Sicher & effektiv

Stoßwellentherapie beim Pferd

Nachdem im Jahr 1980 von Chaussy et al. erstmalig die sogenannte extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) zur Zertrümmerung von Nierensteinen in der Humanmedizin beschrieben wurde, hat diese Therapieform ab Mitte der neunziger Jahre ihren Weg auch in die Pferdemedizin gefunden.

Nachdem im Jahr 1980 von Chaussy et al. erstmalig die sogenannte extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) zur Zertrümmerung von Nierensteinen in der Humanmedizin beschrieben wurde, hat diese Therapieform ab Mitte der neunziger Jahre ihren Weg auch in die Pferdemedizin gefunden. Bei der klassischen fokussierten ESWT werden Schallwellen im Stoßwellenkopf erzeugt und kegelförmig zentriert (fokussiert) auf das geschädigte Gewebe geleitet. Intensität (gemessen in Millijoule pro Millimeter), Anzahl der Stoßwellen/ Impulse (von 500 bis mehreren tausend) und Eindringtiefe (von 0 bis etwa 110 mm) können dabei angepasst werden. Wie genau die Stoßwellen wirken, ist bis heute nicht bekannt. Man vermutet jedoch, dass die Stoßwellen die Interaktion zwischen den Zellen beeinflussen, indem sie die Ausschüttung von u. a. Zytokinen und Wachstumsfaktoren verändern und so die Heilung fördern.
In einer Studie maßen die Forscher die Konzentration verschiedener Faktoren, die an der Wundheilung beteiligt sind. Die Untersuchungen zeigten, dass die ESWT nicht nur Wachstumsfaktoren beeinflusst, sondern auch die Bildung von Blutgefäßen sowie knochenproduzierenden Zellen (Osteoblasten) fördert, Stammzellen rekrutiert und Schmerz-linderung bewirkt. In verschiedenen Studien zeigte sich die fokussierte Stoßwellentherapie als wirksame Behandlungsmethode bei Sehnen-, Knochen- und Gelenkserkrankungen. Sie kommt bei Sehnenverletzungen aller Art ebenso zum Einsatz wie bei Arthrosen und Überbeinen. In den Sehnenfasern lösen sich Verklebungen, die Ausrichtung neu gebildeter Fasern wird verbessert. Die für den Aufbau der Knochensubstanz verantwortlichen Osteoblasten werden aktiviert, körpereigene Stammzellen und Wachstumsfaktoren stimuliert.
Eine zweite Art der Stoßwellentherapie ist die sogenannte radiale Form, bei der die Schallwellen sich radial ausbreitend auf das Gewebe gerichtet werden. Hierfür sind einfachere Geräte erforderlich als bei der fokussierten Stoßwellentherapie. Die meiste Energie wird an der Oberfläche frei, die Eindringtiefe ist gering. Sie verbessert die Durchblutung und den Stoffwechsel und beschleunigt so die Heilung.

Anwendungsgebiete
• Verletzungen und Entzündungsprozesse an Bändern und Sehnen, insbesondere am Fesselträgerursprung,
• Erkrankungen am Übergang von Sehne und Knochen (Insertionsdesmopathien)
• Überbeine/Knochenhautreaktionen (hier zeigt die Stoßwelle sehr gute Ergebnisse und hilft manchmal auch, Operationen zu vermeiden),
• Schleimbeutelerkrankungen (z. B. Piephacke),
• Spat,
• Pseudarthrose,
• sportmedizinische Betreuung von Rückenproblemen und
• Wundheilungsstörungen.

In mehreren Studien konnte bemerkenswerte Erfolge beobachtet werden. So berichtet eine Studie an Pferden, die unter Spat litten, dass 79 Prozent nach der Stoßwellentherapie eine deutliche Besserung der Lahmheit zeigten. Eine andere Studie zeigte bei 80 Prozent der untersuchten Pferde mit chronischer Entzündung des Unterstützungsbandes Behandlungserfolge nach nur drei Sitzungen (Kaneps A. J.: Practical rehabilitation and physical therapy for the general equine practitioner. The Veterinary Clinics of North America. Equine Practice, 19 Feb 2016, 32(1):167-180). Interessante Ergebnisse erzielte auch eine 2018 veröffentlichte Studie von Kathryn Seabaugh et al. von der Colorado State University: Demnach könnte eine Kombination von PRP-Therapie und Stoßwellentherapie bei Weichteilverletzungen zu einer deutlich höheren Konzentration von Wachstumsfaktoren führen.
(https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fvets.2017.00205/full)

Durchführung
Die Stoßwellentherapie wird am stehenden Pferd durchgeführt. Da das Gerät relativ laut ist, kann eine leichte Sedierung notwendig sein. Damit die Schallwellen optimal durchdringen können, sollte die Stelle entsprechend vorbereitet werden (zum Beispiel können Scheren sowie gründliches einigen nötig sein). Die Behandlung ist schmerzlos und dauert etwa 15 bis 20 Minuten. Je nach Art der Erkrankung bzw. Verletzung können mehrere Behandlungen erforderlich sein, die im Abstand von ein bis vier Wochen erfolgen. Die Nachsorge ist abhängig von der jeweiligen Erkrankung. In aller Regel können die Pferde bereits am nächsten Tag ihr (kontrolliertes) Bewegungsprogramm absolvieren. Eine Turnierteilnahme ist laut FEI während der nächsten fünf Tage nicht möglich. Von zentraler Bedeutung für den Erfolg der Stoßwellenbehandlung ist jedoch die vorhergehende gründliche Diagnostik.

Text: Ramona Billing/Fachliche Beratung Stefanie Petzoldt, Foto: Pferdeklinik an der Rennbahn