Der Zügelcheck

Das Band der Kommunikation

Welche Gebisse am verträglichsten sind, welche Sättel dem Pferderücken gut tun und welche Decken atmungsaktiv sind, darüber wird in Reiterkreisen viel diskutiert.  

Doch ein sehr wichtiger Ausrüstungsgegenstand bleibt dabei oft auf der Strecke: Der Zügel führt in Reiterdebatten eher ein Schattendasein. Dennoch spielt er eine erhebliche Rolle bei der Kommunikation zwischen Reiter und Pferd.  

Der Zügel wird von den meisten Reitern einfach nur als Zwischenstück von der Reiterhand zum Gebiss verstanden. Er erfährt darum kaum Aufmerksamkeit und die wenigsten Reiter machen sich um unterschiedliche Wirkungsweisen, Handhabung und Pflege Gedanken. Der Markt hält eine Fülle von verschiedenen Zügelarten für die jeweiligen Reitweisen bereit. Ein Überblick hilft bei der Auswahl des richtigen Zügels. 

Zügelvarianten in der deutschen Reitweise

Sogenannte Englischzügel gibt es in verschiedenen Variationen, wobei insbesondere unterschiedliches Material zur Verfügung steht – Zügel in geschlossener Form sind beim Reiten im klassischen Stil allerdings obligatorisch. Neben den traditionellen Gurt- und Lederzügeln haben sich vor allem auch Gummizügel etabliert. 

Gurtzügel

Weit verbreitet sind geschlossene Gurtzügel, die sich als Standardzügel bei vielen Freizeitreitern durchgesetzt haben. Diese Zügel sind langlebig und sehr robust und geben insbesondere dem noch etwas unsicheren Reiter gute Unterstützung. Der Gurtzügel ist mit Lederteilen an den Zügelenden verstärkt, um ihm an den strapazierten Bereichen, wo die Gebisse eingeschnallt sind, mehr Stabilität zu verleihen. Leder lässt sich auch besser von Speichelspuren reinigen, die während des Reitens entstehen. Im Mittelteil des Gurtzügels sind in gleichmäßigen Abständen von etwa 15 cm Lederstege eingearbeitet, die ein Durchrutschen des Zügels durch die Reiterhand weitestgehend verhindern. Gurtzügel sind zwar grundsätzlich sehr rutschfest, können aber Blasen an den Händen hinterlassen, wenn der Reiter auf Reithandschuhe verzichten will und das Pferd ihm die Zügel aus der Hand zieht.  

Die Stege sind für den unerfahrenen Reiter auch als Orientierungshilfe nützlich, damit er die Zügel beidseits gleichmäßig ablängen kann. Somit ist der Zügel für jeden Zweck und vor allem auch bei nassem Wetter im Gelände gut geeignet. Der Zügel liegt leicht in der Hand und erleichtert dem Reiter damit auch, einen leichten, aber steten Kontakt zum Pferdemaul aufrechtzuerhalten. Somit hat sich der Gurtzügel als Universalzügel im klassischen Reitsport erwiesen.  

Gurtzügel sind nicht besonders pflegeintensiv und sehr strapazierfähig, sollten aber dennoch einer täglichen Kontrolle auf Festigkeit unterzogen werden. Das Gurtmaterial gilt es mit einer Bürste regelmäßig von Schmutz zu reinigen, die Lederteile müssen jeweils mit Sattelseife und Lederfett gepflegt werden. Zeigen Zügel Anzeichen, dass das Material angegriffen ist – wie gerissene, ausgefranste Gurtfasern oder lockere Ledernähte – sollten sie ausgewechselt werden, bevor sie während des Galopps im Gelände plötzlich reißen und somit Reiter und Pferd in höchste Gefahr bringen. 

Lederzügel

Der Dressurreiter hat sich nicht nur aus ästhetischen Gründen meist dem reinen Lederzügel verschrieben. Das Leder liegt geschmeidiger in der Hand und brilliert durch seine weiche Flexibilität. Somit kann der Reiter bei korrekter und sanfter Handhabung minimale Impulse auf das Gebiss übertragen und eine feine Kommunikation mit dem Pferd aufrechterhalten.  

Lederzügel können bei Regen oder durch verschwitzte Hände allerdings sehr rutschig werden, weshalb es ratsam ist, beim Reiten dünne Handschuhe zu tragen, die das Gefühl nicht beeinträchtigen, aber die Griffigkeit am Zügel erhöhen.  

Damit der Lederzügel stets geschmeidig und reißfest bleibt, muss er regelmäßig gepflegt werden. Hierzu sollte das Leder nach jedem Reiten von grobem Schmutz befreit und von Zeit zu Zeit mit Wasser und Sattelseife gewaschen werden. Schließlich werden die sauberen Zügel mit einem hochwertigen Lederfett behandelt.  

Gummizügel

Eine weitere Zügelvariante, die es auf dem traditionellen deutschen Markt gibt, sind Gummizügel. Hier unterscheidet man zwei Varianten: Einmal ist der Zügel zum großen Teil mit einem Gummimantel überzogen, was ihn besonders rutschfest macht, bei der zweiten Variante wurden Gummifäden in das Gurtmaterial eingewoben oder das Leder ist mit Gumminoppen versehen. Gummierte Gurtzügel sind besonders rutschfest und liegen sehr gut in der Hand. Übermantelte Gummizügel haben einen Leder- oder Nylonkern und sind schwerer und klobiger als die gummierte Variante.  

Sie eignen sich deshalb nicht für feines Reiten, werden aber oft bei schwierigen Pferden eingesetzt. Das Pferd kann dem Reiter den Zügel nur schwer aus der Hand ziehen, unterliegt aber keinem so extremen Ruck im Maul, da das Material etwas flexibel ist. Somit werden auch unsanfte Impulse einer noch unerfahrenen Reiterhand etwas abgemildert. 

Western-Variationen

Der Westernreitsport hält ebenso viele Zügelvariationen bereit, sodass für jeden Geschmack und jeden Zweck das Passende zu finden ist. Die Klassiker unter den Zügeln sind „Split reins“ aus Leder. Wie der Name bereits andeutet, sind diese Lederzügel geteilt und bestehen aus zwei einzelnen Lederriemen. Diese sogenannten offenen Zügel haben sowohl Vor- als auch Nachteile. Zunächst ist die Handhabung gerade für Anfänger nicht so einfach wie mit geschlossenen Zügeln. Ist der Reiter noch etwas ungeschickt, könnte ein Zügel auf den Boden fallen, wenn er ihm aus der Hand gleitet. Das kann bei geschlossenen Zügeln nicht passieren. Doch mit etwas Übung sind auch offene Zügel einfach zu händeln.  

Split reins

Die richtige Länge der Split reins ist sehr wichtig, um Unfälle und Verletzungen zu vermeiden. Zum Abmessen werden die Zügel vom Gebissring ausgehend über den Widerrist gelegt, so dass sie auf der gegenüberliegenden Seite an der Schulter des Pferdes herabhängen. Die Zügel sollten dabei in etwa bis zum Karpalgelenk reichen. Dies ist die ideale Zügellänge, bei der zum einen keine Gefahr besteht, dass das Pferd auf das Ende des Zügel tritt, zum anderen rutscht dieser auch nicht auf der am Gebiss befestigten Seite auf den Boden. Die Länge der Split reins ist also vor allem von der Größe des Pferdes abhängig. 

Split reins gibt es aber nicht nur in unterschiedlicher Länge, sondern auch in verschiedenen Materialien und variablen Breiten. Ob man sich für schmale oder breitere Zügel entscheidet, ist oft Geschmackssache, wird aber auch durch die Handgröße des Reiters festgelegt. Kinderhände können schmale Zügel besser bedienen, während erwachsene und starke Männer meist breitere Zügel bevorzugen. Ein breiter Zügel hat logischerweise auch mehr Gewicht als die schmale Variante, sodass er deutlich ruhiger im Gebissring hängt. Da Westernreiter den Zügelkontakt nur möglichst kurz aufrechterhalten wollen und ihre Pferde möglichst am losen Zügel arbeiten lassen, wünscht man sich einen ruhig hängenden Zügel. Der lockere Zügel soll dabei nicht schlenkern oder flattern, sondern ruhig im Gebissring liegen, um das Pferd im Maul nicht zu stören. Auf diese Weise kann das Pferd ungestört über einen längeren Zeitraum in Selbsthaltung laufen. Dies wird durch ein höheres Zügelgewicht unterstützt. 

Die klassischen Western-Lederzügel sind im dunklen, besonders weichen Latigoleder oder in Harnessleder am Markt. Sie sind für einen hohen Qualitätsstandard doppelt genäht, das heißt, dass die rauen Lederseiten zweier Lederriemen aufeinander gelegt und miteinander vernäht werden.  

Die traditionellen Split reins gibt es aber auch in anderen Materialien wie Baumwolle oder Nylon. Oft laufen die Zügelenden bei diesen Zügelvarianten in einem etwas breiteren Lederstück aus, das als Gertenersatz dienen kann. 

Mecate der klassischen Bosal-Hackamore

Eine Sonderform von Westernzügel ist die Mecate, ein aus Tierhaaren geflochtener geschlossener Zügel, der traditionell an der Bosal-Hackamore zur Anwendung kommt. Üblicherweise besteht die Mecate aus einem Gemisch von Mähnen- und Schweifhaaren von Pferden und/oder Rindern. Je höher der Anteil von Mähnenhaaren des Pferdes und geringer der Anteil von Rinderhaaren ist, desto weicher wird der Haarzügel. Er wird mit einem bestimmten Knoten am Knauf des gebisslosen Rohhaut-Bosals angebracht, wobei das Ende des Seils als Führstrick dient. Während des Reitens befestigt der Westernreiter das Führseil am Sattel.  

Mit der Mecate lernt das Pferd – noch in beidhändiger Zügelführung – dem Zügeldruck am Hals zu weichen (Neck reining). Hier hilft die borstige Oberfläche des Zügels, die das Pferd deutlicher spürt. Die Bosal-Hackamore wird aufgrund ihrer Konstruktion stets ohne Anlehnung in der „Pull and Slack“-Methode geritten und stellt oft den Übergang zum einhändigen Reiten auf Hebelarmzäumung dar. 

Mecates werden aber auch in anderen Materialien wie Baumwolle angeboten, was den Preis moderater gestaltet. Selbst an Trensengebissen sind Baumwoll- oder Nylonzügel – sowohl in offener als auch geschlossener Form – bei Freizeitreitern sehr beliebt. 

Romal reins

Romal reins sind die klassischen geschlossenen Zügel der Westernreiter, die ausschließlich am Hebelarmgebiss (Bit) verwendet werden. Sie stammen ursprünglich aus der kalifornischen Reitweise und bestehen aus geflochtener Rohhaut, manchmal auch aus Leder. Oft sind die Zügel geschmackvoll mit farbigen Rohhautapplikationen, Silberbeschlägen oder Perlenauflagen verziert. Die Zügel vereinen sich über dem Widerrist des Pferdes und laufen in einer peitschenähnlichen Verlängerung aus. Das Ende des Zügels ziert eine Lederpatsche, die in der Praxis als Gertenersatz zum Einsatz kommt.  

Schnallen, Verschlüsse und Extras

Um die Zügel am Gebiss zu befestigen, stehen dem Reiter unzählige Möglichkeiten zur Verfügung. Die Fixierungen sollten sowohl praktisch als auch optisch ansprechend sein. Klassische Zügel werden meist mit einer Schnalle am Gebissring montiert und können darüber hinaus mittels einer weiteren Schnalle in der Mitte geöffnet werden. Die mittige Zügelschnalle sollte aus Sicherheitsgründen stets geöffnet werden, wenn das Pferd an den Zügeln geführt wird. Fällt der Zügel in geschlossenem Zustand versehentlich auf den Boden, könnte das Pferd in die Schlaufe treten und sich dabei schwer verletzen.  

Recht praktisch finden viele Reiter die Befestigung der Zügel mittels eines Karabiners oder eines sogenannten „Snaps“ am Gebissring. Damit kann ein Zügel blitzschnell gewechselt oder gelöst werden, doch diese Metallösen haben so ihre Tücken: Wenn sich das Pferd seinen Kopf an einer Wand oder einem Baum kratzt, könnte sich der Snap öffnen. Bei lockerer Zügelführung klappern die Metallteile von Snap und Gebissring aufeinander und leiten unangenehme Vibrationen an das Pferdemaul weiter. Aus diesen Gründen sollte man auf Zügelsnaps an den Gebissringen verzichten.  

Spezielle Zügelbefestigungen werden mitunter auch aus optischen Gründen eingesetzt. So sind insbesondere hochwertige Zügel – sowohl in der deutschen Reitweise als auch Westernbereich – teilweise mit Hakenverschlüssen ausgestattet, weil sie optisch sehr elegant aussehen. 

Ein (gebogener) Metallring, der um den Gebissring gelegt und durch den der Zügel hindurchgezogen wird, ist unter dem Namen „Warendorfer Schlaufe“ bekannt. Diese Befestigungsvariante ist ebenfalls recht praktisch, hat allerdings wiederum den Nachteil, dass hier Eisen (Metallöse) auf Eisen (Gebissring) trifft und wie beim Zügelsnap Vibrationen auf das Maul übertragen werden können.  

Sehr hübsch sehen auch die Zügel mit einer Quick Release- bzw. einer Quick Change-Befestigung aus. Die Lederschlaufe im Gebissring kommt dabei ohne Metallteile aus. Es gibt aber auch Modelle mit einer kleinen Metallöse, durch die eine dafür vorgesehene Zügellasche gezogen wird.  

Im Westernbereich sind darüber hinaus einfache Knotenfixierungen mit dünnen, aber robusten Lederbändchen üblich, ebenso aber auch die Befestigung mittels sogenannter Chicago-Schrauben. Jegliche Zügelmontage muss aber vor jedem Gebrauch auf ihre Festigkeit geprüft werden, da Material verschleißen kann oder Schrauben und Knoten sich lösen könnten. 

Zügelführung

Vertreter der deutschen Reitweise halten die Trensenzügel, indem sie zwischen kleinem und Ringfinger durchgeführt werden. Der Daumen liegt wie ein kleines Dach locker auf dem Zügel. Die Zügel verlaufen dabei durch die aufrecht stehende Faust des Reiters. 

Der Westenreiter kennt verschiedene Zügelführungen. Ähnlich wie der Dressur- oder Springreiter die Zügel in einer geschlossenen Faust hält, nimmt auch der Westernreiter die Trensenzügel in die Hand. Allerdings liegt der gegenüberliegende Split-rein-Zügel zusätzlich in der Faust, sodass jeweils beide Zügel in beiden Händen gehalten werden und sich dabei eine sogenannte Zügelbrücke bildet.  

Das Ablängen der Zügel bedarf dabei allerdings etwas Übung. 

Im Gelände bevorzugen viele Westernreiter die sogenannte Arbeitshaltung. Hier greift man mit einer Hand von oben in die Zügel und hält dabei beide Split rein-Zügel gleichzeitig in der horizontal liegenden Faust. 

Die Romal reins werden ebenfalls einhändig geführt. Diese Zügel verlaufen von unten nach oben durch die aufgestellte Zügelfaust, quasi so, als würde man einen Blumenstrauß halten. Die freie Hand trägt das Endstück des Zügels in lockerer Verbindung zur zügelführenden Hand. 

Egal, für welchen Zügel man sich entscheidet: Zügelführung und Zügelart sollten möglichst dem jeweiligen Zweck der reiterlichen Disziplin entsprechen, um die Kommunikation mit dem Pferd so fein wie möglich aufrecht zu erhalten. 

Text und Foto: Renate Ettl