakt mit der Fußfolge  

1. äußerer Hinterfuß, 

2. innerer Hinterfuß und äußerer Vorderfuß zusammen, 

3. innerer Vorderfuß. 

Im Detail sieht das so aus: Im Galopp bewegt sich das Pferd in einem Dreitakt mit anschließendem freien Sprung, der Schwebephase. Die jeweiligen Beinstützen betrachtend, könnte man sagen: Das Pferd rollt sein Gewicht von außen nach innen ab. Es beginnt mit der Einbeinstütze beim äußeren Hinterfuß. Es folgt die Dreibeinstütze, bestehend aus äußerem Hinterfuß und der Diagonale von innerem Hinterfuß und äußerem Vorderfuß. Mit dem Abfußen außen hinten bleibt einen Moment lang die Diagonale als Zweibeinstütze, bevor das innere Vorderbein mit seinem Auftreten wieder eine Dreibeinstütze entstehen lässt. Daraufhin hebt sich das diagonale Beinpaar hoch. Der innere Vorderfuß bleibt als Einbeinstütze allein mit der Aufgabe, den Absprung in die Schwebephase zu bewältigen. Den folgenden Sprung nutzt das Pferd, um die Hinterhand wieder weit nach vorne zu bringen.  

Einen Moment lang sind daher alle vier Füße unter dem Bauch nahe beieinander. Das Auffangen des Gewichtes bei der Landung übernimmt dann im Alleingang der äußere Hinterfuß, während sich der Körper des Pferdes wieder streckt, um mit den Vorder-beinen möglichst weit auszugreifen. Der „Schaukelpferd-Effekt“ entsteht dadurch, dass im Moment der Landung ein Hinterbein und die ganze Vorhand noch in der Luft sind, also hebt sich das Pferd vor dem Reiter. Im Moment des Absprunges dagegen ist nur noch ein Vorderbein an der Erde, während der Rest des Pferdekörpers bereits abgehoben hat, sich also hinter dem Reiter hebt. 

Beim Galopp gilt wie beim Trab: Besonders große und raumgreifende Bewegungen sehen oft toll aus, sind im Viereck aber nicht immer wirklich praktisch. Was für das Viel-seitigkeitspferd im Gelände hervorragend geeignet ist – eine große, sehr raumgreifende Galoppade –, ist für das Dressurpferd eher unpraktisch, wenn dieser extreme Raumgriff irgendwann in die Galoppversammlung für den Außengalopp, Galopptraversalen oder schließlich auch eine Galopppirouette umgewandelt werden soll. Hier kommt es vor allem darauf an, dass das Pferd bei klarem Takt fleißig bergauf springt.  

Auch im Galopp wird deshalb neben der Hinterhand zusätzlich immer auf ein aktives Vorderbein geachtet. Schon im Freilaufen sollte idealerweise eine leichte Bergauftendenz der Bewegung erkennbar sein.  

Eine sehr flache und vorlastige Galoppade wird sich nur in Maßen verbessern lassen – aber es ist möglich. Leichte Springgymnastik kann hier ebenso helfen wie eine sorgfältige Gymnastizierung im Viereck.  

So reiten Sie den Galopp korrekt:

Während der Einbeinstütze des inneren Vorderfußes bewegt sich das gesamte Reiter-Pferd-Gewicht über dieses eine Bein hinweg und soll anschließend auch noch hoch-gedrückt werden. Das bringt eine deutliche Belastung der Sehnen, Bänder und Gelenke mit sich. Je vorlastiger das Pferd von Natur aus ist, desto schwerer fällt es auf die Vorderbeine. Enge Wendungen tun ein Übriges. 

Abgesehen von dem Bemühen um einen gesundheitserhaltenden Versammlungsgrad sollte daher gerade im Galopp nicht zu lange auf einer Hand in die Runde geritten werden. Im Viereck sind häufige Handwechsel sinnvoll. Aber auch während eines Ausrittes sollte darauf geachtet werden, regelmäßig den Galopp zu wechseln, um nicht einseitig die Belastung zu groß werden zu lassen. 

Im Rahmen der Gymnastizierung des Pferdes muss deshalb darauf geachtet werden, dass sowohl Links- als auch Rechtsgalopp gleichmäßig verlangt und gearbeitet werden. Falls das Pferd hingegen in den Kreuzgalopp springt, wird sofort durchpariert. Kreuzgalopp ist ein Warnsignal: Entweder ist das Pferd generell schlecht ausbalanciert, oder es liegt ein gravierendes Missverständnis zwischen Pferd und Reiter vor. 

Beim Kreuzgalopp galoppiert das Pferd über Kreuz, also vorne links – hinten rechts oder umgekehrt. Das kann der Reiter nicht sehen, aber unmittelbar erfühlen: Während der etwas schaukelnde Dreitakt des Galopps normalerweise sehr schön zu sitzen ist, schlingert das Pferd im Kreuzgalopp stuckerig und unschön.  

Der Reiter sollte im Galopp vor allem darauf achten, das innere Vorderbein des Pferdes nicht zu blockieren. Die innere Schulter des Pferdes greift im Innengalopp besonders weit vor. Wenn hier die Hand des Reiters am Innenzügel hängt und das Pferd dort blockiert, kann kein freier Galoppsprung entwickelt werden. Das beginnt schon beim Angaloppieren: Im Moment des Angaloppierens geht die innere Reiterhand im Idealfall deutlich vor, um den Galoppsprung herauszulassen.  

Die meisten Pferde sind „Linksgaloppierer“, galoppieren also lieber links als rechts und finden dementsprechend auf der linken Hand auch leichter in den korrekten Innen-galopp. Doch es gibt auch Ausnahmen. Manche Pferde tun sich auf der rechten Hand deutlich leichter. Wenn ein Pferd immer wieder falsch angaloppiert, kann es hilfreich sein, den Galopp einmal aus einer deutlichen Außenstellung heraus zu entwickeln. So wird die äußere Schulter blockiert, das äußere Vorderbein also am weiten Ausgreifen gehindert, während das innere Vorderbein nach vorne kommt und so zum weiten Ausgreifen angeregt wird.  

Die Gangarten des Pferdes müssen nicht spektakulär sein, um sich erfolgreich unter dem Reiter zu präsentieren. Ein fleißiger und taktklarer Schritt, ein bergauf gesprungener Galopp, ein Trab mit aktiver Hinterhand – das sind beste Voraussetzungen. 

Text: Britta Schön, Foto: Christiane Slawik