fit & vital mit Tierfilmer Marc Lubetzki

„Von den Wildpferden habe ich gelernt, wie ich mit meinen Pferden zuhause eine
vertrauensvolle und feine Kommunikation aufbaue.“

Seit nunmehr zehn Jahren ist der Tierfilmer Marc Lubetzki weltweit unterwegs, um das Verhalten wildlebender Pferde mit seiner Kamera einzufangen. Wochenlang lebt er dazu unter ihnen und wird Teil ihrer Herde. Was er daraus für den Vertrauensaufbau und die Kommunikation im Umgang mit Pferden gelernt hat, schildert er unter anderem in seinem neuesten Buch„Im Gespräch mit wilden Pferden“. PFERDE fit & vital nutzte die Gelegenheit zu einem Interview.

Sie sind erst durch Ihre jetzige Frau mit Pferden in Kontakt gekommen – heute verbringen Sie nicht nur beruflich einen großen Teil Ihrer Zeit mit ihnen, sondern schreiben Bücher und vermitteln den Weg zu natürlicher Kommunikation, artgerechtem Umgang und pferdegerechter Haltung in einer„Masterclass“. Was fasziniert Sie so am Wesen Pferd?
Marc Lubetzki: Mich fasziniert die Art, wie Pferde zusammenleben. Die Einfachheit und ihr großartiges Sozialverhalten. Alles dreht sich um die Herde, nicht ums eigene Ego. In einer Zeit, in der die meisten von uns sich mehr und mehr von der Natur entfernen, ist es unglaublich schön zu spüren, wie einfach das Zusammenleben in der Herde ist – auch für uns Menschen, wenn wir uns darauf einlassen.

Wenn Sie wildlebende Pferde und Pferde in menschlicher Obhut vergleichen: Wo liegt die größte Problematik in der modernen Haltung?
Der Mensch greift in den natürlichen Tagesrhythmus des Pferdes und in sein Sozialleben ein, wodurch sich gesundheitliche wie auch Verhaltensprobleme entwickeln können. Wir zwingen ihnen einen Fütterungsrhythmus auf, den sie von Natur aus nicht haben und wir lassen sie nicht zu ihren eigenen Gruppen finden, sondern stellen Gruppen zusammen, mit denen sich die einzelnen Pferde zurechtfinden müssen. So ist das in der Natur aber nicht, und so kommt es zu Problemen. Natürlich lässt sich eine natürliche Umgebung normalerweise nicht herstellen, aber man sollte versuchen, sich so weit wie möglich an die Natur anzunähern. Irgendwas kann man immer zur Verbesserung beitragen und auch Kleinigkeiten können viel bewirken.

Mit Pferden umgehen heißt mit ihnen zu kommunizieren, und wie das geht, versuchen Sie den Lesern in ihren Büchern und Filmen zu vermitteln. Was sind typische Fehler, die Ihnen da auffallen?
Da ist zum einen, dass man sich klar darüber sein muss, in welcher Beziehungsebene man sich zu einem bestimmten Pferd befindet und welche Signale man entsprechend aussendet. Verhalte ich mich in meiner Körpersprache wie es ein Fohlen tun würde? Oder wie ein Herdenhengst oder eine erfahrene Stute? Oder wechsele ich gar immer wieder zwischen diesen Verhaltensweisen? Verhalte ich mich, als gehöre ich zur Herde oder als käme ich aus einer fremden Herde? All das ist von enormer Bedeutung in der Beziehung zu meinem Pferd und letztlich ausschlaggebend dafür, ob es zwischen Pferd und Reiter klappt oder eben nicht.
Eine zweite Sache ist, wie viele von uns auf ein Pferd zugehen. Sie fassen es einfach an, bevorzugt am Kopf, geben Leckerli… So geht das aber nicht im normalen Pferdeleben. Unter wildlebenden Pferden sind Berührungen am Kopf extrem selten und grobes „Angetatscht werden“ ist ein absolutes No Go. Generell ist das Anfassen am Kopf für ein Wildpferd der schlimmste Eingriff. Man sollte wesentlich behutsamer vorgehen – so wie es Pferde eben tun.
Und schließlich gibt es dann noch das Problem, dass viele Menschen nicht erkennen, wenn ein Pferd „Nein“ sagt. Dafür gibt es klare Signale, und die sollte man kennen.

Immer wieder heiß diskutiert im Umgang mit Pferden ist das Thema „Rangordnung in der Mensch-Pferd-Beziehung“. Wie haben Sie das erlebt und welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
Innerhalb einer Herde spielt das Thema Rangordnung bei weitem nicht die Rolle die man sich allgemein vorstellt. Je nach Situation bestimmt zum Beispiel immer mal ein anderes Pferd, ob es Zeit zum Wechsel der Futterstelle ist. Die typische lineare Rangordnung gibt es dagegen zwischen verschiedenen Herden, und diese wird vom ranghöheren Hengst gegebenenfalls auch konsequent durchgesetzt. In der Regel kommt es aber zu ritualisierten Begegnungen, so dass aggressive Angriffe und damit Verletzungen vermieden werden. Ich persönlich hatte noch nie eine Auseinandersetzung mit einem Wildpferd. Der Schlüssel ist einfach, dass man sie nicht bedrängen darf und sich Zeit nehmen muss. Wichtig ist dabei, dass man auch wirklich die entsprechende Einstellung haben muss und nicht nur einfach so tun darf, als ob. Und das ist auch der Schlüssel zur Beziehung mit unseren Pferden.

Wie können wir uns eigentlich Ihr Zusammenleben mit den wilden Pferden vorstellen? Wie lange waren Sie dabei jeweils in den Herden?
Ich bleibe immer so lange wie irgend möglich bei ihnen. Das ist von Land zu Land natürlich verschieden, aber meist auf drei Monate begrenzt. In dieser Zeit lebe ich einfach unter ihnen, wechsele mit ihnen den Standort, zum Beispiel zur Nachtruhe. Ich schlafe am Boden, habe Wasser und Flüssignahrung bei mir, so dass ich nur sehr selten zu meinem jeweiligen Stützpunkt (Auto, Hütte) zurückkehren muss.

Gibt es schon Pläne für ein neues Projekt bzw. eine neue Herde?
Es gibt ein paar Sachen, die ich gerne machen würde, aber noch habe ich nichts Konkretes anvisiert. Jetzt freue ich mich erst einmal, dass das neue Buch herausgekommen ist.

Text: Ramona Billing, Fotos: Eike Lubetzki,
entnommen dem Buch „Im Gespräch mit wilden Pferden“ mit freundlicher Genehmigung des Kosmos Verlags