Die Arbeit am Kappzaum
Immer der Nase nach!
Das Pferdemaul ist empfindlich und um es zu schonen, nutzten bereits alte Meister wie Antoine de Pluvinel den Kappzaum, der auf den Nasenrücken des Pferdes einwirkt.
Doch in der Praxis sieht man ihn eher selten. Ist der Kappzaum in Vergessenheit geraten?
„Wenn dem so wäre, muss hier dringend im Interesse der Pferde gehandelt werden“, sagt Susi Fieger und erläutert nicht nur die Vorzüge des Kappzaums, sondern gibt auch praktische Tipps und erklärt Trainingsschritte.
„Mein erster Reitlehrer, Oberst von Steinsdorff, hat mich immer wieder auf die Empfindlichkeit des Pferdemauls hingewiesen. Er hat mich durch seine Konsequenz sensibilisiert und auch geprägt. Als Kinder ließ er uns absteigen, wenn wir unüberlegt am Zügel einwirkten. Vom Boden aus haben wir dann das Pferdemaul und dessen Tätigkeit in Verbindung mit dem Trensengebiss beobachten und erfühlen können. So verwendete ich schon früh und sehr selbstverständlich bei der Ausbildung meiner Pferde einen Kappzaum und war immer wieder erstaunt, dass selbst in vielen Fachbetrieben junge Pferde an der Trense anlongiert und auch gearbeitet werden”, so Dr. Susi Fieger.
Natürlich kann man auch mit Kappzaum grob einwirken. Daher gibt es zwei grundlegende Dinge zu beachten: 1. Es muss immer ein gut gepolstertes Kappzaumeisen gewählt werden und 2. Die Hand des Ausbilders muss fein einwirken können.
Der neurophysiologische Ansatz
Wer schon einmal bewusst beobachtet hat, wie man selber in Bewegung eine Richtungs-änderung beginnt, wird feststellen, dass die Nase das „führende“ Organ ist. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Augen als Orientierungsinstrument neben der Nase angeordnet sind und die Bewegung dem Blick folgt.
Auch das Pferd geht „seiner Nase nach“ und lässt den Hals folgen. Die Muskelketten des ganzen Körpers stellen sich auf die Bewegung ein. Ein Pferd welches, unbegleitet durch andere reiterliche Hilfen, am Gebiss nach der Seite gewendet wird, verdreht zumindest zeitweise das Genick und kann sich im Hals verwerfen. Je unangenehmer der Zug auf das empfindliche Maul ist, desto mehr Spannung und Schmerz können dabei entstehen.
Nur ein weit ausgebildetes, ausbalanciertes Pferd, das gelernt hat, dem seitwärts-weisenden Zügel mit dem ganzen Körper harmonisch zu folgen, wird also auch an der Longe fein an den Hilfen stehen, ohne dass der Longenführer wenig mehr als das Gewicht der Longe verspürt. Diese Pferde benötigen den Kappzaum nicht unbedingt, aber natürlich gehen auch weit ausgebildete Pferde gerne mal entspannt nur am Kappzaum. z.B. an einem Cavaletti-Tag.
Alle Pferde profitieren von der Arbeit am Kappzaum; selbst Pferde, die den Rücken schlecht hergeben, lassen irgendwann den Hals fallen, wenn man ideenreich vorgeht. Man kann auch zusätzlich eine Hilfszügelanlehnung zu Hilfe nehmen, bis der Rücken die tiefe Halseinstellung schätzen gelernt hat.
Richtiges Anpassen
Kappzäume gibt es in verschiedenen Ausführungen. Bei der Wahl ist als Mindestan-forderung zu beachten, dass der Kappzaum einen Zusatzriemen über die Ganaschen und einen sehr starren, gerne aber gepolsterten Nasenbügel mit mittlerem festem Ring hat.
Hier gibt es verschiedene Formen, in jedem Fall muss das Verrutschen des Nasenbügels vermieden werden, welcher etwa drei bis vier Zentimeter unter dem Jochbein verlaufen muss, denn darunter befindet sich der Gesichtsnerv.
Wünschenswert sind dagegen zusätzliche Riemchen zum Einschnallen eines Trensen-gebisses sowie seitliche feste Ringe am Nasenbügel. Letztere sind ursprünglich für die Arbeit an den Pilaren konzipiert, dienen aber auch der seitlichen Anlehnung oder werden für Zügel bei besonderen Reitvorhaben genutzt, wenn beispielsweise ein zusätzliches Leitseil eingesetzt wird oder bei Reitanfängern. Gutes Material, am besten qualitativ hochwertiges Leder, ist ein Muss.
Das Anlongieren
Basis jeder Longenarbeit ist zuvor die Arbeit an der Hand. Dies wird bei uns mit Knotenhalfter und Leitseil von beiden Händen unter Einbeziehung optischer Hilfsmittel wie Stangen oder Kegel durchgeführt. Dabei dient eine lange weiße Arbeitsgerte als „Armverlängerung“.
Der Einsatz einer Gerte erscheint mir als Vorbereitung auf die Longenarbeit sinnvoller als das Ende des Leitseils zu schwingen, was sonst bei der Bodenarbeit auch erlaubt und in Ordnung ist. Bei der Bodenarbeit lässt sich nun das Knotenhalfter auch durch den Kappzaum ersetzen, die Arbeit auf Distanz – eine Volte um den Ausbilder herum zum Beispiel – leitet dann den Übergang zur Arbeit an der Longe ein.
Am Kappzaum wird das Pferd nun auf einen immer größeren Zirkel im Schritt heraus-gelassen. Wird ein zweiter Helfer benötigt, kann dieser ein Seil durch den äußeren Kappzaumring führen, um das Pferd auf einer großen Zirkellinie zu navigieren. Dieses Vorgehen ist vor allem sinnvoll, um das Halten zu üben und für den Fall, dass das Pferd in die Mitte drängt. Danach können wenige Tritte Trab hinzugenommen werden, bis das Pferd ausbalanciert auf beiden Händen trabt. Galoppiert wird erst nach mehreren Wochen, wenn das Pferd sicher ausbalanciert auf größerer und etwas kleinerer Zirkellinie trabt. Ein Indiz für diesen Ausbildungsstand: Die Hinterbeine gehen nicht seitlich heraus und die Schulter fällt nicht nach innen.
Gewöhnung an Gebiss und Anlehnung
In der Basisarbeit kann das Pferd ein Backenstück mit Wassertrense unter dem Kapp-zaum tragen. Dieses kann man auch am Kappzaum spannungsfrei befestigen, damit sich das Pferd an den Gegenstand gewöhnt.
Soll mit Lauffer- bzw. Dreieckszügeln gearbeitet werden, sucht das Pferd rasch die Anlehnung, wenn man ein gutes Gefühl für die richtige Höhe und Länge hat.
Dazu beobachten Sie am besten, auf welcher Höhe das Pferd im entspannten Zustand sein Maul trägt hat und binden es nie tiefer als waagerecht zum Hüftgelenk aus. Rollt das Pferd den Hals auf, haben Sie Geduld. Zu Anfang ist das ein häufiges Problem.
Bevor das Pferd im Trab nicht vertrauensvoll ans Gebiss heranlongiert werden kann, sollte keine Galopparbeit begonnen werden. Dazu kann man dann auch anfangs wieder die Hilfszügel entfernen. Durch die leichte Genickstellung am Kappzaum auf dem Zirkel wird übrigens automatisch der äußere Hilfszügel stärker in Wirkung gebracht, der innere steht weniger an – wie es später unter dem Sattel auch sein soll.
Biegungen erarbeiten
Auch ohne Hilfszügel biegt das Pferd den Hals, wenn es am Kappzaum gearbeitet wird. Daher kann man die Längsbiegung trainieren, vorausgesetzt
– die Hinterhand weicht nicht nach außen aus,
-> Wenn doch, weniger Handeinwirkung, schräg hinter dem Pferd treiben.
-die Schulter wird nicht nach innen gedrückt,
-> Wenn doch, feine vibrierende Hilfen an der Longe, Schulter mit Longierpeitsche/Körpersprache nach außen treiben.
Häufige Handwechsel, wiederholtes Zirkel Verkleinern und Vergrößern und ein moderates Tempo helfen hier besonders. Später kann man die Längsbiegung an der Doppellonge am Gebiss weiter verfeinern oder die Doppellonge auch an den seitlichen Ringen des Kappzaums einhaken.
Arbeit mit dem Kappzaum über Stangen
Hat das Pferd am Kappzaum seine Balance grundsätzlich gefunden, sind Trabstangen oder niedrig gestellte Cavaletti, gegen Wegrollen gesichert, ein neuer Anreiz, das Gleichgewicht weiter zu verfeinern. Zuvor bitte, wie immer, ausgiebig Schritt arbeiten und auch an den Beinschutz denken.
Besondere Gymnastikanreize sind kleine Aufgaben, wie zum Beispiel Trab über Trab-stangen (120-140 cm Distanz) und dazwischen vier bis fünf Galoppsprünge. Eine Steigerung sind anspruchsvolle Distanzen, zum Beispiel niedrige oder sogar halbhohe Cavaletti (30-40 cm) auf 250 cm Abstand.
Hier kann wechselnd mit je zwei Trabtritten oder je einem Galoppsprung das sichere Pferd hohe Anforderung an die Koordination erfüllen und außergewöhnlich schnell Muskulatur aufbauen. Der Ausbilder muss jedoch die Konstitution des Pferdes gut einschätzen und im Auge behalten – Vorsicht vor Überforderung!
Text: Dr. Susi Fieger, Foto: Lisa Ströher