Richtig abtrainieren!
Unbeschwert & gesund in die Winterpause
Nicht jeder Reiter hat in der kalten Jahreszeit eine Reithalle zur Verfügung – und nicht jeder ist ein Fan von Regenritten im Dunkeln.
So gehen Jahr für Jahr diverse Pferde und Ponys in die wohlverdiente Winterpause. Vor der Pause steht allerdings ein sinnvolles Training: Das Abtrainieren im Herbst ist ebenso wie das Antrainieren im Frühjahr Bestandteil eines pferdegerechten und gesunderhaltenden Arbeitsplans.
Warum im Frühjahr antrainiert werden muss, liegt auf der Hand: Während der Winterpause wurde nach und nach Muskulatur abgebaut, und auch Sehnen und Bänder sind nach einer Trainingspause nicht sofort wieder voll belastbar. Weniger bekannt ist, dass es ebenfalls wichtig ist, vor einer Trainingspause entsprechend abzutrainieren.
Deshalb wird abtrainiert
Bei intensivem Training können sich die Spannungszustände der Muskulatur ändern. Es ist deshalb wichtig, die Muskeln auch beim Übergang in die Trainingspause weiterhin moderat zu dehnen, um schmerzhafte Verspannungen zu vermeiden. Beim gut trainierten Organismus verringert sich die Herzfrequenz, das Herz wird, vereinfacht gesagt, größer und kann mit einem Schlag mehr Blut pumpen. Falls nun das Training abrupt wegfällt, können die Unterforderung des Herzens und die nachfolgende Rückbildung des Herzmuskels auf Normalmaß eventuell gesundheitliche Probleme (Herz-Kreislauf-Probleme) nach sich ziehen.
Generell passt sich der Organismus des Sportlers (zwei- oder vierbeinig) an die Belastung an. Das betrifft beispielsweise auch Stoffwechselprozesse oder das Atmungssystem. Ein abrupter Abbruch des Trainings kann zu einem akuten Entlastungssyndrom führen. Mögliche Symptome beim Menschen sind unter anderem Kopfschmerzen, Mattigkeit, Herzbeschwerden, Appetitlosigkeit oder Schlafstörungen.
Zu bedenken ist darüber hinaus die Ernährung: Wenn weniger Leistung erbracht wird, werden auch weniger Kalorien benötigt. Eine allmähliche Futterumstellung beim Pferd ist deshalb ebenfalls angezeigt. Diese körperlichen Aspekte betreffen jedoch in erster Linie echte Hochleistungssportler. Das normale Freizeitpferd ist, ebenso wie der menschliche Freizeitsportler, kaum davon betroffen. Hier kann normalerweise auch abrupt aus dem Training ausgestiegen werden, ohne dass gesundheitliche Konsequenzen zu befürchten sind. Dennoch spielt für Pferde ebenso wie für Menschen noch eine weitere Komponente eine entscheidende Rolle: Nicht nur der Körper, auch die Psyche leidet, wenn eine wichtige Aufgabe von heute auf morgen plötzlich wegfällt.
Das ist beileibe kein rein menschliches Problem. Pferde, die gewohnt sind, täglich gearbeitet zu werden und womöglich am Wochenende regelmäßig besondere Events zu absolvieren – gleichgültig, ob Turnier oder kurzer Wanderritt –, wirken oft regelrecht verloren, wenn sie plötzlich beschäftigungslos auf der Weide stehen. Vor allem dieser psychische Aspekt sollte auch für den Freizeitreiter Anlass sein, sein Pferd bewusst abzutrainieren, ehe die Winterruhe Einzug hält: So kommt neben dem Körper auch die Psyche nach und nach zur Ruhe, passt sich an die veränderten Bedingungen an und kann schließlich die Winterruhe nutzen, um zu entspannen und neue Kraft zu tanken. Davon profitieren Pferd und Reiter gleichermaßen.
So wird abtrainiert
Um sinnvoll abtrainieren zu können, sollte der Reiter einen Trainingsplan erstellen. Dieser hält zunächst den Ist-Wert fest: Wie oft und wie intensiv wurde während der grünen Saison trainiert? Dieser Ist-Wert ist die Ausgangsbasis für die Operation „Abtrainieren“.
Nach und nach wird nun reduziert: Statt sieben Tagen in der Woche wird nun beispielsweise nur noch an fünf Tagen trainiert, ehe dies nach wenigen Wochen weiter reduziert wird. Einzelne, immer wieder eingestreute Ruhetage tragen dazu bei, das Pferd auf die kommende Pause einzustellen.
Doch nicht nur die Häufigkeit des Trainings ändert sich. Wird während der Saison beispielsweise jeweils 60 Minuten lang trainiert, so wird jetzt nach und nach auch die Trainingsdauer zurückgefahren. Schon 20 Minuten leichte Arbeit können verhindern, dass Pferd und Reiter in ein „Nach-Saison-Loch“ fallen, wie das bei einem zu plötzlichen Übergang in die Trainingspause leicht geschehen kann.
Wichtig ist darüber hinaus, die Art der täglichen Arbeit umzustellen. Es geht jetzt nicht mehr um Höchstleistungen: Das Dressurpferd piaffiert und passagiert nicht mehr, stattdessen steht vermehrt leichte, lösende Arbeit auf dem Programm. Das Springpferd absolviert nur noch einfache Gymnastiksprünge, das Westernpferd verabschiedet sich von rasanten Spins und Stops. Die Zufriedenheit von Pferd und Reiter steht jetzt im Vordergrund.
Unverzichtbar: Das Gelände
Ideal für einen gelungenen Saisonabschluss sind nun entspannte, ruhige Geländeritte. Noch einmal die Seele baumeln lassen, sich von Leistungsdruck und Hektik bewusst verabschieden – das geht nirgends besser als in der freien Natur. Lange Schrittstrecken sind perfekt geeignet für das Abtrainieren des Pferdes, auch wenn natürlich nach wie vor kleinere Trab- und Galoppreprisen in den Ausritt integriert werden können.
Nach einigen Wochen kann die Winterpause dann kommen. Zwei Dinge sind noch zu beachten: Auch in der reitfreien Zeit tut der Reiter gut daran, sich aktiv und täglich um sein Pferd zu kümmern – das vertieft die Beziehung, stärkt das Vertrauen und erhält so die Basis des gemeinsamen Miteinanders. Und: Der Winter ist eine ideale Zeit, um die vergangene Saison zu reflektieren, neue Ziele abzustecken und sich theoretisch weiterzubilden. Dann steigt schon bald die Vorfreude auf die nächste grüne Saison!
Text und Foto: Britta Schön