Der Kick fürs Immunsystem?

Abwehrkräfte stärken

Unsere Pferde sollen fit und fröhlich durchs Leben gehen und uns bei guter Gesundheit möglichst lange begleiten – dazu brauchen sie ein leistungsfähiges Immunsystem. Es muss in der Lage sein, der alltäglichen Gefahr durch Krankheitserreger oder veränderte Körperzellen effektiv zu begegnen und sollte gleichzeitig nicht selbst zum Problem werden – Stichwort Allergie.

Natürlich unterstützt der Pferdehalter den Organismus seines Pferdes bei dieser Aufgabe. Dabei lassen sich zahlreiche, sehr unterschiedliche Ansatzpunkte ausmachen. Hilfe erfährt das Immunsystem nämlich nicht nur ganz klassisch durch Tierarzt oder Tierheilpraktiker, sondern auch durch den Pferdehalter. Es wird vor allem versucht, die körpereigene Abwehr durch die Gabe von Zusatzfuttermitteln zu unterstützen, sie über die Futterschüssel aufzubauen, aktiv zu halten, gezielte Impulse zu setzen. Wie aber ist die Stärkung des Immunsystems über die Futterschüssel einzuordnen? Ist diese Herangehensweise praktikabel, bringt sie spürbare – messbare – Effekte? Ist es denn überhaupt grundsätzlich möglich, die Abwehr auf diese Weise zu stärken? Gibt es Wechselwirkungen zwischen Ernährung und Immunsystem?
Die wissenschaftliche Erforschung der Wirkung etwa von bestimmten Pflanzen auf das Immunsystem unserer Pferde steht noch ganz am Anfang und so gibt es bislang kaum eine belastbare Basis für entsprechende Entscheidungen des Pferdehalters. Bei der Einordnung dieser Produkte hilft ein Blick auf das Immunsystem und seine Funktionsweise.

Was versteht man unter dem „Immunsystem“?

Dieses biologische Abwehrsystem verleiht höheren Lebewesen die Fähigkeit, sich gegen Krankheitserreger, aber auch gegen fremde Substanzen oder veränderte eigene Körperzellen (das Immunsystem ist auch für die Abwehr von Krebszellen zuständig) zu wehren und so Schädigungen der eigenen Körpersubstanz und -funktionen zu verhindern. Das Immunsystem verfügt über ein ganzes Arsenal von Abwehrmaßnahmen, die nur zusammen wirklich effektiv sind. Wollen wir die biologische Abwehr unserer Pferde stärken, sollten wir deshalb das Immunsystem als Ganzes im Blick behalten. Was gehört alles dazu?
Mit der angeborenen oder unspezifischen Immunantwort reagiert der Organismus durch verschiedene Maßnahmen sehr schnell auf Substanzen und lebende Organismen, die er als nicht-körpereigen erkennt (oder zu erkennen glaubt). Die Informationen für diese Reaktionen sind im Erbgut fest verankert und deshalb nicht veränderbar, weder durch Kontakt mit einem Krankheitserreger oder etwa durch eine Impfung. Zur unspezifischen Immunantwort werden mechanische Barriere und bestimmte Körperfunktionen gerechnet. Sie sollen potentiell schädliche „Fremdlinge“ daran hindern, in das Innere des Organismus vorzustoßen oder unterstützen den Körper dabei, bereits eingedrungene Mikroorganismen und Stoffe so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Zu diesen Abwehrmaßnahmen gehören etwa Haut und Schleimhäute, aber auch Tränenfluss, Urinfluss und Darmentleerung. Weiterhin verfügt der Organismus über eigene Zellen, die auf die Bekämpfung von problematischen Zellen – eingedrungene Mikroorganismen, aber auch Tumorzellen oder von Viren befallene Körperzellen – spezialisiert sind. Diese Granulozyten, Makrophagen, Natürlichen Killerzellen und andere werden im Knochenmark gebildet und finden sich überall im Organismus, nicht nur innerhalb der Blutbahn. Sie verfügen insgesamt über ein ganzes Waffenarsenal, können beispielsweise Krankheitserreger einfach auffressen oder weitere Kollegen zur Unterstützung gezielt zum Ort des Geschehens locken. Der dritte Baustein der unspezifischen Immunantwort besteht in bestimmten Plasmaproteinen, die sich im Blut und in der Gewebsflüssigkeit befinden. Diese Gruppe von Abwehrmechanismen wird auch „Humorales Immunsystem“ genannt, von lat. humor, „Flüssigkeit“. Während die zelluläre Abwehr sich auch aktiv an den Ort des Geschehens begeben kann, zirkulieren die Plasmaproteine passiv. Es lassen sich das Komplementsystem und die Interleukine unterscheiden: Die Plasmaproteine des Komplementsystems wirken auf verschiedene Weise direkt abwehrend auf die Eindringlinge, während die Interleukine die Bildung und Aktivität von Leukozyten positiv beeinflussen.
Das zweite Standbein des Immunsystems wird adaptive (sich anpassende) oder auch spezifische Immunantwort genannt. Wir haben es hier also mit entwicklungsfähigen Mechanismen zu tun, mit Strategien, die ganz speziell für bzw. eigentlich ja gegen bestimmte Fremdorganismen agieren können. Im Mittelpunkt der adaptiven Immunantwort steht eine Reaktion zwischen Antigenen und Antikörpern. Antigene nennt man oft aus Proteinen, aber auch aus anderen Stoffen bestehende, jeweils typische dreidimensionale Strukturen von Angreifern – eine Art „Ausweis“ für Krankheitserreger, so individuell wie ein Fingerabdruck. Das spezifische Immunsystem ist nun in der Lage, auf diese Antigene zu reagieren, sie zu erkennen und gezielte Abwehrmaßnahmen zu ergreifen. Dazu gehört vor allem die Bildung von Antikörpern (auch Immunglobuline genannt) durch Plasmazellen. Antikörper sind Moleküle mit eigenen Strukturen, die genau auf die der Antigene passen, wie ein Schlüssel ins Schloss. Durch diese Antigen-Antikörper-Reaktion wird eine ganze Reihe von Maßnahmen ermöglicht, durch die letztendlich der Angreifer unschädlich gemacht werden kann. Der Clou: Der Körper merkt sich, mit wem es schon einmal Zoff gab und kann dann viel schneller reagieren, wenn derselbe Typ Angreifer noch einmal eindringt. Auf diesem Wirkprinzip basieren übrigens Impfungen.
Adaptive und angeborene Immunantwort arbeiten zusammen und machen nur gemeinsam ein funktionsfähiges Immunsystem aus. Beteiligt sind, wie schon aus dieser stark vereinfachten Darstellung ersichtlich ist, zahlreiche Einzelmechanismen mit Zellen, Substanzen und mechanischen Barrieren. Wenn all diese Mechanismen gut funktionieren und es auch mit der Abstimmung untereinander klappt, ist dies die Basis einer guten Abwehr. Diese Grundlage unterliegt aber auch Einflüssen, die – scheinbar – nichts mit dem Abwehrsystem selbst zu tun haben.

Auch die Psyche spielt eine Rolle

So gibt es, wie man inzwischen weiß, direkte Zusammenhänge zwischen der Leistungsfähigkeit des Immunsystems und der psychischen Verfassung des Lebewesens. Die Psychoimmunologie untersucht diese Zusammenhänge und Verflechtungen und hat inzwischen beispielsweise herausgefunden, dass Angst, Depression und Stress das Immunsystem in Teilen ausbremsen können, während vor allem eine positive Grundhaltung und förderliche Lebensumstände (Optimismus, große Bandbreite an erlebten Emotionen, gute Einbindung in ein soziales Netz, belastbares Selbstwertgefühl, …) es stärken. Untersucht wurde und wird dies natürlich vor allem am Menschen, es kann aber als sicher angenommen werden, dass diese Zusammenhänge im Prinzip auch beim Pferd wirksam sind – glückliche Pferde dürften deshalb statistisch gesehen seltener an Infektionen erkranken als unglückliche.…

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Text und Foto: Angelika Schmelzer