EOTRH : Zahnproblematik im Alter

Wenn es um Zahnprobleme bei Pferden geht, fällt in den letzten Jahren vermehrt ein Begriff: EOTRH – für „Equine Odontoclastic Tooth Resorption and Hypercementosis“. Noch nie davon gehört? Keine Sorge, das trifft wohl auf viele Reiter zu, denn diese Erkrankung ist erst seit etwa 10 bis 15 Jahren als solche bekannt. 

Pferde leben mittlerweile aufgrund der guten Versorgung und eines gesteigerten Stellenwerts als Familienmitglied deutlich länger als noch vor ein paar Jahrzehnten – es ist daher keine große Seltenheit mehr, dass ein Pferd teilweise an die 30 Jahre alt wird. Die medizinische Versorgung ist zudem deutlich mehr in den Fokus gerückt, sodass Besuche des „Pferdezahnarztes“ zum Glück keine Sonderbehandlung mehr sind, sondern mehr und mehr zur Routine werden. 

Erkrankungen dieser Art mögen auch schon vor Jahren aufgetreten sein, allerdings wurden sie dann nur selten entdeckt: Damals war es eben normal, dass alte Pferde schlechte Zähne hatten. 

EOTRH – was ist das genau?

Bei EOTRH handelt es sich um eine ausgesprochen schmerzhafte und bisher unheilbare Erkrankung der Zähne; betroffen sind in der Regel zuerst die Schneidezähne von älteren Pferden ab etwa 15 Jahren, selten bei jüngeren Pferden.  

Die Krankheit sorgt für einen Abbau der Zahnsubstanz, bei dem sich die Zähne mehr oder weniger von selber auflösen würden. Um dagegen zu arbeiten, bildet der Körper vermehrt Zahnzement, der die entstehenden Schäden auffüllen soll – Schwellungen am Zahnfleischrand rund um die betroffenen Zähne sind die Folge. Das umliegende Zahnfleisch neigt außerdem zu Entzündungen und wird durch die Zementbildung besonders stark strapaziert. 

Häufig erkennen Pferdebesitzer den Beginn dieser Krankheit nicht oder deuten erste Anzeichen falsch, da sich alles gut verborgen unterhalb des Zahnfleisches entwickelt. Warnsignale sind aber z.B. Auffälligkeiten im Fressverhalten oder veränderter Geruch aus der Maulhöhle, sowie:  

•Probleme beim Abbeißen (z.B. bei Möhren oder Äpfeln), 

•Verweigerung der Flüssigkeitsaufnahme – insbesondere bei kaltem Wasser, 

•Entzündungen des Zahnfleischs mit kleinen roten Punkten im betroffenen Bereich bis hin zu Fisteln mit Austritt von Eiter, 

•ungewöhnlich starke Bildung von Zahnstein an den Schneidezähnen, 

•allgemeine Schmerzempfindlichkeit gegenüber dem Trensengebiss, 

•plötzliche erhöhte Widersetzlichkeit bei der Routinezahnbehandlung, 

•Gewichtsverlust, 

•ein bereits vorhandenes Kariesproblem. 

Was löst EOTRH aus?

Der Auslöser dieser Erkrankung ist noch nicht sicher festgestellt. Mehrere Faktoren scheinen die Erkrankung zu begünstigen. So führt erhöhter Druck auf die Schneidezähne beim Kauvorgang zu Entzündungen. Auch scheinen bestimmte Rassen wie zum Beispiel Isländer häufiger zu erkranken. 

Es wird außerdem vermutet, dass es auch einen Zusammenhang zwischen der Fütterung bzw. der Nährstoffaufnahme und einem gesteigerten EOTRH-Risiko gibt. Es wird empfohlen, von einer zuckerhaltigen Fütterung (z. B. durch viele gesüßte Müslis) auf eine eher ursprüngliche, aber dafür mineralienreiche Nahrungsquelle zurückzugreifen. Eine gute, ausbalancierte Versorgung mit wichtigen Spurenelementen wie Kupfer und Zink sowie Vitamin D und Vitamin K ist essentiell für gesunde, langlebige Zähne und Knochen. 

Wie wird EOTRH diagnostiziert?

Im Verdachtsfall sorgt ein Röntgenbild des Kiefers für Klärung. Diese Aufnahmen sind unter Sedierung leicht zu erstellen und bedeuten kein Risiko für den vierbeinigen Patienten. Anhand der Aufnahme lassen sich die Schäden an den Zahnwurzeln genauer ermitteln und das Voranschreiten der Krankheit besser einschätzen. 

Fakt ist, dass der Abbau der Zahnsubstanz bislang nicht gestoppt werden kann. Als erste Maßnahme verschafft das Kürzen der Schneidezähne und die damit verbundene Druckentlastung häufig Linderung. Spülungen und Entzündungshemmer führen aber nur zu kurzfristigen Erfolgen, weshalb oftmals die Extraktion der betroffenen Zähne ab einem gewissen Stadium unumgänglich ist. 

Mut zur Lücke?

In der Tierklinik ziehen wir die erkrankten Zähne, wenn dem Pferd dadurch Erleichterung verschafft werden kann. In der Regel betrifft dies aber gleich mehrere Zähne und es nicht unüblich, dass die Pferde nach der Behandlung ohne Schneidezähne auskommen müssen. Dies klappt übrigens besser, als man annehmen könnte: Sind die Zahnfleischentzündungen abgeheilt, kommen die Pferde auch ohne Schneidezähne gut zurecht und können sogar erfolgreich Grashalme zupfen. 

Trotzdem ist es unvermeidbar, ein genaues Auge auf den Futterzustand des Tieres zu haben. Ein Abmagern und langsames (Ver-)Hungern sollte in jedem Fall verhindert werden. Besitzer eines stark an EOTRH erkrankten Pferdes sind stets in der Verantwortung, die vorhandene Lebensqualität des Pferdes realistisch – in Zusammenarbeit mit einem Tierarzt – abzuschätzen und immer zum Wohle des Tieres zu entscheiden. 

Text: Tierklinik Lüsche, Foto: Trio Bildarchiv