Pferd & Recht

Ein schöner Lebensabend – So schützen Sie Ihr Pferd

Wer sein Pferd als Beistell- oder Gnadenbrotpferd abgibt, der möchte sicher sein, dass es ihm gut geht. Pferde fit & vital zeigt auf, wie Sie Ihr Pferd auch im Alter schützen können.

Es gibt eine Vielzahl von Gründen, weshalb man sich von einem liebgewonnenen Pferd trennt – oder besser, trennen muss, denn meistens sind es äußere Umstände, die entsprechende Zwänge ausüben. „Normale“ Pferdehalter sind auf Pensionsställe angewiesen und können ihr Pferd nicht einfach auf die eigene Koppel stellen. Und sie verfügen vielfach auch nicht über die finanziellen Möglichkeiten zur Haltung mehrerer Pferde, jedenfalls nicht in einem Pensionsstall.
Das Pferd wird alt. Oder ein Sportpferd wird sportuntauglich, kann nur noch auf der Weide stehen und spazieren geritten werden. Oder man erleidet private oder berufliche Schicksalsschläge wie etwa eine Scheidung oder einen Jobverlust. Der Gründe gibt es viele. Aber man möchte dem langjährigen treuen Begleiter doch noch ein paar schöne Jahre gönnen. Da bietet sich doch die Abgabe an einen Gnadenbrothof oder als sogenanntes Beistellpferd an.

Oder lieber nicht?

Gnadenbrothöfe finden sich im Internet und in den sozialen Foren zuhauf, und ebenso findet sich eine Vielzahl von Gesuchen nach Beistellpferden. Man gebe nur die Begriffe „Gnadenbrotpferde“ und „Beistellpferde“ ein, und man wird geradezu überschüttet mit Angeboten. Da sind sicherlich in der Mehrzahl viele seriöse dabei. Aber man erzielt beim Googeln auch viele unseriöse Treffer.
Wie man daraus ersieht, handelt es sich um ein seit Jahrzehnten bekanntes – und nach wie vor hochaktuelles – Problem: Pferde, die von besorgten Besitzern in einen vermeintlich liebevollen Ruhestand geschickt werden, verschwinden mehr oder weniger zügig nach der Abgabe, meistens auf Nimmerwiedersehen. Entweder landen sie beim Schlachter oder sie werden aufgepäppelt und als Schul- oder gar Sportpferde weiterverkauft. Nur in den seltensten Fällen kann ein solches Pferd wieder aufgefunden werden, und dann hat der neue Besitzer es in aller Regel gutgläubig erworben und muss es nicht mehr herausgeben.
Ein typisches Beispiel aus der Praxis des Verfassers: Ein nicht mehr sporttaugliches älteres Springpferd wurde als Beistellpferd verkauft und verschwand alsbald vom Hof des Erwerbers. Dem ehemaligen Besitzer wurde vorgegaukelt, das Pferd habe eine Kolik erlitten und deshalb eingeschläfert werden müssen. Etwa ein Jahr später machten Freunde des ehemaligen Besitzers Urlaub im Ausland, besuchten dort zum Zeitvertreib ein Turnier und sahen zu ihrem großen Erstaunen das ehemalige Pferd ihres Freundes in einem M-Springen am Start. Der (Amateur-) Reiter des Pferdes war ebenso erstaunt darüber, was ihm von den Freunden unseres Mandanten zu dem Pferd berichtet wurde, denn er hatte das Pferd für einen nicht gerade geringen Betrag nachweislich gutgläubig als Turnierpferd erworben. Das Pferd sprang bes-tens und dass es manchmal etwas klamm ging, fand er nicht so schlimm, dann gab er ihm eben eine Prise Equipalazone ins Futter (die Begriffe „Doping“ und „Tierquälerei“ sind in dem betreffenden Land von eher untergeordneter Bedeutung). Weder die deutsche noch die dortige Polizei war an Ermittlungen wegen Betruges interessiert, sie empfanden das als zivilrechtliches Problem. Letzten Endes kaufte unser Mandant sein ehemaliges Pferd gegen Erstattung des von dem ausländischen Erwerber gezahlten Kaufpreises sowie dessen Spesen von diesem zurück und brachte es dann zuhause in einem von ihm nun streng überwachten Pensionsstall unter, um dem armen Tier doch noch einen angenehmen Lebensabend in sicherer Umgebung zu gewähren.
Sie werden sagen: Wie kann das nur angehen? Es gibt doch Papiere: Eigentumsurkunde, Abstammungsnachweis und vor allem den Equidenpass. Und die meisten Besitzer verkaufen ihr Pferd doch nur gegen einen Schutzvertrag. Und ins Ausland muss es doch Ausfuhrunterlagen geben.
Die Antwort ist wie bei Radio Eriwan: im Prinzip ja. Aber was nützt das? Papiere kann man mit Leichtigkeit fälschen. Die Grenzen in der EU sind grün und offen. Und ein Schutzvertrag ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben ist, wenn es der Vertragspartner bewusst auf Betrug anlegt. In aller Regel beträgt der in Schutzverträgen aufgeführte Kaufpreis 1 Euro. Für ein Schlachtpferd bekommt man etwa 400 – 500 Euro. Wenn man das zwanzigmal macht, hat man 20 Euro ausgegeben, aber zwischen 8.000 und 10.000 Euro kassiert, nicht zu sprechen von den Erträgen für noch „verwendbare“ Pferde. Bis der Verkäufer merkt, dass er betrogen wurde, ist man längst verschwunden. Und einen ausländischen Schlachter (solche Pferde gehen ja dann häufig in Schlachttransporten nach Südeuropa und Nordafrika) kümmert es nicht, ob in einem deutschen Equidenpass steht, dass das Pferd nicht geschlachtet werden darf.
Wie also können Sie sich schützen? Nun, ganz ausschließen kann man kriminelles Verhalten nie, aber doch ein paar Vorsichtsmaßnahmen beherzigen.

So schützen Sie Ihr Pferd

• Wenn es irgend geht, verkaufen oder verschenken Sie Ihr Pferd gar nicht erst. Bleiben Sie Eigentümer, denn dann haben Sie weiterhin die alleinige Befugnis, zu bestimmen, was mit Ihrem Pferd geschieht. Ist es verkauft oder verschenkt, kann der Käufer oder Beschenkte mit dem Pferd rechtlich gesehen machen, was er will.

• Wenn es auch nur halbwegs finanzierbar ist, suchen Sie daher lieber einen Pensionsplatz für das Pferd aus, den Sie selbst bezahlen, sodass Sie der Auftraggeber sind, Sie also laufend überwachen und bestimmen können, was mit dem Pferd geschieht und den Sie notfalls schnell wechseln können.

• Suchen Sie ggfs. alternativ jemand Zuverlässigen (Stichwort Reitbeteiligung), der/die sich finanziell am Unterhalt des Pferdes beteiligt. Dies ist eine häufig gewählte und praktizierte Lösung und bietet sich jedenfalls an, solange das Pferd noch freizeitmäßig reitbar ist.

• Wenn das Behalten des Pferdes nicht möglich ist, suchen Sie jedenfalls in aller Ruhe nach einem seriösen Gnadenbrothof, Rentnerstall oder Beistellplatz. Überstürzen Sie nichts. Auch wenn das nach Vorstehendem nicht so klingen mag: Die meisten Angebote sind durchaus seriös und ernst gemeint und man kann gute Plätze für ein liebevolles Rentnerdasein finden. Aber Sie müssen unbedingt die schwarzen Schafe erkennen und aussondern. Das benötigt Zeit und einen gewissen persönlichen Aufwand für die Suche (den Sie für Ihren Liebling aber unbedingt investieren sollten).

• Checken Sie mehrere Angebote, nehmen Sie nicht das erstbeste. Fragen Sie Freunde, Ausbilder und Reiterkollegen. Auch Tierärzte wissen oftmals einen seriösen Unterbringungsplatz, vielleicht, weil ein Beistellpferd gerade verstorben ist und Ersatz gesucht wird. Weitere gute Auskunftsquellen sind auch die einschlägigen hippologischen Verbände und Tierschutzorganisationen.

• Suchen Sie etwas in für Sie erreichbarer Umgebung. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Vorsicht vor räumlich weit entfernten Angeboten, erst recht, wenn man Ihnen anbietet, das Pferd bei Ihnen abzuholen!

• Wenn Sie Angebote zur näheren Auswahl gefunden haben, fahren Sie vor Vertragsschluss mehrfach dorthin (zuerst möglichst inkognito und auch und insbesondere unangemeldet) und sehen Sie sich gründlich um. Gibt es den Gnadenhof bzw. das Pferd, zu dem das Ihrige beigestellt werden soll, überhaupt? Stimmt das, was der Anbieter über die Örtlichkeiten gesagt hat? Bei Gnadenhöfen: Sind z. B. jedes Mal dieselben Pferde vor Ort (wechselnde Besetzung könnte auf Weiterverkauf hindeuten)? Sind genügend Futtermittel, Einstreu, Pflegepräparate usw. für Dauergäste vorhanden (wer Pferde nur „durchreicht“, gibt sich nicht mit Betreuungsarbeiten ab)? Wie sieht das betreuende Personal aus? Macht das alles einen stimmigen Eindruck? Je mehr Informationen und Eindrücke Sie sammeln, desto besser.

• Notieren Sie die Kennzeichen vor Ort befindlicher Fahrzeuge. Auswärtige oder gar ausländische Kennzeichen sollten grundsätzlich misstrauisch machen.

• Checken Sie die sozialen Netzwerke, ob Sie darin etwas über den jeweiligen Hof bzw. die dort agierenden Leute erfahren. Sprechen Sie nicht nur mit den Interessenten und ggfs. deren Personal, sondern auch mit Nachbarn und anderen Menschen aus der Umgebung, u. a. auch mit ortsansässigen Tierärzten (durchaus auch Kleintierärzten, deren Wartezimmer sind prächtige Informationsbörsen) und Hufschmieden. Auch Wirte und Bedienungen örtlicher Gaststätten und Kneipen sind sehr geeignete Informanten. Jede Info ist hilfreich, und Wissen ist Macht!

• Behalten Sie stets alle Papiere des Pferdes und sonstige Unterlagen bei sich. Versenden Sie diese nicht, auch nicht in Kopie. Seien Sie auch vorsichtig mit der Versendung und Aushändigung von Fotos des Pferdes. Was einmal – insbesondere im Internet – verbreitet wurde, kann missbraucht werden.

• In diesem Zusammenhang: Checken Sie bereits nach den ersten Gesprächen im Internet und einschlägigen Foren, ob dort Ihr Pferd ggfs. schon angeboten wird.

• Lassen Sie sich gesprächsweise und per Mail und Chat nicht „einwickeln“. Fallen Sie nicht auf rührselige und/oder treuherzige Geschichten des Anbieters herein. Je schmalziger, desto unglaubwürdiger ist die Geschichte. Plumpe Vertraulichkeiten (z. B. „Wir sind doch per Du, oder?“ gleich beim ersten Treffen) sollten ebenso misstrauisch machen wie Übertreibungen („Ich habe mich schon unsterblich in Ihre süße Stute verliebt“).

• Lassen Sie sich zu nichts drängen. Behalten Sie die Entscheidungshoheit. In der Ruhe liegt die Kraft!

• Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl. Falls Sie ein ungutes Gefühl entwickeln, brechen Sie jegliche Verhandlungen sofort ab! Niemals sich selbst etwas schönreden („Ach, das wird sich schon geben“ etc.).

• Wenn ein Vertragsschluss konkret ansteht: Identifizieren Sie Ihren Vertragspartner eindeutig, lassen Sie sich den Ausweis zeigen; machen Sie möglichst eine Kopie davon, zumindest aber notieren Sie die Ausweisdaten. Am wichtigsten sind Geburtsdatum und -ort, darüber lassen sich auch „Vertragsnomaden“ häufig wiederfinden. Verifizieren Sie diese Daten, z. B. über eine Einwohneramtsauskunft, das Gewerberegister oder das Vereinsregister! Gefälschte Ausweise bekommt man in jedem „besseren“ Hinterzimmer am Hauptbahnhof…

• Treffen Sie niemals mündliche Abreden. Alles muss schriftlich niedergelegt werden. Wenn Sie das Formular für einen sog. „Schutzvertrag“ aus dem Internet verwenden, achten Sie darauf, dass Sie trotzdem Eigentümer des Pferdes bleiben (in den Formularen ist die Vereinbarung oft als Verkauf, zumindest aber missverständlich formuliert). Lassen Sie ggfs. einen hippologisch erfahrenen Juristen den Vertragsentwurf aufsetzen.

• Wenn Sie das Pferd dennoch verkaufen (wollen oder müssen), dann niemals für den berühmt-berüchtigten einen Euro, sondern zu einem Betrag, der dem realistischen Schlachtpreis entspricht (Anhaltspunkt: etwa 400 – 500 Euro).

• Schreiben Sie ein deutliches Verbot des Weiterverkaufs in den Vertrag, zumindest aber eine Zustimmungserfordernis Ihrerseits im Fall des Weiterverkaufs, verbunden mit einem Vorkaufsrecht zu Ihren Gunsten.

• Schreiben Sie den genauen Nutzungszweck plus evtl. Gebrechen und sonstige Besonderheiten des Pferdes in den Vertrag (z. B. „Nutzung nur Beistellpferd, darf bzw. kann wg. Hufrolle nicht mehr geritten werden“).

• Schreiben Sie in den Vertrag, dass eine Tötung des Tieres nur mit Ihrer ausdrücklichen vorherigen Zustimmung erfolgen darf, und, falls für die Einholung einer solchen (z. B. im Unglücksfall) keine Zeit gewesen ist, eine Sektion vorgenommen und das Ergebnis Ihnen vorgelegt werden muss.

• Schreiben Sie in den Vertrag, dass Sie das Pferd jederzeit und auch ohne Voranmeldung besuchen dürfen.

• Und schreiben Sie eine hohe Vertragsstrafe hinein, für den Fall, dass Ihr Vertragspartner gegen vertragliche Vereinbarungen verstößt (nicht unter 5.000 Euro, eher mehr, für jeden Fall des Verstoßes). Einen unseriösen Vertragspartner schrecken Sie damit von vornherein ab, denn der will ein schnelles Geschäft machen und sich nicht später mit Ihnen herumärgern müssen. Ein seriöser Vertragspartner aber wird Ihnen das bedenkenlos unterschreiben können (weil er ja, wenn er ehrlich ist, nicht erst befürchten muss, von Ihnen jemals in Anspruch genommen zu werden). „Zickt“ Ihr potentieller Vertragspartner, brechen Sie daher die Verhandlungen ab.

• Nach Vertragsschluss und Übergabe des Pferdes: Bleiben Sie, auch wenn alles o.k. erscheint, weiterhin wachsam. Besuchen Sie Ihr Pferd (auch ohne Vorankündigung!) so oft als möglich und halten Sie auch sonst Kontakt. Schicken Sie auch Freunde oder Verwandte oder sonstige Vertraute vorbei. Lassen Sie sich die Kontaktdaten des behandelnden Tierarztes und des Hufschmieds geben. Und sollte das Pferd plötzlich verstorben sein (an einer Kolik, einem Beinbruch oder sonstigen dubiosen Umständen), fahren Sie hin, identifizieren Sie – auch wenn es schwerfällt – Ihr Pferd und lassen Sie sich von dem die Euthanasie vornehmenden Tierarzt eine Bestätigung ausstellen.

• In ganz großer Not und großer Eile: Bitte denken Sie daran, dass es in mehreren Bundesländern und Regionen sog. „Pferdeklappen“ gibt. Dies ist eine durchaus überlegenswerte Alternative. Ein Pferd dort abzugeben ist jedenfalls eine weitaus bessere Lösung, als es einem dubiosen Gnadenhof oder Beistellplatz auszuliefern! Das klingt alles sehr umständlich, und teilweise vielleicht sogar grausam. Noch grausamer wäre es aber, wenn Ihr langjähriger Gefährte auf einem Schlachttransport nach Südeuropa landet oder als Schulpferd oder sogar gesund gespritztes Sportpferd noch jahrelang verheizt werden würde, anstatt ein geruhsames und glückliches Rentnerdasein zu genießen. Dann wäre es eventuell sogar humaner und beruhigender, ihn selbst auf die ewige Weide zu schicken.

Text:Wolfgang Walter Horn, Foto: S. Heüveldop