Fit & Vital mit

…im Gespräch mit Trainingswissenschaftlerin Dr. Christina Fercher
Wie steht es um die Reiterfitness?
Wir Pferdeleute tun alles für unsere Vierbeiner, beschäftigen uns intensiv mit dem optimalen Training, lesen Bücher zum Thema Gesundheit, machen regelmäßig medizinische Check-ups und lassen Physiotherapeuten, Osteopathen etc. kommen. Kurz, wir tun alles, damit unsere Pferde fit bleiben. Doch wie steht es mit uns Reitern? Da gibt es deutlich Verbesserungsmöglichkeiten. PFERDE fit & vital unterhielt sich hierzu mit der Trainingswissenschaftlerin Dr. Christina Fercher.
Frau Dr. Fercher, Sie betreuen seit 2015 die Reiter am Olympiastützpunkt in Warendorf und da vor allem die Nachwuchsreiter zwischen U18 und U25. Das sind alles sehr aktive Reiter, die täglich auf dem Pferd sitzen und Leistung bringen müssen. Wie ist es denn um die Reiterfitness bestellt?
Dr. Christina Fercher: Seit über zehn Jahren beschäftigen wir uns sehr intensiv mit der Leistungsdiagnostik der Reiter, da wir die Bedeutung der reiterlichen Fitness kennen. Je athletischer der Reiter ist, desto gesünder bleibt er und umso präziser kann er einwirken. Beide Aspekte sind uns sehr wichtig. Körperliche Schwächen des Reiters werden sich immer auch negativ auf das Pferd auswirken, ganz abgesehen davon, dass physische Dysbalancen auch die Verständigung mit dem Pferd beeinflussen. Darüber hinaus ist Reiten ein Sport, der bis ins hohe Alter betrieben werden kann. Wer so lange und intensiv reitet, kann aber auch trainingsbedingte Probleme im
Bereich des Rückens oder der Knie bekommen. Dem sollte man durch entsprechendes Ausgleichstraining entgegenwirken. In Warendorf empfehlen wir den Reitern regelmäßiges Fitnesstraining. Wir testen zunächst Muskelkraft, Koordination und Beweglichkeit und schauen uns die Körperhaltung der Athleten im Detail an. Daraus ergeben sich dann individuelle Trainingsprogramme, um die Leistungsfähigkeit zu optimieren und beispielsweise Haltungsschwächen entgegenzuwirken.
Wo liegen denn die typischen Schwächen beim Reiter?
Dr. Christina Fercher: Menschen, die sehr viel reiten, haben unserer Erfahrung nach eine kräftige Rückenmuskulatur sowie gut ausgebildete Oberschenkelinnenseiten und -rückseiten. Der jeweilige muskuläre Gegenpart auf der anderen Seite des Körpersegments wird beim Reiten nicht so stark trainiert. Das führt zu einem funktionalen Ungleichgewicht zwischen den Muskelgruppen, welches langfristig zu Beschwerden führen kann.
Reiten allein reicht also nicht, man muss noch mehr tun…
Dr. Christina Fercher: Ganz genau. Man sollte der einseitigen Beanspruchung bestimmter Muskelgruppen durch gezieltes Ausgleichs- bzw. Athletiktraining entgegenwirken, bevor es zu Leistungseinbußen oder Beschwerden kommt. Daher sollten unter anderem die Bauchmuskeln und die Oberschenkel-außen- und -vorderseiten trainiert werden,
genauso wie Koordination, Beweglichkeit und Ausdauer.
Das Problem ist nur, dass Reiten ein sehr zeitaufwändiger Sport ist, ganz abgesehen davon, dass man ohnehin jede freie Minute beim Pferd verbringen möchte. Da fällt es schwer, sich auch noch zu eigenem Training aufzuraffen.
Dr. Christina Fercher: Ja, ich weiß – die Zeit ist immer knapp. Trotzdem rate ich dringend dazu, Athletiktraining in den Alltag einzubauen. Das muss gar nicht viel Zeit beanspruchen: Schon kurze, zielgerichtete Workouts reichen aus, wenn man sie regelmäßig macht. Es braucht auch nicht unbedingt ein Fitnessstudio oder aufwändige Geräte. Selbst kleine, gezielte Übungen wirken sich positiv auf das Körpergefühl und die Körperwahrnehmung aus. Wichtig ist, dass man etwas findet, das einem Spaß macht, sonst wird man nicht dranbleiben. Und man sollte anfangs niederschwellig einsteigen, mit Übungen, die gut klappen und einem leicht fallen – das hilft der Motivation.
In Warendorf achten wir darauf, den Trainingsplan sehr individuell zu gestalten. Bezüglich der Ausdauer wollen wir eine gute Grundlage, und die schaffen unsere Reiter, indem sie je nach Vorliebe zweimal die Woche zum Laufen gehen, Schwimmen oder Radfahren. Dazu kommt angeleitetes Rumpfstabilisierungstraining. Wir arbeiten am Körperbewusstsein und der Körperkontrolle und daran, bestimmte Muskeln gezielt anzuspannen und loszulassen.
Von so einem Training profitieren aber nicht nur unsere Kaderreiter, sondern jeder – ob Freizeit- oder Turnierreiter. Wichtig ist nur, dass man dranbleibt. 20 Minuten-Workouts sind ideal, lassen sich problemlos in den Alltag integrieren. Die Übungen müssen so einfach sein, dass man jederzeit und überall aktiv werden kann, wo es gerade passt und wo man eben aktuell ist. Dazu haben wir hier am Olympiastützpunkt NRW/Westfalen gemeinsam mit der FN passende Workouts für Reiter entwickelt. Die FN-Fitness-Workouts sind Teil des Projekts „Mit SICHERHEIT besser reiten“ der Stiftung Deutscher Pferdesport.
Wie sind Sie selbst ans Pferd gekommen?
Dr. Christina Fercher: Das Pferdevirus hat mich mit zwölf Jahren gepackt. Mit 16 bekam ich mein erstes eigenes Pferd. Er war für mich eine ziemliche Herausforderung und brachte mich dazu, mich intensiver mit der Reiterei auseinanderzusetzen. Ich hatte und habe bis heute auch das Glück, viele verschiedene Pferde reiten zu dürfen und bei vielen Ausbildern zu lernen. Die Reiterei und das Training von Pferden sind für mich jeden Tag aufs Neue eine Freude – so sehr, dass ich mich entschied, den Pferdesport zum Beruf zu machen. Dieser Wunsch begann mit einem Praktikum beim Pferdesportverband Baden-Württemberg während des Sportstudiums. Meine Diplomarbeit integrierte ich in ein Praktikum bei der FN in Warendorf. Hier am Olympiastützpunkt NRW/Westfalen habe ich meinen Traumberuf in der sportwissenschaftlichen Betreuung von
Reiter und Pferd gefunden.
Zur Person
Dr. Christina Fercher ist seit über zehn Jahren Trainingswissenschaftlerin am Olympiastützpunkt in Warendorf und machte durch diverse Publikationen von sich reden. In diesem Jahr stellte sie die Sieger-Dissertation für den GWP-Förderpreis mit ihrer Arbeit „Biomechanische Verfahren zur objektivierten Analyse der Sprungbewegung von Springpferden im Hochleistungssport“.
Foto: Miriam Ahrens-Urbanek