Interview über Zeckenschutz für Pferde

Borreliose beim Pferd – das Risiko richtig einschätzen und vorbeugen

Interview mit Prof. Dr. Reinhard K. Straubinger über Zeckenschutz für Pferde

Welche Krankheiten, die von Zecken übertragen werden, spielen für Pferde eine Rolle?
Die bekanntesten sind Anaplasmose und Lyme-Borreliose. Bei dem Erreger der Anaplasmose (Anaplasma phagocytophilum) handelt es sich um einen Blutparasiten, der sich in den neutrophilen Granulozyten, einem Blutbestandteil, einnistet und damit das Immunsystem des Pferdes stört. Daneben gibt es noch Rickettsien, die bislang wenig erforscht sind.

Wie viele Pferde infizieren sich im Lauf ihres Lebens mit Borreliose?
Dazu gibt es keine übergreifenden Daten. Aktuell haben wir nur Informationen aufgrund von Proben, die von Tierärzten eingesandt werden, um abzuklären, ob eine Lyme-Borreliose die Ursache für eine Krankheit ist. Auf dieser Basis ist der Anteil der positiv getesteten Pferde recht hoch – höher als im natürlichen Durchschnitt. Gefühlt ist bei vielen Leuten die Lyme-Borreliose bei Pferden stark vertreten. Man muss allerdings aufpassen, dass nicht alles, was humpelt, lahmt und sich nicht anderweitig aufklären lässt, als Lyme-Borreliose deklariert wird.

Was sind typische Anzeichen einer Borreliose beim Pferd? Welche Komplikationen können auftreten?
Die typischen Anzeichen sind Abgeschlagenheit, geringere Leistungsfähigkeit und Lahmheiten. Alles andere, was an Fallberichten vorliegt, möchte ich mit einem Fragezeichen versehen. Pferde sind grundsätzlich weniger empfänglich für die klassische Borreliose als Hunde, Todesfälle sind daher unwahrscheinlich und mir nicht bekannt.

Die Borreliose ist ja eine bakterielle Erkrankung. Können Pferde mit Antibiotika behandelt werden?
Grundsätzlich ist die Borreliose mit Antibiotika behandelbar. Für Pferde ist aber das ganz große Spektrum der Antibiotika nicht verfügbar, da einige klassische Präparate zwar für Kleintiere, nicht aber für Pferde zugelassen sind. Penicilline und Oxytetracyclin, die gegen Borrelien gut funktionieren, kommen oft zum Einsatz. Aber Pferde können mit Nebenwirkungen nach einer antibiotischen Therapie reagieren. Häufig ist eine Kolitis, die schwerwiegend verlaufen kann. Darum ist eine Antibiotika-Therapie nicht so einfach, erst recht, wenn die Behandlung über 28 Tage dauert. Daher muss man vorsichtig sein. Das bedeutet: Wenn nichts anderes als eine Lyme-Borreliose diagnostisch in Betracht kommen sollte, dann ist eine Antibiose angemessen und das Pferd ist in den ersten sieben Tagen engmaschig zu kontrollieren. Tritt keine deutliche Besserung ein, sollte die Behandlung umgehend abgesetzt werden, um Nebenwirkungen zu vermeiden. Die Wirkung der Therapie bestätigt oder widerlegt die Borreliose als Ursache.

Wie sollten Halter ihr Pferd vor Zeckenkrankheiten schützen?
Das erste ist das tägliche Putzen. Dadurch werden eventuell vorhandene Zecken abgestreift. Dann kommt die Borreliose-Impfung. Und schließlich sollte man dichtes Buschwerk in oder um die Koppel vermeiden oder zurückschneiden. Erwachsene Zecken klettern bis etwa einen Meter über die Erdoberfläche – nicht höher – und bevorzugen dichte Büsche. Wenn ich vermeide, dass Pferde an Büsche kommen, ist das Risiko schon mal geringer. Koppeln am Waldrand sind besonders gefährdet. Auch wenn man mit dem Pferd durch Büsche reitet, sollte man hinterher genauer hinschauen. Denn: Eine Zecke reicht aus, um sich zu infizieren, das sollte man sich bewusst machen.

Für welche Tiere empfiehlt sich die Impfung gegen Borreliose? Gibt es Risikogruppen, für die diese Impfung besonders relevant ist?
In den neuen Leitlinien zur Impfung von Pferden steht im Grunde genommen: Jedes Pferd, das mit Zecken in Berührung kommen kann – das sind beispielsweise alle, die auf einer Weide stehen – mag über eine Impfung zusätzlichen Schutz erhalten. Wichtig ist in jedem Fall, dass man sich ans Impfschema hält, um den Antikörperspiegel gegen die Erreger möglichst hoch zu halten. Dazu benötigt das Pferd zunächst zwei Impfungen im Abstand von drei bis fünf Wochen. Im Unterschied zu den Herstellerangaben empfehlen wir dann eine Zwischenimpfung nach sechs Monaten. Nach weiteren sechs Monaten – ein Jahr nach Beginn der Impfung – wird nochmals geimpft und danach ist eine jährliche Auffrischung ausreichend. So hält man einen wirksamen Schutz aufrecht.

Welche Bedenken gegenüber der Impfung treibt so manchen Pferdebesitzer um?
Die Bedenken liegen immer als erstes bei den Nebenwirkungen, das ist für alle Impfstoffe gleich. Daher gibt es die Möglichkeit, Nebenwirkungen an das Paul-Ehrlich-Institut, das für die Zulassung der Impfstoffe zuständig ist, zu melden. Das kann jeder Tierarzt machen. Bei Hunden stellt man fest, dass die Nebenwirkungsrate sehr gering ist. Und: Die Borreliose-Impfung schneidet im direkten Vergleich mit anderen Impfungen sehr gut ab. Lokale Reaktionen an der Einstichstelle sind nichts Ungewöhnliches, selten sind allergische Reaktionen.

Wie funktioniert die Impfung?
Der Borreliose-Impfung funktioniert insofern, dass sie außerhalb des Wirtes im Darm der Zecke ihre Wirkung entfaltet. Die Antikörper gegen die Erreger gelangen beim Blutsaugen in die Zecke. Die Borrelien, die sich in der Zecke befinden, werden dann von den Antikörpern gebunden und blockiert, sodass sie nicht mehr auf das Pferd übergehen können. Damit ist die Infektion unterbunden. Denn: Keine Borrelien im Pferd bedeutet auch, keine Krankheit, das ist wichtig zu wissen. Um diesen Schutz zu gewährleisten, sind die hohen, durch die jährliche Impfung aufrecht erhaltenen Antikörperspiegel notwendig.

Unser Experte

Dr. Reinhard K. Straubinger ist Professor für Bakteriologie und Mykologie an der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilian-Universität München. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die Lyme-Borreliose, eine durch Zecken auf Mensch, Hund und Pferd übertragene und durch Borrelien ausgelöste Infektionskrankheit.