Das richtige Gebiss

Der Weg zur passenden Zäumung

Die Frage nach dem „richtigen“ Gebiss für das Pferd plagt viele Reiter. Sei es, dass Rittigkeitsprobleme auftreten oder das Pferd anderweitiges Unwohlsein zeigt – die Vermutung, dass ein falsches Gebiss daran Schuld haben könnte, ist nicht von der Hand zu weisen.   

Die Gründe für eine unpassende Zäumung sind vielfältig, so dass man strategisch vorgehen muss, um den richtigen Weg zum passenden Gebiss zu finden, das eine feine Kommunikation zwischen Pferd und Reiterhand zulässt.  Die Gründe für eine unpassende Zäumung sind vielfältig, so dass man strategisch vorgehen muss, um den richtigen Weg zum passenden Gebiss zu finden, das eine feine Kommunikation zwischen Pferd und Reiterhand zulässt.  

Es gibt nicht das grundsätzlich „beste Gebiss“ oder die „perfekte Zäumung“. Jedes Pferd benötigt individuelle Lösungen, da die jeweiligen Voraussetzungen unterschiedlich sind. So muss beispielsweise der Ausbildungsstand von Pferd und Reiter in die Überlegungen für die Auswahl einer Zäumung einbezogen werden. Weiter spielen die Disziplinen und der Einsatzbereich des Pferdes eine Rolle bei der Gebissauswahl. Selbst die Reitweise, der sich der Reiter verschrieben hat, will spezielle Ausrüstungsparameter erfüllt haben. Wenn es also eine Westernzäumung sein soll, damit die Ausrüstung aufeinander abgestimmt ist, bleiben viele Möglichkeiten, die durch andere Reitweisen geprägt sind, außen vor, obwohl sie dem Pferd vielleicht besser gerecht geworden wären.  

Neben den Überlegungen zu Ausbildung, Reitweise und Einsatzbereich darf man das Pferd selbst nicht unberücksichtigt lassen. Das Pferd sollte die Wahl des Gebisses oder der Zäumung mitbestimmen. Allerdings ist der Reiter oft kaum in der Lage, das Gefühl und den Willen des Tieres richtig einzuschätzen, auch wenn viele Pferdebesitzer zu wissen glauben, welches Gebiss ihre Vierbeiner mögen. Nur allzu oft fällt die Wahl auf das Gebiss, mit dem sich der Reiter am besten durchsetzen und sein Reittier am besten händeln kann. Das muss dem Reittier aber nicht unbedingt gefallen, zumal es auch keine Aussage über die korrekte Passform und Wirkungsweise ist – ganz zu schweigen vom Wohlergehen des Pferdes. 

Einspeicheln und schäumen

Manche Besitzer interpretieren die Verhaltensweisen des Pferdes falsch. So sehen es viele Reiter als positiv an, wenn ein Pferd das Gebiss gut einspeichelt. Je mehr Schaum vor dem Maul, desto besser die Akzeptanz, wird oft vermutet. Dass den Begriffen „auf dem Gebiss kauen“ und „das Gebiss einspeicheln“ aber völlig unterschiedliche Prinzipien zugrunde liegen und somit differenziert werden muss, ist vielen unverständlich. Andere wollen diese Tatsache einfach auch nicht gelten lassen. 

Das Prinzip ist jedoch einfach zu erklären: Ein Pferd soll ein Gebiss einspeicheln, damit es geschmeidig im Maul liegt und auf der Zunge gut gleitet. Damit dies geschieht, muss das Pferd Speichel produzieren. Der Speichelfluss wird durch den Parasympathikus – eine von drei Komponenten des vegetativen Nervensystems – aktiviert. Der Parasympathikus ist jedoch nur dann aktiv, wenn das Pferd entspannt ist, also keinen Stress hat. Die meisten Pferde jedoch haben durchaus Stress unter dem Sattel, doch auch diese Reittiere speicheln ihr Gebiss ein – oft sogar stärker als gelassene Pferde.  

Die gestressten Tiere kauen nervös auf dem Gebiss, ähnlich wie ein Schüler, der während einer Prüfung angespannt auf seinem Bleistift kaut. Pferde reagieren sich dabei ab und produzieren so jede Menge Schaum, der sich aus dem im Maul vorhandenen Speichel bildet. Kauen bedingt die Schaumbildung. Schäumende Pferde sind deshalb nicht automatisch entspannt, vielmehr kauen sie auf dem Gebiss, um sich abzureagieren, oder beißen sich gar auf dem Gebiss fest. Die Redensart „vor Wut schäumen“ ist hier gar nicht mal so unpassend. 

Demnach kann man die Akzeptanz eines Gebisses nicht daran festmachen, ob das Pferd das Mundstück einspeichelt, entscheidend ist vielmehr, wie es dies tut. Ganz abgesehen davon kann ein Pferd, das in einer Prüfung Höchstleistungen erbringen muss, gar nicht entspannt laufen, vielmehr ist es unter hoher physischer und psychischer Belastung, die eine Aktivität des Parasympathikus überhaupt nicht zulässt. Es ist nun sein Gegenspieler, der Sympathikus, aktiv, der den Speichelfluss eindämmt. Daher kommt auch der Ausdruck: „Dem bleibt die Spucke weg“.  

Schmerzen erkennen

Es ist also durchaus nicht einfach zu beurteilen, ob ein Pferd ein Gebiss mag oder nicht, zumal es sich hier nur um ein einziges Kriterium handelt. Pferde werden Gebisse, die ihnen nicht wehtun, sicherlich auch lieber mögen als Zäumungen, die ihnen Schmerzen zufügen. Wann jedoch Pferde Schmerzen haben, ist schwer auszumachen. Oft sieht man den Pferden Schmerzen erst an, wenn der Level schon sehr hoch ist oder man Verletzungen ausmachen kann. Es ist darum sehr wichtig, insbesondere die Zunge des Pferdes und die Maulwinkel im Auge zu behalten, um eventuelle Verletzungen, Rötungen und Schwellungen frühzeitig zu erkennen. 

Selbstverständlich entstehen Verletzungen im Maulbereich sehr häufig dadurch, dass der Reiter zu hart mit dem Zügel einwirkt. Ständiges Riegeln, Zupfen oder Ziehen am Zügel führt zwangsläufig zu Schleimhautläsionen und langfristig zur Bildung von Hornhaut. An den Maulwinkeln von gerittenen Pferden bildet sich darum oftmals eine unempfindlichere Schwiele. Damit ist die Sensibilität des Pferdes so herabgesetzt, dass es auf feine Zügelsignale nicht reagieren kann. 

Die Zunge des Pferdes ist ein sehr empfindliches Tastorgan und unterliegt bei unpassenden Gebissen einem stark erhöhten Verletzungsrisiko. Auch falsche Handhabung kann zu Verletzungen führen. Vernarbte Zungen sind bei Reitpferden leider keine Seltenheit. Nicht immer ist es die grobe Reiterhand, die der Zunge zusetzt, sondern es sind auch Gebisse, die zu wenig Zungenfreiheit haben, oder Gebissteile, die die Zunge einquetschen oder einschneiden. 

Es ist darum besonders wichtig, sich nicht nur der korrekten Handhabung eines Gebisses zu widmen, sondern auch dessen Wirkungsweise zu kennen.  

Last but not least ist die korrekte Passform eines Gebisses ein sehr wichtiger Faktor für die Auswahl. Nur so können Verletzungen im Maulbereich weitestgehend vermieden werden und nur so wird die Grundlage für die Akzeptanz eines Gebisses durch ein Pferd geschaffen. 

Dem Pferd ins Maul geschaut

Der Reiter sollte sich mit der Anatomie der Maulhöhle befassen, damit er ein Gebiss für sein Pferd anpassen kann. Die Anatomie variiert natürlich von Pferd zu Pferd innerhalb gewisser Parameter. Es gibt Tiere mit dicker oder dünner Zunge, mit kurzer oder langer Maulspalte, mit hohem oder niedrigem Gaumen und mit großer oder kleiner Lade. All diese Parameter müssen beim Anpassen eines Gebisses berücksichtigt werden.  

Selbst die Zähne dürfen dabei nicht unbeachtet bleiben. Wolfszähne (Prämolar 1), die – wenn sie sich ausbilden – direkt vor den Backenzähnen oft nur rudimentär vorhanden sind, können große Schmerzen verursachen, wenn das Mundstück drückt. In aller Regel müssen Wolfszähne vom Tierarzt gezogen werden. Fehlstellungen der Zähne sowie Zahnhaken sind ebenfalls zu berücksichtigen und müssen vom Tierarzt begutachtet und gegebenenfalls behandelt werden, um Maulläsionen zu vermeiden. 

Gebisse anpassen – leicht gemacht Gebisse anpassen – leicht gemacht

Um ein Gebiss korrekt anzupassen, misst man zunächst die Maulbreite. Großpferde benötigen ab etwa 13 cm Mundstücksbreite, Kleinpferde und Ponys liegen meist bei 12,5 cm oder entsprechend darunter. Die Gebissringe dürfen die Lefzen nicht einengen, sollten aber auch nicht abstehen. Das Mundstück darf höchstens ein paar Millimeter aus dem Maul ragen. Hat es mehr Luft, ist das Mundstück zu breit. Das Gebiss muss auf korrekter Höhe eingeschnallt werden. Als Maßstab gilt, dass sich eine bis zwei Hautfalten an den Maulwinkeln bilden dürfen. Doch je nach anatomischen Gegebenheiten könnte ein hoch geschnalltes Mundstück, das zwei Falten an den Maulwinkeln wirft, schon an den Backenzähnen anliegen. Dem aufgetrensten Pferd sollte man deshalb unbedingt ins Maul schauen, um die Lage des Gebisses zu überprüfen. 

Liegt das Gebiss zu locker, kann das Pferd das Maul nicht schließen und versucht, das Mundstück mit der Zunge zu stabilisieren. Zu hoch verschnallte Gebisse hingegen engen das Maul ein und führen zu einem unangenehmen Dauerdruck. Einfach gebrochene Gebisse können den Unterkiefer einzwängen und der Knick in der Mitte des Mundstücks kann gegen den Gaumen drücken. So kann die Zunge das Mundstück nicht abfangen. 

Bietet ein Gebiss keine Zungenfreiheit (Aufwölbung in der Mitte des Mundstücks bei ungebrochenen Gebissen), erhöht sich der Druck auf die Zunge sehr stark. Gebisse mit einer hohen Zungenfreiheit hingegen erhöhen den Druck auf die Laden. Man sollte darum ein Mundstück wählen, das der Zunge genügend Platz lässt, während diese aber noch die Möglichkeit hat, das Gebiss mitzutragen, um den Druck auf die Laden zu verringern. So kommen nur Gebisse in Frage, die sich in ihrer Form exakt an die Maulanatomie anschmiegen. 

Um diese Anforderung zu erfüllen, sollte man die Zunge des Pferdes auf deren Dicke und Form begutachten.  

Neben der Mundstücksbreite und Zungenfreiheit ist auch die Mundstücksdicke ein wichtiger Faktor für die Auswahl eines Gebisses. Die meisten Pferde haben nicht besonders viel Raum zwischen Zunge und Gaumen, so dass ein zu dickes Gebiss keinen Platz im Pferdemaul hat. Auch eine kurze Maulspalte erfordert ein eher dünnes Mundstück, weil das Pferd ansonsten Schwierigkeiten hat, sein Maul zu schließen. 

Ein Blick auf das ZaumzeugSelbstverständlich ist ebenso darauf zu achten, dass das Gebiss ordentlich im Zaumzeug eingeschnallt im Maul liegt. Immer wieder werden Gebisse falsch am Backenriemen befestigt, aber auch Reithalfter und Kinnriemen werden nicht selten zu eng gezogen.  

Ebenso muss man bei gebisslosen Zäumungen auf eine perfekte Anpassung achten. Sind Gebisse und Zäumungen nicht auf das jeweilige Pferd abgestimmt und entsprechend modifiziert, können Schmerzen, Verletzungen oder falsch verstandene Signale die Folge sein. Das Pferd reagiert darauf häufig mit Unwillen, Gegenwehr, Verspannungen und in Folge mit gesundheitlichen Problemen. 

Normalerweise ist ein gut ausgebildetes Pferd immer zufriedenstellend mit jeder Art von Gebiss und gebissloser Zäumung zu reiten, wenn Zaumzeug und Mundstück korrekt auf das Pferd angepasst sind.  

Dennoch kann man im Detail noch weitere Merkmale und Vorlieben des Pferdes berücksichtigen, indem man verschiedene Gebissmaterialien ausprobiert oder auch mit unterschiedlichen Wirkungsweisen experimentiert. Manche Pferde mögen Kupfergebisse sehr gerne, weil sie leicht süßlich schmecken, andere wiederum sind mit Edelstahlgebissen zufrieden. Wieder andere reagieren allerdings auf bestimmte Legierungen und Materialien wie insbesondere Nickel allergisch, was sich oft durch Schwellungen im Maulbereich zeigt. 

In erster Linie bei Hebelarmgebissen (Kandaren), die grundsätzlich nur in die Hände von erfahrenen Reitern und in das Maul von fortgeschritten ausgebildeten Pferden gehören, sollte man die Wirkungsweise genauer unter die Lupe nehmen.  

Um ein solches Gebiss anzupassen, muss der Reiter auch das Exterieur im Gesamten in Betracht ziehen, vor allem aber auch Halsansatz, Ganaschenfreiheit und Halsform. Das Hebelarmgebiss muss entsprechend ausbalanciert sein, denn bereits am losen Zügel haben viele Gebisse aufgrund ihrer Lage im Pferdemaul bereits eine beizäumende Wirkung.   

Nur unter Berücksichtigung all dieser Kriterien kann feines Reiten stattfinden, da das korrekt angepasste Gebiss das Mittel für eine adäquate Kommunikation ist. 

Text und Foto: Renate Ettl