Pergolid

Wirkstoffe leicht erklärt

Verlangsamter Fellwechsel, veränderte Figur, weniger Muskeln und die Kondition lässt nach – was oft als reine Alterserscheinung abgetan wird, ist in nicht selten Fällen eine hormonelle Erkrankung: das Equine Cushing-Syndrom. Hierbei handelt es sich um eine Stoffwechselstörung, die nicht heilbar, zum Glück aber gut behandelbar ist. Hierfür steht ein Wirkstoff aus der Gruppe der Dopaminagonisten zur Verfügung: Pergolid.

Pergolid ist derzeit der einzig zugelassene Wirkstoff zur Behandlung des Equinen Cushing-Syndroms. Bei dieser Erkrankung setzen betroffene Pferde zu viel des „Stress-Vorläuferhormons“ ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) aus ihrer Hirnanhangdrüse (der Hypophyse) frei. ACTH wiederum führt zu einer gesteigerten Freisetzung des Stresshormons Cortisol aus der Nebenniere. Cortisol übernimmt eine Reihe wichtiger Funktionen im Körper, die ihn kampfbereit bzw. fluchtbereit beim Fluchttier Pferd machen sollen: Als schnelle Energiequelle wird Glukose (Blutzucker) bereitgestellt, der Blutdruck steigt, das Herz schlägt schneller, der Fettstoffwechsel wird aktiviert und Entzündungsreaktionen im Körper gehemmt. Der Körper ist kurzzeitig leistungsfähiger und bereit zum Kampf bzw. zur Flucht. Natürlicherweise wird Cortisol in Belastungs- und Stresssituationen ausgeschüttet. Pferde, die am Equinen Cushing-Syndrom leiden, haben zudem einen Mangel an dem Botenstoff Dopamin, der normalerweise die ACTH-Produktion drosselt. Auch führt ein erhöhter Blut-Cortisol-Spiegel selbst zu einer Drosselung der ACTH-Freisetzung (was wiederum die Cortisol-Freisetzung hemmt). Dieser Regelkreis (eine sogenannte negative Rückkopplung) ist bei Pferden, die am Cushing-Syndrom leiden, gestört. In Folge stehen betroffene Pferde unter dauerhaft erhöhten Cortisol- und Blutzuckerspiegeln, was mit einer Reihe von klinischen Symptomen einhergeht.

Das Krankheitsbild Equines Cushing-Syndrom

Zunächst entwickelt sich das Equine Cushing-Syndrom schleichend und es kann sogar Jahre dauern, bis das Pferd Symptome zeigt. Am auffälligsten ist sicher das veränderte Fellwachstum mit dem für Cushing-Pferde charakteristischen langen, lockigen Fell (Hirsutismus). Die anfänglichen Symptome wie Müdigkeit, stärkeres Schwitzen auch ohne körperliche Anstrengung, vermehrtes Trinken und entsprechend erhöhter Harnabsatz sowie Infektanfälligkeit, Wundheilungsstörungen und Hautprobleme werden dagegen häufig übersehe“ bzw. nicht gleich dem Cushing-Syndrom zugeordnet. Erst im weiteren Krankheitsverlauf kommen weitere typische Symptome hinzu: schlechte Hornqualität, Neigung zu Hufgeschwüren und Hufrehe sowie der veränderte Körperbau mit Abmagerung, Senkrücken, Hängebauch, Speckhals sowie Fettpolstern über den Augen. Zudem sind die Pferde häufig in ihrer Fruchtbarkeit beeinträchtigt und zeigen erhöhte Leber- und Nierenwerte. Am häufigsten sind ältere Pferde und Ponys ab 15 Jahren betroffen, es kann vereinzelt aber auch schon in jüngeren Jahren auftreten. Eindeutig nachgewiesen werden kann diese Erkrankung mit einem ACTH-Test. Hierfür nimmt der Tierarzt eine oder mehrere Blutproben, welche dann auf bestimmte Hormon- und Blutwerte untersucht werden.

Was genau macht Pergolid im Körper?

Pergolid ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Dopaminagonisten. Als Agonisten bezeichnet man in der Pharmakologie Substanzen, die an einen spezifischen Rezeptor binden und so die normalen biologischen Folgereaktionen auslösen. Pergolid bindet also an die Dopaminrezeptoren und übernimmt die Funktionen von Dopamin. Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff im Gehirn, ein Neurotransmitter, der u. a. für die Hemmung der ACTH-Produktion in der Hirnanhangdrüse zuständig ist. Die bei Cushing-Patienten gestörte Hemmung der ACTH-Produktion infolge des Dopaminmangels wird durch Pergolid kompensiert. Pergolid drosselt anstelle von Dopamin die ACTH-Produktion im Gehirn und infolgedessen wird wiederum die Cortisol-Freisetzung aus der Nebenniere gehemmt. Der Cortisol-Spiegel im Blut normalisiert sich. Die durch die oft jahrelang erhöhten Cortisol-Spiegel entstanden Begleiterscheinungen benötigen natürlich eine gewisse Zeit, um abzuklingen. Eine erste Besserung der Symptome kann man in der Regel 6 bis 12 Wochen nach Therapiebeginn erwarten. Wird die Therapie abgesetzt, fehlt natürlich das Ersatz-Dopamin und es kommt erneut zu einer erhöhten ACTH-Produktion. Daher muss die Therapie lebenslang erfolgen.
Es gibt in Deutschland zwei Präparate mit diesem Wirkstoff (Prascend®, Boehringer Ingelheim und Pergoquin®, WDT). Am Anfang der Therapie muss das Pferd erst auf die richtige Dosis eingestellt werden. Hierfür wird zu bestimmten Zeitpunkten (zunächst meist alle 4 bis 6 Wochen) die ACTH-Konzentration im Blut bestimmt und ggf. die Dosis angepasst. Nach Einstellung des Patienten auf die richtige Pergolid-Dosis sollte alle sechs Monate eine Therapiekontrolle inklusive Blutuntersuchung durch den Tierarzt durchgeführt werden. Der Wirkstoff ist im Allgemeinen gut verträglich. Zu Beginn der Behandlung kann es in seltenen Fällen zu vermindertem Appetit kommen. Weitere mögliche, aber selten auftretende, Nebenwirkungen sind leichte Niedergeschlagenheit oder leichte Gangstörungen, Durchfall und Koliken sowie vermehrtes Schwitzen. Treten Nebenwirkungen auf, wird der Tierarzt die Dosis anpassen und reduzieren.

Wie wird der Wirkstoff verabreicht?

Der zur Verfügung stehende Wirkstoff Pergolid ist in Form von Tabletten für das Pferd zugelassen. Die Tabletten können mit etwas Futter wie etwa einem Apfel eingegeben werden. Sie lassen sich auch in Wasser auflösen und z. B. mit Melasse vermischt verfüttern. Es ist auch möglich, die in Wasser aufgelösten Tabletten dem Pferd direkt — wie eine Wurmkur – mit Hilfe einer Spritze ins Maul zu geben.

Kurz & knapp

Der Wirkstoff Pergolid ersetzt einen wichtigen körpereigenen Botenstoff und kann so die Symptome des Equinen Cushing-Syndroms deutlich mindern. Heilbar ist diese Erkrankung leider nicht, so dass eine Therapie mit Pergolid ein Pferdeleben lang erfolgen muss.

Text: Dr. med. vet. Kristine Rossbach, Foto: C. Slawik