Zahnprobleme rechtzeitig erkennen

Früherkennung vermeidet chronische Schäden

„Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“, heißt ein altes Sprichwort, dem man allerdings keinesfalls folgen sollte.  

Egal, ob das Pferd teuer gekauft oder einem geschenkt wurde, jedes Pferd sollte ein- bis zweimal jährlich standardmäßig einen Zahncheck erhalten. Während der Tierarzt dies gerne parallel zum Impftermin erledigt, kann der Pferdebesitzer selbst im Vorfeld schon einiges tun, um Zahnprobleme frühzeitig zu erkennen.  

Pferde können wie wir Menschen auch an Zahnschmerzen leiden. Da unsere Reittiere jedoch kaum in der Lage sind, ihre Probleme mitzuteilen und sich Schmerzen erst bei einem sehr hohen Level anmerken lassen, sollten die Tiere regelmäßig einem Zahncheck unterzogen werden. Auch wenn der Tierarzt dem Pferd bei seinem jährlichen Check ins Maul schaut, können sich unter dem Jahr Probleme entwickeln, unter denen das Pferd dann mehrere Monate zu leiden hat, bis sie eventuell erkannt werden. Deshalb ist der Pferdebesitzer gefragt, der täglich mit seinem Tier Kontakt hat und manches Verhalten auch besser beurteilen kann als ein Außenstehender. So ist jeder Besitzer selbst gefordert, Probleme frühzeitig zu erkennen und schließlich gegebenenfalls den Tierarzt vor dem üblichen Standardtermin zu Rate zu ziehen. 

Früherkennung

Mit einfachen Tests kann der Pferdebesitzer bereits im Vorfeld den Zahnstatus abchecken. Zunächst ist es besonders wichtig, das Pferd gut zu beobachten. Wenn das Reittier gefüttert wird, achten die meisten Besitzer darauf, ob das Pferd frisst. Das allein reicht jedoch nicht aus, denn entscheidend ist die Frage, wie das Pferd seine Heuration frisst. Aufmerksam sollte man werden, wenn ein Pferd als schlechter Fresser oder als schwerfuttrig bezeichnet wird. Grundsätzlich ist langsames Fressen zwar vorteilhaft, doch es kann auch bedeuten, dass das Pferd Zahnprobleme hat. Auch eine schlechte Futterverwertung kann ein Hinweis darauf sein. So sollte man regelmäßig auch den Kotabsatz prüfen inklusive der Konsistenz des Kotes. Zwar spielen bei der Zusammensetzung und Konsistenz des Kotes auch die Darmgesundheit und die Fütterungspraktiken eine große Rolle, dennoch darf man nicht außer Acht lassen, dass der Zahnstatus dieses System nicht unwesentlich beeinflusst. 

Verhalten beobachten

Beobachtet man sein Pferd beim Fressen, sollte man das Kau- und Speichelverhalten unter die Lupe nehmen. Vermehrtes Speicheln kann auf Zahnschmerzen hindeuten, ebenso wie „hohes“ Kauen, bei dem das Pferd das Maul während des Kauvorgangs übermäßig weit öffnet. 

Lässt es beim Fressen öfter Futterteile aus dem Maul fallen oder findet man eingespeichelte, gerollte Heuknäuel am Boden, ist dies ein deutliches Anzeichen für Zahnprobleme. Auch häufige Koliken können mit Zahnproblemen in Verbindung stehen. 

Riecht das Pferd unangenehm aus dem Maul, können Fäulnisprozesse dafür verantwortlich sein: Ein guter Grund, das Pferd einem Tierarzt zur weiteren Untersuchung vorzustellen. Nasenausfluss kann auch durch Zahnprobleme entstehen, also sollte man auch diese Ursache im Kopf haben und nicht nur an Erkältungskrankheiten denken. Entzündungen und wunde Stellen im Maulbereich gehören abgeklärt, denn diese könnten sich durch scharfe Kanten und Haken entwickelt haben.  

Stellt man unklare Umfangsvermehrungen am Kopf seines Pferdes fest, sollte man ebenfalls die tierärztliche Telefonnummer wählen, um nach der Ursache forschen zu lassen. Lässt das Pferd beim Reiten, beim Fressen oder auch mal bei anderen Gelegenheiten die Zunge aus dem Maul hängen, ist ebenfalls ein tierärztlicher Zahncheck angesagt. Auch in diesem Fall könnte das Pferd Zahnhaken haben, die die Zunge verletzen könnten. 

Wenn das Pferd ohne sonstigen erkennbaren Grund an Gewicht verliert, kann es möglicherweise nicht mehr ausreichend gut kauen oder das Futter entsprechend verwerten. Auch in diesem Fall ist der Rat des Tierarztes unentbehrlich.  

Vielfältige Verhaltensauffälligkeiten sollten ebenfalls Grund genug sein, das Pferd auf Zahnprobleme untersuchen zu lassen. Manche Pferdebesitzer finden es lustig, wenn ihr Vierbeiner sein Heu zunächst ins Tränkebecken taucht, bevor es die Ration frisst. Weicht das Pferd sein Heu ein, können aber ebenfalls Zahnprobleme die Ursache sein. Natürlich muss das nicht zwingend der Fall sein, doch ist durchaus Anlass gegeben, dieser Angewohnheit auf den Grund zu gehen. Wenn das Pferd beim Fressen häufig den Kopf schüttelt, bedeutet dies meist Unbehagen – nicht selten durch Zahnprobleme ausgelöst. 

Nicht zuletzt fallen Pferde dadurch auf, dass sie beim Reiten „maulig“ sind, das Gebiss nicht annehmen oder sich gegen die Zügelhilfe wehren. Beißen auf das Gebiss, Öffnen des Mauls oder Kopfschlagen sind beim Reiten typische Symptome von Pferden, die Zahnprobleme haben. 

Einfache Zahntests

Neben den Verhaltensauffälligkeiten kann auch der Pferdebesitzer einige Punkte abchecken, um seinen Verdacht auf Zahnprobleme zu erhärten. Die Begutachtung der Kaumuskulatur im Seitenvergleich ist sehr einfach durchzuführen und gibt weiteren Aufschluss. Nimmt man die Massetermuskulatur an den Backen des Pferdes unter die Lupe und stellt Unterschiede im Seitenvergleich – vor allem in Bezug auf die Muskelfaserspannung und Muskelmasse – fest, können Zahn- oder auch Kiefergelenksprobleme vorliegen. Weil sich Zahn- und Kiefergelenksläsionen gegenseitig bedingen, sollte man die beiden Seiten des Kiefergelenks miteinander vergleichen. Hierzu legt man jeweils einen Finger in den Kiefergelenkspalt und beurteilt, ob der Gelenksspalt gleich breit ist. Den Kiefergelenkspalt findet man hinter dem Schläfenbein, etwa eine Handbreit unterhalb der Ohrmuschel. Sind Unterschiede festzustellen, kann ein guter Osteopath helfen, mögliche Gelenksblockaden zu lösen. Zusätzlich sollte der Tierarzt hinzugezogen werden, um seinerseits mögliche Zahnläsionen zu beseitigen. 

Unter dem Schopf des Pferdes liegen die Temporalismuskeln – ebenfalls Muskeln, die am Kauvorgang beteiligt sind. Auch diese beurteilt man im Seitenvergleich. Tritt der Muskel auf einer Stirnseite stärker hervor, können auch hier Zahnläsionen die Ursache darstellen, wenn das Pferd einseitig kaut und somit die Muskulatur ungleich beansprucht. 

Ein weiterer Zahntest, der auf Zahn-haken hindeuten kann, besteht darin, die Zahnreihen von außen abzutasten. Hierzu drückt man mit dem Finger knapp unterhalb der Jochbeinleiste gegen die Kauleiste. Das Pferd wird den Kopf hochwerfen, um dem Druck zu entgehen, wenn scharfe Kanten oder Haken gegen das Zahnfleisch drücken.  

Der Blick ins Maul

Nun geht es ans „Eingemachte“, denn ein Blick ins Maul des Pferdes kann weiteren Aufschluss geben. Zunächst beurteilt man die Stellung der Schneidezähne. 

Hierzu schiebt man einfach die Lippen des Pferdes mit den Fingern auseinander, um einen Blick auf die Schneidezähne zu erhalten. Kann das Pferd das Maul ausreichend schließen, haben die Incisivi (Schneidezähne) Kontakt.  

Stellt man einen Spalt zwischen den oberen und den unteren Schneidezähnen fest, drückt man sanft das Unterkiefer gegen das Oberkiefer, um zu testen, ob das Pferd in der Lage ist, das Maul komplett zu schließen. Ist dies nicht der Fall, könnten Läsionen im Backenzahnbereich vorliegen. Haben die Schneidezähne mit ihren Antagonisten keinen Kontakt, hat das Pferd Schwierigkeiten, Gras abzurupfen, und grundsätzlich Probleme, Futter aufzunehmen. 

Nun legt man sein Augenmerk darauf, ob Unter- und Oberkiefer plan aufeinander liegen. Hierzu überprüft man, ob der mittlere Spalt der oberen Schneidezähne mit dem der unteren Schneidezähne auf gleicher Ebene liegt. Ein Versatz deutet auf eine seitliche Verschiebung des Unterkiefers in Bezug auf den Oberkiefer hin und erfordert die Behandlung sowohl durch einen Osteopathen (mögliche Kiefergelenksblockaden) als auch einen Tierarzt (mögliche Zahnprobleme).  

Der Blick auf die Backenzähne ist für den Pferdebesitzer schwierig und sollte nur mit Hilfe des Tierarztes erfolgen, damit Verletzungen von Pferd und Mensch ausgeschlossen werden können.  

Die angeführten Tests und Beobachtungen helfen in den meisten Fällen, Zahnprobleme frühzeitig aufzudecken und langes Leiden des Pferdes zu vermeiden. Es gilt auch zu bedenken, dass nicht nur die Zähne selbst zur Gesundheit des Pferdes beitragen, sondern Zahnproblematiken auch weiterreichende Läsionen im gesamten Bewegungsapparat des Pferdes zur Folge haben können. Folgeerkrankungen reichen von Koliken bis hin zu Arthrosen und anderen Lahmheitsursachen sowie weitreichenden gesundheitsbeeinträchtigenden Langzeitfolgen. 

Text und Foto: Renate Ettl