Mit dem Pferd 850 Kilometer quer durch Deutschland

Im Gespräch mit Trailreiterin Alexandra Enderle
Die Strecke ging durch Köln ins Bergische Land, über Westerwald, Taunus, Vogelsberg, Rhön, die Haßberge und die Fränkische Schweiz bis in den Bayerischen Wald. Doch was motivierte die Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin bei einer internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft dazu, mit ihrem Pferd wochenlang täglich 20 bis 40 km bei jedem Wetter zurückzulegen? PFERDE fit & vital unterhielt sich mit ihr.
Was brachte Dich auf die Idee, eine derartige Tour zu unternehmen?
Ich habe in der Vergangenheit schon ein paar Wanderritte im Ausland gemacht. Vor zwei Jahren habe ich dann mit Amar angefangen. Unsere erste Tour war ein Rundritt um den Vogelsberg bei Frankfurt mit etwa 200 km.
2023 sind wir einmal quer durch den Bayerischen Wald von Alex Madl zu Bernd Hackl geritten – das waren etwa 275 km. Da kam bei uns am Stall das Gerücht auf, dass ich direkt von Köln zum Bernd reiten würde. Damals habe ich das lachend verneint, doch die Idee ging mir nicht mehr aus dem Kopf.
Was ist der Amar eigentlich für ein Pferd?
Amar (der eigentlich laut Papieren Kwarc heißt) stammt aus dem polnischen Gestüt Michalow. Ich habe ihn als Vierjährigen bei Familie Dill vom Hägerhof bei Herzberg im Harz gekauft, die schon seit Jahrzehnten Araber aus den polnischen Gestüten nach Deutschland importiert. Seine Abstammung ist überwiegend eine Mischung aus alten polnischen Show- und Leistungslinien. Er hat viel Go, ist aber trotz allem sehr sozial und ein wirklich liebenswerter Bub. Aber er hat schon seinen eigenen Kopf mit eigenen Vorstellungen.
Wie hast du den Ritt eigentlich organisiert? Du warst schließlich allein und ohne Packpferd unterwegs…
Grundsätzlich sind wir eigentlich immer allein unterwegs, weil den meisten Mitreitern die Zeit für mehrstündige Ausritte fehlt. Was die Vorbereitung betrifft, konnte ich bei unseren letzten beiden Ritten viel Erfahrung sammeln und wusste genau, was dabei sein muss. Neu waren jetzt nur Schlafsack, Zelt und Kochgeschirr. So musste lediglich das Packkonzept angepasst werden.
Für die Streckenplanung habe ich eine Online Karten-App verwendet, die ich auch bei den letzten Ritten schon im Einsatz hatte. Zudem habe ich an die festen wöchentlichen Pausenstationen Pakete mit Kleidung zum Wechseln, Mineral- und Aufbaufutter für Amar etc. geschickt. Das hat das Gepäck am Pferd in einem erträglichen Umfang gehalten: bei den Vordertaschen waren es maximal 10 kg, hinten 8 kg zuzüglich Ultraleicht-Zelt und -Schlafsack.
Einen besonderen Dank möchte ich aber an dieser Stelle an mein Team im Hintergrund richten, meine Trainer, den Schmied und die gesamte Stallgemeinschaft – ohne diese liebenswerten und hilfsbereiten Menschen
wäre mein Ritt gar nicht möglich gewesen!
Du hast sicher Unmengen von Eindrücken auf Deiner Tour gesammelt. Gibt es etwas ganz Besonderes, das Dir in Erinnerung geblieben ist?
Ja, zwei Dinge: zum einen die Nächte gemeinsam mit Amar. Für mich war es etwas ganz Besonderes, mein Pferd einmal außerhalb der üblichen Besuchszeiten kennenlernen zu dürfen. Wegen unserer Stallruhezeiten kannte ich mein Pferd so gut wie gar nicht in der Zeit zwischen 22 und 6 Uhr. Auf unserer Tour dagegen habe ich regelmäßig im Zelt neben seinem Stall geschlafen oder bei Gewitter in der Nachbarbox bzw. einmal in einem alten Schafstall mit ihm zusammen übernachtet. Etwas ganz Außergewöhnliches war auch die Herzlichkeit der Menschen, die wir auf dem Ritt kennenlernten. Viele boten einfach in bestimmten Situationen ohne Zögern ihre Hilfe an – ob das der Förster war, der mit mir Amar im Wald gesucht hat, über Anwohner am Straßenrand, die Amar Wasser angeboten haben bis hin zu Stationsbetreibern, die mir erlaubten, bei Gewitter in der Nachbarbox, im Schafstall oder im Reiterstübchen zu schlafen.
Du hast Amar im Wald suchen müssen…?
Ja, das war ein Missgeschick, das an Tag 9 passierte. Auf der Weide ist Amar morgens wohl gestolpert und in den Litzenzaun gerutscht. Beim Aufstehen baute er nicht nur den Zaun ab, sondern verabschiedete sich auch noch im Galopp in den Wald. Dank schneller Hilfe des Försters konnten wir ihn in einer etwa 5 km entfernten Grillhütte finden. Zum Glück hatte er nur oberflächliche Schürfwunden, welche die Tierärztin gut behandeln konnte. So konnten wir nach dem Go des Tierarztes und entsprechender medizinischer Nachsorge in den nächsten Tagen alles gut meistern.
Hat sich diese Tour eigentlich auch auf die Beziehung zwischen Dir und Deinem Pferd ausgewirkt?
Ich habe Amar noch einmal viel intensiver kennengelernt, und ich denke, ich verstehe seinen Charakter jetzt noch besser. Man kennt sich gegenseitig sehr gut und weiß, wie man den anderen in gewissen Situationen nehmen muss oder wie man ihn besser unterstützen oder motivieren kann. Ich habe auch das Gefühl, dass das Vertrauen von Amar in mich gewachsen ist. Schließlich musste er mir ja auch jeden Tag vertrauen, dass ich in der Lage bin, für ihn auf dieser langen Strecke zu sorgen.
Umgekehrt bin ich immer wieder beindruckt von ihm, wie sehr er sich doch auf dieses Abenteuer 33 Tage lang eingelassen hat und nicht ein einiges mal körperlich oder mental gezeigt hat, dass er keine Lust mehr hat oder nicht mehr kann. Und ich habe immer bei allen unseren Ritten das Gefühl gehabt, er freut sich, dass er auch die Verantwortung von mir bekommt, sich seinen Weg auf unserer Strecke größtenteils selbstständig aussuchen zu dürfen.
Hast Du schon neue Pläne?
Ja, Amar und ich planen im Sommer 2025 einen Wanderritt von Köln nach Rügen. In 50 Tagen wollen wir 1.350 km reiten, davon 400 km an der Ostseeküste entlang. Und natürlich kann man unsere Abenteuer dann auch wieder bei Facebook und Instagram verfolgen. Wir freuen uns immer über virtuelle Mitreiter!
Text: Ramona Billing, Foto: La Vio Photography