Pferdezähne sind anders…

Perfekte Anpassung an die Nahrung

Pferde sind Weidetiere, deren Zähne sich im Laufe der Evolution perfekt an ihre Nahrung angepasst haben. Ihre Vorfahren lebten in weiten Steppen, wo sie über viele Stunden hinweg (bis zu 20 Stunden täglich) das harte Steppengras abfraßen. Das Pferdegebiss ist daher spezialisiert auf das Grasen. Die Schneidezähne mit glatten Kauflächen dienen zum Fassen und Abrupfen, die Backenzähne mit ihren breiten, gefältelten Kauflächen zum Zerkleinern und Zermahlen des Futters, wobei dieses eingespeichelt und schließlich abgeschluckt wird. Dieses Zerkleinern und Einspeicheln ist sehr wichtig, damit die Nahrung für das Pferd verwertbar ist. Doch schauen wir uns den Aufbau des Pferdegebisses und der Zähne einmal näher an.

Wie wir Menschen haben auch Pferde zunächst Milchzähne, allerdings nur an den Schneidezähnen sowie den ersten drei Backenzähnen (Prämolaren). Im Alter von 2,5 bis 5 Jahren kommen hier dann die bleibenden Zähne nach – zuerst die mittleren Schneidezähne, dann nach und nach die weiteren bis zu den äußeren Schneidezähnen. Zwischen dem Zahndurchbruch und der ersten Zahnabnutzung vergehen nochmals rund sechs Monate. Die Molaren folgen zwischen dem ersten und dem dritten Lebensjahr. Das erwachsene Pferd besitzt damit insgesamt zwischen 36 und 44 Zähnen (abhängig davon, wie viele Hengst- bzw. Wolfszähne vorhanden sind).

Pferdezähne wachsen ständig nach
Die bleibenden Zähne wachsen bis zum Alter von etwa 15 Jahren pro Jahr um ein bis vier Millimeter aus dem Zahnfach nach. Das ist auch notwendig, denn die Zähne unterliegen einem beachtlichen Abrieb. Idealerweise halten sich Abrieb und Nachwachsen die Waage. Ein fehlender Zahn, Mängel in der Fütterung (z. B. zu wenig oder zu weiches Raufutter) oder Fehlstellungen können zu ungleichem Abrieb führen und damit zur Bildung von Spitzen, Haken oder Rampen. Diese verursachen Verletzungen der Maulschleimhaut und schlechte Futteraufnahme, weshalb regelmäßig kontrolliert und korrigiert werden muss.

Verschiedene Zahntypen
Im Pferdegebiss unterscheidet man die Schneidezähne, die Eckzähne, die vorderen Backenzähne (Prämolaren) und die hinteren Backenzähne (Molaren). Der Oberkiefer des Pferdes ist etwas breiter als der Unterkiefer, so dass sich die Kauflächen nicht vollständig berühren. Das erlaubt den typischen kreisförmigen Kauschlag des Pferdes, um harte pflanzliche Nahrung zerkleinern zu können.

Schneidezähne
Pferde besitzen zwölf permanente Schneidezähne. Diese stehen beim jungen Pferd relativ senkrecht aufeinander. Die Winkel zwischen den oberen und den unteren Schneidezähnen verändert sich mit zunehmendem Alter und wird immer flacher. Durch die so verursachte Stellungsänderung kann es vor allem im Bereich der Eckschneidezähne zu vermehrter Hakenbildung (Einbiss) kommen, die korrigiert werden muss.

Eckzähne (Hengstzähne)
Bei den meisten Hengsten und Wallachen sind vier Eckzähne zu finden, die auch als „Hengstzähne“ bezeichnet werden. Diese sind auch bei rund 30 Prozent aller Stuten embryonal angelegt, aber nur bei etwa zwei Prozent tatsächlich im Maul zu finden. Die Hengstzähne berühren sich normalerweise nicht und sind auch für die Nahrungsaufnahme bedeutungslos. Da sie keinem Abrieb unterliegen, können sie auch mal zu lang werden und damit zu Verletzungen der Maulschleimhaut führen. Daher sollten auch Hengstzähne regelmäßig kontrolliert werden.

Backenzähne
Die drei vorderen Backenzähne werden als Prämolare bezeichnet und besitzen eine hohe Zahnkrone und kurze Wurzeln. Die hinteren drei Backenzähne (Molare) sind breiter und besitzen flachere Kauflächen mit Höckern und Vertiefungen für die Zerkleinerung der Nahrung.
Vor den Prämolaren liegen bei rund 30 bis 40 Prozent aller Pferde die sogenannten „Wolfszähne“, vor allem im Oberkiefer. Sie sind Überbleibsel aus der Frühzeit des Pferdes als Laub- und Blätterfresser um Wald, die heute keine Funktion mehr haben. Sie können auch im Zahnfleisch verborgen bleiben. Wolfszähne können Probleme beim Reiten machen, wenn sie in Berührung mit Trense oder Kandare kommen. Gegebenenfalls sollten sie dann gezogen werden.

Aufbau des Pferdezahns
Von außen betrachtet besteht der Zahn aus seiner Krone, die aus dem Kiefer herausragt, dem Zahnhals und der Zahnwurzel. Schneidezähne haben jeweils nur eine Wurzel, Backenzähne zwei bis vier Wurzeln. Das Besondere des Pferdezahns machen jedoch sein Aufbau und seine Schutzschicht aus. Beim Pferd bildet der sogenannte Zahnzement die äußere Schutzschicht. Zahnzement ist dem Knochengewebe nicht unähnlich und besteht hauptsächlich aus mineralischen und organischen Bestandteilen sowie Wasser. Er ist cremefarben bis gelblich und schützt mit seiner Elastizität den harten Zahnschmelz.
Zahnschmelz ist die härteste Substanz des Körpers. Zu über 90 Prozent besteht er aus Hydroxylapatit, einem kristallinen Material aus Calcium-, Phosphat- und Hydroxid-Ionen. In Längsrichtung der Zähne verläuft der Schmelzmantel in Faltungen. Zusätzlich weisen die Schneidezähne und die Backenzähne beim Pferde Schmelzeinstülpungen (Infundibula) auf.
Hauptsubstanz des Pferdezahns und damit die dritte harte Zahnsubstanz ist das Zahnbein (Dentin), das neben Calcium und Phosphor einen relativ hohen Anteil an Wasser und organischer Substanz aufweist.
Vom harten Zahnmaterial umgeben liegt im Inneren des Zahns die Zahnhöhle mit der Pulpa (Zahnmark). Diese ist bindegewebig ausgefüllt und reicht bis in die Wurzelspitzen. Das Zahnmark ist von Nerven und Blutgefäßen durchzogen, über die der Zahn mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird.