Magengeschwür ist nicht gleich Magengeschwür

Dem Equine Gastric Ulcer Syndrome (EGUS) auf der Spur

Magengeschwüre sind auch bei Pferden weit verbreitet. Je nach Quelle sind zwischen 60 und 90 Prozent aller erwachsenen Pferde betroffen und zwischen 25 und 50 Prozent der Fohlen. Und sie sind durchaus nicht nur bei Sportpferden zu finden, sondern auch bei Freizeitpferden und sogar Wildpferden.
PFERDE fit & vital unterhielt sich mit Dr. Anja Kasparek und Mag. Verena Prisching von der Pferdeklinik Aschheim über den neuesten Stand der Diagnostik und Therapie.

Der Begriff „Equine Gastric Ulcer Syndrome“ (EGUS) wurde 1999 eingeführt, um mit Gewebeverlusten und Geschwüren einhergehende Erkrankungen des Pferdemagens zu beschreiben. Er ist vergleichbar mit der sogenannten „peptischen Ulkuskrankheit“ beim Menschen. EGUS ist eigentlich nur ein Überbegriff, denn man unterscheidet Schädigungen (Läsionen) an der kutanen Schleimhaut (ESGD = Equine Squamous Gastric Disease) und Läsionen an der drüsenhaltigen Schleimhaut (EGGD = Equine Glandular Gastric Disease) des Magens. Zum Verständnis hilft ein Blick auf die Anatomie: Die Magenschleimhaut des Pferdes unterteilt sich in zwei verschiedene Regionen, die drüsenlose Pars non glandularis, die etwa ein Drittel des Magens ausmacht und ähnlich wie die Speiseröhre von geschichtetem Plattenepithel bedeckt ist, und die drüsenhaltige Pars glandularis. Hier befinden sich die Drüsen, die für die Sekretion von Salzsäure (HCL) als Reaktion auf Gastrin verantwortlich sind. Die Plattenschleimhaut wird von der Drüsenschleimhaut durch eine scharfe Abgrenzung (Margo plicatus) getrennt. Die Unterscheidung der beiden Arten von „Magengeschwüren“ ist deshalb so wichtig, weil es sich um zwei verschiedene Krankheitsbilder handelt, die unterschiedliche Risikofaktoren haben und unterschiedliche Therapieansätze erfordern. ESGD wird vor allem auf Fehler in Haltung und Training zurückgeführt, während EGGD in der Regel mit verzögerter Entleerung des Magens einhergeht. Nicht selten treten aber auch beide gemeinsam auf.

Besonderheiten des Pferdemagens

Um das Problem Magengeschwür besser zu verstehen, muss man sich ein wenig mit der Anatomie und den Abläufen im Körper des Pferdes beschäftigen. Eine Besonderheit des Pferdemagens ist, dass er unabhängig von der Futteraufnahme rund um die Uhr Magensäure produziert. Bei Fohlen beginnt dies bereits im Alter von zwei Tagen. Bei erwachsenen Pferden sondert der Magen pro Stunde etwa 1,5 Liter Magensäure ab, wobei die Säureproduktion zwischen 4 und 60 mmol Salzsäure pro Stunde schwankt. Der
pH-Wert im ventralen (bauchseitigen) Magen erwachsener Pferde ist überwiegend sauer und bleibt mit einem mittleren pH-Wert von 2,9 über einen Zeitraum von 24 Stunden relativ stabil. Im Gegensatz dazu ist der pH-Wert im dorsalen (rückenseitigen) Magen mit einem mittleren pH-Wert von 6,8 weniger sauer, unterliegt jedoch starken tageszeitlichen Schwankungen, was wahrscheinlich auf die natürlichen Fressgewohnheiten von Pferden zurückzuführen ist.

Faserige Matte aus Raufutter puffert Säure

Pferde nehmen den größten Teil ihres Raufutters tagsüber zu sich. Nach der Aufnahme bildet es eine faserige Matte im Magen, die zur Aufrechterhaltung der normalen pH-Schichtung des Mageninhalts beiträgt und dadurch die Pufferung der Säure im Dorsalmagen erleichtert. Infolgedessen haben Pferde tagsüber einen deutlich höheren pH-Wert im Dorsal-magen, der bis zu fünf Stunden nach der Fütterung anhalten kann. Neben der Säuresekretion wird der pH-Wert des Magens im Dorsalmagen auch durch Speichel, kurzkettige Fettsäuren (SCFA), Milchsäure und den Rückfluss von Gallensekreten beeinflusst. Nach einer flüssigen Mahlzeit entleert sich der Magen innerhalb von 30 Minuten, nach einer ballaststoffreichen Heumahlzeit hingegen erst innerhalb von 24 Stunden. Forscher haben zudem festgestellt, dass Bewegung die Magensäureproduktion erhöht und die Durchblutung des Magen-Darm-Trakts verringert. Wenn Pferde auf nüchternen Magen trainiert werden, spritzt außerdem die saure Flüssigkeit im Magen und setzt den oberen, empfindlicheren Teil des Magens einem sauren pH-Wert aus. Bereits nach 30 Minuten kann hier nachweislich eine Schädigung der Schleimhaut auftreten.

Stress als Hauptrisikofaktor

ESGD tritt vor allem bei Leistungs-pferden auf. Studien haben gezeigt, dass das Risiko einer ESGD mit zunehmender Trainingsintensität und Dauer der Arbeit steigt. Anstrengende Bewegung führt in Verbindung mit der Anspannung der Bauchmuskulatur zu einem Anstieg des Drucks im Bauch, der sich auch auf den Magen auswirkt. Es hat sich auch gezeigt, dass anstrengende Bewegung zu einem Anstieg des Hormons Gastrin führt, das die Magensäureproduktion anregt. Das Risiko wird durch entsprechendes Management erhöht: Boxenhaltung statt Weide und freiem Auslauf, um Verletzungen zu vermeiden, Stress durch Transport und ständig neue Umgebung auf den Turnieren, hypertone Elektrolytlösungen. Laut Studien hat die Kombination aus stärkereicher Ernährung, Stallpflicht und anstrengendem körperlichen Training innerhalb von nur sieben Tagen Läsionen hervorgerufen. Verschlimmert wird dies noch durch lange Futterpausen. Darüber hinaus kann Bewegung, insbesondere bei Rennpferden, die nahezu Höchstleistungen erbringen, eine hemmende Wirkung auf die Magenentleerung haben. Doch auch Freizeitpferde sind keinesfalls gegen ESGD gefeit, denn Stress hat für Pferde viele Gesichter: zu wenig Bewegung, zu wenig Raufutter, keine Ruhe vor anderen Pferden im vermeintlich so guten Offenstall, ständig wechselnde Herdenmitglieder usw.

Schleimhautaggressive & -schützenden Faktoren

Das equine Magengeschwürsyndrom bei Fohlen und Pferden ist das Ergebnis eines Ungleichgewichts zwischen schleimhautaggressiven Faktoren (Salzsäure, Pepsin, Gallensäuren, organische Säuren) und schleimhautschützenden Faktoren (Schleim, Bikarbonat). Da die schleimhautschützenden Faktoren in der Drüsenschleimhaut des Pferdemagens stärker entwickelt sind als in der Plattenepithelschleimhaut, können in diesen Regionen unterschiedliche ursächliche Mechanismen zu Ulzerationen führen. Geschwüre in der Plattenepithelschleimhaut sind in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Schleimhaut längere Zeit Salzsäure, Pepsin, Gallensäuren oder organischen Säuren ausgesetzt ist. In dieser Region auftretende Geschwüre ähneln dem Refluxsyndrom (GERDS) beim Menschen, da in dieser Region ähnlich wie in der Speiseröhre keine gut entwickelten Schutzfaktoren vorhanden sind. Je länger die Magensäure einwirkt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit schwerer Plattenepithelgeschwüre. Geschwüre in der Drüsenschleimhaut sind in erster Linie auf eine Unterbrechung des Blutflusses und eine verminderte Schleim- und Bikarbonatsekretion zurückzuführen.
Lange Futterpausen schaden Fasten ist ein wichtiger Faktor bei der Entstehung von Geschwüren in der Plattenepithelschleimhaut von Fohlen und erwachsenen Pferden. Bei Fohlen hat sich gezeigt, dass seltene oder unterbrochene Fütterungen und Liegen zu einem niedrigeren pH-Wert der Magenflüssigkeit führen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass…

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Text: Ramona Billing, fachliche Beratung: Dr. Anja Kasparek und Mag. med. vet. Verena Prisching, Foto: Christiane Slawik